Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von l’AntiDiplomatico übernommen.
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Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums haben die ukrainischen Streitkräfte in der vergangenen Woche mehr als 9000 Mann verloren. Währenddessen verstößt die Artillerie Kiews weiterhin gegen das Moratorium für die Bombardierung russischer Energieanlagen, trotz der von Wolodymyr Selenskyj am 18. März öffentlich eingegangenen Verpflichtungen.
Auf der allgemeineren Ebene der Suche nach einem Waffenstillstand erklärte der Chef der Putsch-Junta vor kurzem auch, dass er zu einem Kompromiss in der Frage der Territorien bereit sei. Ein Punkt, den das Kiewer Regime bisher immer kategorisch abgelehnt hat. Ihm zufolge bleibt dies eine «rote Linie» für Kiew, aber «wenn es möglich ist, einen Kompromiss zu finden, so dass die Rückgabe dieser Gebiete zu gegebener Zeit auf diplomatischem Wege erfolgt, denke ich, dass dies bezüglich einiger Gebiete wahrscheinlich der einzige Weg sein wird».
Kurzum, der Krieg geht weiter, und wie. Und die täglich erscheinenden «politischen» und medialen Schritte legen davon Zeugnis ab.
Die britische Wochenzeitung The Economist beispielsweise kehrt zu dem europäischen Plan des «Stachelschweins aus Stahl» zurück, in das die Ukraine verwandelt werden soll, da ein Waffenstillstand noch in weiter Ferne liege und Europa beim Vorhaben hinterherhinke, eine «Abschreckungsmacht» zu sein. Die einzige Lösung, um «die Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten», bestehe also darin, sie mit so vielen Waffen wie möglich auszustatten.
Zu diesem Zweck hat die Europäische Kommission am 19. März dieses Jahres eine zweistufige «Strategie» vorgestellt: Zunächst sollen mehr Waffen, Raketen und Munition für die Ukraine gekauft werden, danach soll die ukrainische Rüstungsindustrie mit Investitionen in Höhe von 40 Milliarden Euro gestärkt werden, wie es der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas vorschwebt. In Wirklichkeit wurde der Plan der estnischen Russenhasserin gestrichen, und es blieben nur fünf Milliarden Euro für Munition übrig.
Laut Aleksandr Kamyšin, im ukrainischen Präsidialteam für die Kriegsindustrie zuständig, wird sich die ukrainische Militärproduktion in diesem Jahr auf etwa 15 Milliarden Dollar belaufen, mit einem Potenzial von 35 Milliarden Dollar, wenn mehr Mittel aus dem Westen kommen. Wie The Economist feststellt, ist jedoch unklar, wie viel Prozent des Bedarfs der ukrainischen Streitkräfte durch die einheimische Produktion gedeckt werden. Die von Kiew veröffentlichten Zahlen schwanken zwischen 30 und 50 Prozent.
Laut Nico Lange, ehemaliger Leiter des Leitungsstabs im deutschen Bundesministerium der Verteidigung, hat Kiew im Bereich der Kriegselektronik ein fortgeschrittenes Stadium erreicht, wie zum Beispiel beim Störsystem «Lima», das die russischen Programme zur Steuerung von Bombenflugzeugen unterbricht. Hinzu kommen Drohnen und ballistische Raketen, während die Produktion konventioneller Waffen zunimmt: 2024 wurden unter Mitwirkung der norwegischen Nammo und der deutsch-französischen KNDS mehr als zweieinhalb Millionen Artillerie- und Mörsergranaten hergestellt. Mit weiteren europäischen Mitteln, so The Economist, könnte die Produktion verschiedener ukrainischer Waffen verdoppelt werden. Joint Ventures mit europäischen und US-Unternehmen seien jedoch unerlässlich, um die noch bestehenden gravierenden Lücken zu schließen.
Aber es besteht kein Grund zur Verzweiflung, meint das britische Magazin, das im Gegensatz zu den kriegstreiberischen Medien des Apennin nicht nur Hass und Dithyramben auf den Krieg überträgt, sondern auch die materiellen Notwendigkeiten, die den Ausbruch des Krieges beschleunigen sollen, ausgiebig darstellt: So intervenieren bereits verschiedene europäische Industrien, um vor Ort zu produzieren, was Kiew benötigt.
