Sportsgeist geht auch ohne Olympia. Willkürlichen Verboten mit Mut, Grips und Humor zu begegnen, dem guten alten Mutterwitz, ist einfach eine gute Sache, eine biblische noch dazu.
So wurde in den letzten Tagen die kompakte neuste Ausgabe einer kurzerhand verbotenen Zeitschrift bei einem anderen Verlag herausgegeben, mit einem ansprechenden Titelblatt versehen, «und siehe da – der verbotene Inhalt kommt ins Haus», wie die FAZ widerwillig anerkennt.
Beim Bestellen muss man nur politisch nicht unbedeutende Sätze richtig vervollständigen wie:
- «Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis … und ohne Waffen zu versammeln.» Es fehlt: transparent / feierlich / überbewertet / friedlich / rudimentär. Oder:
- «Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind .... − unverletzlich / süß / transparent / 42 / variabel.»
Es geht mir nicht um diese Zeitschriften als solche. Ihre Inhalte sind und bleiben diskutabel; müssen sie in einer Demokratie auch bleiben. Sondern mir geht es um Einfallsreichtum im friedlichen Widerstand.
Auf ein mögliches weiteres Beispiel hat mich ein Abonnent meines Telegram-Kanals aufmerksam gemacht mit seinem Kommentar «Dann beten wir bei 101 Meter». Die Rede ist vom neuen deutschen Bannmeilen-Gesetz, zusammengestellt unter der Ägide von Familien-Ministerin Lisa Paus. Die Absicht dieses Gesetzes sei die «Sicherstellung des ungehinderten Zugangs zu Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen sowie zu Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen, Untersagung best. Verhaltensweisen gegenüber Schwangeren im Umkreis von 100 m um den Eingangsbereich der Beratungsstellen und Einrichtungen, (…) .»
Aufgrund ähnlicher Gesetze war vor zwei Jahren in England eine Frau innerhalb der 150-Meter-Bannmeile um eine Abtreibungsklinik verhaftet worden. Ihr Vergehen: Sie hatte dort gebetet, und zwar schon 20 Jahre lang. Im Februar 2023 wurde sie zwar freigesprochen. Sie selber betonte aber, dass das jederzeit weitere Menschen treffen kann.
Ob auch deutsche Behörden zu derartigen Blößen bereit sind, wird sich weisen. Ich freue mich jedenfalls auf die ersten Skizzen findiger Juristen, die auf den Ortsplänen um solche Einrichtungen herum genau vermerken, an welcher Stelle der einhundertunderste Meter beginnt.
Wenn eine Regierung sich anmaßt, zu behaupten, dass «allein das vom Gesetzgeber erlassene Gesetz Recht ist, und zwar ohne Rücksicht auf den Inhalt», und «alles andere, was bisher Gesetzgeber und Herrscher gebunden hat, (…) als bloße Moral abqualifiziert wird, dann verfügt derjenige, der die Macht hat, Gesetze zu erlassen, auch über das Recht», schreibt der Verfassungsrechtler Hans-Georg Maaßen zu recht.
An sich ist das ja nichts Neues. «Ihr wisst», sagt Jesus,
«die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an.» (Markus 10, Vers 43).
Wölfe regieren Schafe. Dennoch verlangt derselbe Jesus:
«Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.» (Matthäus 10,16).
Neben dem stets vorausgesetzten Beistand von oben kommt es dabei vor allem auf Taktik und Strategie von unten an. Schafe sind zwar Schafe, aber deswegen noch lange nicht dumm. Jesus fordert sie im gleichen Atemzug auf:
«Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.»
Da muss ich einfach unwillkürlich an jene neue Zeitschrift und die Linien zum 101. Meter denken.
Jetzt kommt jedoch ein erstes Aber. Denn das alles muss deswegen nicht automatisch gutgehen. Wölfe wären nicht Wölfe und Herrscher wären keine von eigenen Gnaden, wenn sie sich kampflos das Szepter aus der Hand nehmen ließen. Frau Vaughan-Spruce war tatsächlich vor Gericht gelandet, und welche juristischen Kniffe jene, «die als Herrscher gelten», noch in petto haben, weiß keiner.
Entsprechend fährt Jesus weiter in seiner Rede:
«Hütet euch aber vor den Menschen; denn sie werden euch den Gerichten überantworten.» (Matthäus 10,17)
Klingt nicht gut; ist es auch nicht. Doch hier kommt nun das zweite große Aber:
«Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es wird euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. (…) Und ihr werdet gehasst werden von jedermann um meines Namens willen. Wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig.» (Matthäus 10,19.22)
Schlauheit und Arglosigkeit schützen den einen nicht vor Strafe, aber Strafe schützt den anderen nicht vor einem Zeugnis des Glaubens. Diesen Freimut haben in den vergangenen Jahren bereits viele Streiter fürs Recht bewiesen, wenn sie vor ihre juristisch gewandeten Verleumder getreten sind. Viele weitere freie Menschen werden ihn noch bezeugen dürfen, auch explizit aus ihrem christlichen Glauben heraus. Der Weg dorthin ist auch mit kreativen Ideen gepflastert.
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Wort zum Sonntag vom 28. Juli 2024: Die Hybris von Paris
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.
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