Frieden ‒ den brauchen zuallererst wir selber. Sonst werden wir mitgerissen vom allgegenwärtigen Unfrieden, auch auf die indirekte Art: hinein ins Abstumpfen. Wer für die Dinge um sich herum dicht wird, dicht macht, der schafft in sich selbst die Grundlage für Unfrieden, nämlich ein hartes Herz. Aus dem kommen dann keine guten Gedanken mehr, keine guten Worte und auch keine guten Taten.
Aber wo kommt der Frieden selber denn her? Wenn ich hier als Pfarrer stehe, dann rechnen Sie sicherlich mit einer ganz bestimmten Antwort, nämlich: «von Jesus, aus der Bibel». Ja, es ist tatsächlich so. Zu Kirche haben viele Menschen einen großen Abstand bekommen in den letzten Jahren. Aber schauen wir drum erst recht auf die Anfänge; darauf, wie es gemeint war und weiterhin gilt. Tun wir jetzt ’mal so, als würde das stimmen, diese Herleitung von Frieden.
Gottes Wort − Jesus − Frieden: Diese drei Themen bzw. Namen kommen an einer Stelle zusammen, nämlich in den Adventsversen von Jesaja 9:
«Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich (…).»
Diese Worte sind rund siebenhundert Jahre vor der Geburt von Jesus ergangen, und sie umschreiben bereits dessen Auftrag: unter anderem als Wunder-Rat und als Friede-Fürst. Ja, einen Herrscher, der immer Rat weiß und der Frieden stiftet, den bräuchten jetzt unsere Länder; einen, der «friedvoll durchgreift»; ein Herrscher, der besonderen Rat und großen Frieden gleich in seinem Namen führt
Die Frage drängt sich rasch auf: Und was hab ich selber von diesem Regenten von damsls? Ich hätte über ihn einen Halt außerhalb der Umstände.
Die erste Rückfrage ist aber: Will ich das überhaupt? Vielen genügt es ja, den «Frieden in sich selbst» zu suchen. Oder wie in einer Karikatur mit einem alten verstaubten hölzernen Thron auf dem Schild drüber stand: «Ich bin umgezogen und wohne jetzt in jedem von euch. Gott.» Lästerern mag das aus der dunklen Seele gesprochen sein. Realisten seit Pfingsten wissen, dass sie in ihrem Herzen ganz andere Dinge finden als die Göttlichkeit ihrer selbst.
Jesus nimmt jene alte Verheißung vom Frieden auf, wenn er zu seinen Jüngern sagt:
«Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.» (Johannes 14,27) ; und wenn er dem Pilatus auf die Frage, ob er ein König sei, antwortet: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt.» (Johannes 18,36
Also ein Frieden, für den man keinen Vergleich hat, von einem Fürsten, der nicht von dieser Welt ist? Ja, genau so herum.
So ein Halt von außen wäre jedenfalls die Brücke zwischen uns und dem ganzen Gottesreich, über den reißenden Strom Wirklichkeit hinüber zu dem Einen Lebendigen. Unsere Sehnsucht nach Frieden ist nämlich noch nicht der Frieden. Sie ist der Platzhalter für diesen ewigen Frieden.
Ein guter Fürst und Herrscher, ein begnadeter Ratgeber, der wünscht sich, dass man auf ihn hört, ja, der verdient es, gehört und erhört zu werden. Er sucht Menschen, die sich ihm unterstellen und auf die er dann zählen kann. Wie geht das in unserem Fall?
Der Brauch vom Händefalten beim Gebet käme von den alten Germanen, heißt es. Wenn sich ein Fürst einem anderen ergeben hatte, dann trat er vor ihn mit gefalteten Händen. Die haben gezeigt, dass er vollkommen unbewaffnet ist. Der andere unterstellt sich also dem Stärkeren. So ist das auch beim Beten und Glauben: Ich lege die Waffen ab, mit denen ich mich normalerweise meine selbst verteidige oder meine religiösen Übungen zelebriere. Ja, beides sind Verteidigungshaltungen vor dem Lebendigen − dessen erste Gabe der Frieden wäre.
Frieden, Shalom, das ist die Freiheit vom permanent schlechten Gewissen, die Freiheit vom angstvollen immer neuen Ausweichen, und der Mut, einer Stille standhalten zu können. Hierin einzustimmen, weil dieser Jesus aus dem Gotteswort einen immer mehr überzeugt, das nennt sich dann Glauben. Es geht eben nicht darum, irgendetwas nur «für wahr» zu halten, sondern es geht um ein Geloben − so der Wortstamm von «glauben» −, nämlich jenem Fürsten die Gefolgschaft. Deren erste Frucht ist Friede.
Er kommt von außen, wirkt nach innen und drängt wiederum nach außen. Er bewirkt Mut und Schnauf, mit dem wir uns dem eigenen Unfrieden wie auch dem Kampf um äußeren Frieden stellen können, getreu dem Spruch:
«Es ist ganz egal, wer vor mir steht,
wenn ich weiß, wer hinter mir steht.»
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Wort zum Sonntag vom 1. Dezember 2024: Rollen überbieten lernen
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.
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