Wenn zum Beispiel die Rahmen der gepanzerten Mannschaftstransportwagen noch importiert werden müssen, hat das deutsche Unternehmen Rheinmetall in der Ukraine bereits die erste von zwei Fabriken für die Produktion von «Lynx»-Kampffahrzeugen eröffnet. Für das Abfangen ballistischer Raketen wird ein Joint Venture mit dem französischen Unternehmen Thales (Konsortium SAMP-T) Kiew Zugang zu fortschrittlichen Radar- und optoelektronischen Technologien verschaffen.
Nach Ansicht von Fabrice Pothier, dem ehemaligen NATO-Direktor für politische Planung, hängen einige der Probleme der ukrainischen Industrie mit ihrer Abhängigkeit von chinesischen Komponenten für Drohnen zusammen. Daher wäre es Aufgabe Europas, Kiew mit «Optiken, Kreiseln, Sensoren und Flugsteuerungen» zu versorgen. Und der schnellste Weg, die Ukraine mit Nachschub zu versorgen, wäre wieder einmal das so genannte «dänische Modell»: Kiew setzt die Prioritäten, Dänemark zahlt und dänische Experten bewerten die Lieferanten und prüfen die Bestellung. Oder besser gesagt: Russland zahlt, denn im Gegensatz zu ein paar Dutzend Millionen Euro an «europäischem» Geld stammen 390 Millionen Euro aus Zinsen auf eingefrorene russische Vermögenswerte.
Doch nicht jeder in Großbritannien ist so optimistisch. David Willey, Kurator des Bovington Panzermuseums in Dorset, prophezeit in einem Interview mit Times Radio extrem harte Zeiten für die europäische Kriegsindustrie nach dem Abzug der USA. Wenn man «amerikanische Ausrüstung ersetzen muss, die versprochen und nicht geliefert wurde», so Willey, sei es klar, dass «Europa sein Potenzial, seine Wissenschaft, seine Industrie und die Fähigkeiten seiner Streitkräfte realisieren muss. Wir fühlen uns immer unsicher, als ob wir ohne die Amerikaner nichts tun könnten. Vielleicht müssen wir alles ohne die Amerikaner machen». Und man muss «schneller handeln», denn der Krieg, so scheint Willey zu warnen, steht vor der Tür.
Und dass die Zeit genau der Faktor ist, gegen den man vorgehen muss, scheint auch die ukrainische Juristin Tetiana Montian in einem von PolitNavigator gefilmten Interview zu bekräftigen. Wir müssten uns beeilen, sagt sie, um die ukrainischen Streitkräfte zu liquidieren, bevor Europa seine Aufrüstung abschließt und direkt auf dem Schlachtfeld eingreift. Trotz der laufenden Verhandlungen und der Erklärungen von Donald Trump, so Montian, werde es in der Ukraine nicht so bald Frieden geben, weil Europa sich bereits auf einen Krieg vorbereite. Bevor Kiew die «Männer ausgehen, und solange die Frontlinie noch hält», hätten die Europäer «Zeit, alles zu Hause zu bauen, alle Arten von Porsches, Volkswagen und mehr auf militärische Linien umzubauen.»
Und wenn es niemanden mehr gebe, den man ins Schlachthaus schicken kann, dann «werden sie diejenigen sein, die in den Krieg ziehen». Die ganze Zeit necke ihre «Informatsionka» die Ukrainer: «‹Die haben sich geweigert, Soldaten in die Ukraine zu schicken. Die anderen haben sich auch geweigert›. Das sagen sie nur, um etwas zum Schreiben zu haben. Aber keine Sorge, sie werden alles schicken, wenn die Kiewer Soldaten erledigt sind. Darauf können Sie wetten. Es ist sicher nicht für den Frieden, dass sie alles in Militärbasen umwandeln».
Andererseits gibt es auch diejenigen, die wegen des Zustands der Kriegsindustrien Alarm schlagen: nicht der europäischen, sondern der amerikanischen. Der derzeitige Zustand des westlichen militärisch-industriellen Komplexes sei eine Chance für Russland, warnt die US-amerikanische The Heritage Foundation in ihrem Bericht «A Strategy for Revitalising the [US] Military-Industrial Base in the 21st Century». Dessen allgemeine Bedeutung lasse sich auf ein einziges Beispiel reduzieren: Allein von 1942 bis 1945 habe die US-Militärindustrie 17 Flugzeugträger, 300.000 Flugzeuge und rund 50.000 Sherman-Panzer produziert. Derzeit liegt die maximale Produktionskapazität des F-35-Kampfjets bei etwa 150 Flugzeugen pro Jahr.
Wie richtig bemerkt wird, ist der Grund für den Produktionsrückgang zum Teil auf die zunehmende Komplexität moderner Waffensysteme zurückzuführen. Die Produktion von Lockheed P-38 Lightning-Kampfflugzeugen ist nicht dasselbe wie die Produktion von F-35-Kampfflugzeugen der fünften Generation, und ein Sherman-Panzer ist kein Abrams mit abgereicherter Uranpanzerung. Dem Bericht zufolge ist jedoch «die wichtigste wirtschaftliche Infrastruktur der Amerikaner für die Streitkräfte – die verteidigungsindustrielle Basis – seit Jahrzehnten verkümmert, während sich die Sicherheitslage auf den schlechtesten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg verschlimmert hat».
Zu den Maßnahmen, die erforderlich sind, um die verlorene Zeit aufzuholen, gehören nach der bewährten kapitalistischen Linie eine Erhöhung des Industriekapitals und eine Senkung der Produktionskosten, eine Ausweitung der verfügbaren Arbeitskräfte und eine Steigerung und Stabilisierung der Nachfrage. Außerdem sind demnach Innovationen und Änderungen der Liefermethoden erforderlich. Die Stärkung der Lieferketten erfordere auch eine Erhöhung der Produktionskapazitäten – und wenn möglich, sollte die Beschaffung wichtiger nationaler Verteidigungsgüter in Koproduktion erfolgen.
Der Bericht der Heritage Foundation räumt jedoch unumwunden ein, dass jeder Plan «oft an den harten Realitäten des Lebens scheitert». Die militärisch-industrielle Basis der USA ist seit Jahrzehnten geschwächt und es wird Jahrzehnte dauern, sie wieder aufzubauen. Die USA haben nicht mehr die Macht und die Ressourcen, die sie einst hatten, um sich Versuchen zu widersetzen, ihre Hegemonie in allen wichtigen Bereichen des Planeten zu untergraben.
Im Gegenteil, The National Interest knirscht mit den Zähnen und schreibt: «Glaubt man dem Kreml, so ist die Iskander-1000-Rakete in der Lage, in ihrer Endphase mit hoher Geschwindigkeit radikal zu manövrieren und dabei Täuschkörper abzuschießen, die jedes Abwehrsystem in eine Krise stürzen können.» Insgesamt, so heißt es in den USA, habe Moskau aus dem Konflikt in der Ukraine wertvolle Lehren gezogen, die es Russland ermöglichten, sich an die neue Ära der Kriegsführung anzupassen.
Nach fast drei Jahren Krieg und trotz gegenteiliger Behauptungen des Westens hat die Schlagkraft der russischen Streitkräfte zugenommen, wie selbst NATO-Sekretär Mark Rutte einräumte, als er offen sagte, der Kreml könne in drei Monaten mehr Rüstungsgüter produzieren als die gesamte NATO-Militärindustrie in einem Jahr. Die Anpassung im Krieg sei von entscheidender Bedeutung, seufzt The National Interest. In Friedenszeiten sei die Anpassung minimal, aber in der Hitze des Gefechts würden sich Wissenschaft, Technologie und Taktik rasch ändern. Die Seite, die sich am schnellsten an diese Veränderungen anpasse, gewinne. Und während die NATO im Ukraine-Konflikt nur ein Stellvertreter ist, ist Russland direkt in den Konflikt verwickelt und hat entsprechend gelernt.
Ziehen Sie Ihre Schlussfolgerungen.
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Fabrizio Poggi hat mit Novoe Vremja (Neue Zeiten), Radio Moskau, Il Manifesto, Avvenimenti und Liberazione zusammengearbeitet. Heute schreibt er für L’Antidiplomatico, Contropiano und die Zeitschrift Nuova Unità. Er ist Autor des Buches «Falsi storici» (Fälschungen der Geschichte).
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