Dieser Artikel ist zuerst bei The Defender erschienen. Die Wissenschaftsplattform NEXT LEVEL, für die Marvin Haberland aktiv ist, wiederum hat in ihrem Telegram-Kanal zu diesem Beitrag einen Post gemacht.
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Robert F. Kennedy Jr., Leiter des US-Gesundheitswesens HHS, machte vor kurzem Schlagzeilen, als er forderte, dass künftige Impfstoffstudien auf placebokontrollierten Tests basieren sollten. «Alle neuen Impfstoffe werden vor der Zulassung in placebokontrollierten Studien auf ihre Sicherheit geprüft – eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis», sagte ein HHS-Sprecher der Washington Post. Viele begrüßten den Vorschlag und meinten, dies sei ein mutiger Schritt hin zu Transparenz und strengen wissenschaftlichen Standards.
Tatsächlich gilt eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie als «Goldstandard» für klinische Studien, da sich mit ihrer Hilfe am besten feststellen lässt, ob eine medizinische Behandlung wie eine Impfung wirksam ist.
Was ist eine placebokontrollierte Studie?
In einer placebokontrollierten Studie gibt es zwei (oder mehr) Gruppen. Eine Gruppe erhält die aktive Behandlung (zum Beispiel einen Impfstoff), die andere das Placebo, also ein Scheinmedikament beziehungsweise eine inaktive Substanz, die keinen relevanten Arzneistoff enthält und somit auch keine pharmakologische Wirkung hat.
«Doppelblind» bedeutet, dass weder die Forscher noch die Studienteilnehmer wissen, wer ein aktives Medikament und wer ein Placebo erhält. Idealerweise erstreckt sich dieses Prinzip der Verblindung auch auf andere Beteiligte wie Forscher, Techniker, Datenanalysten und Gutachter. Mit einer effektiven Verblindung wird idealerweise erreicht, dass die in der Studie durchgeführten Behandlungen von jeglicher Verzerrung verschont bleiben.
In diesem Zusammenhang erklärte Kennedys Sprecher Andrew Nixon gegenüber Forbes:
«Mit Ausnahme des COVID-Impfstoffs wurde keiner der von der CDC für Kinder empfohlenen Impfstoffe gegen ein inaktives Placebo getestet. Das bedeutet, dass wir sehr wenig über die tatsächlichen Risikoprofile dieser Produkte wissen.»
Warum also sollte nicht jeder Kennedys Plan, ganz grundsätzlich placebokontrollierte Studien für jede Impfung einzuführen, unterstützen? Weil die Impfdebatte eines der «heißesten Eisen» in der Medizin ist.
Tatsächlich gibt es Kritik am Plan Kennedys. Beispielsweise wird argumentiert, es habe doch Placebo-Studien im Zusammenhang mit Impfstoffen gegeben – und die hätten gezeigt, dass die Impfstoffe den Placebos überlegen seien. Die Gesundheitswissenschaftlerin Jess Steier etwa führte als Beispiel die Placebo-Studie zum Polio-Impfstoff von Jonas Salk an.
In Salks Studie hätten «623.972 Kinder den Impfstoff oder ein Placebo mit Kochsalzlösung erhalten, und über eine Million weitere Kinder dienten als Kontrollgruppe», schrieb Steiner. «Ergebnis: [Salks Polio-Impfstoff war] zu 80 bis 90 Prozent wirksam gegen paralytische Polio, es gab keine unerwarteten Nebenwirkungen. Die Folge: Die Zahl der Fälle sank von 58.000 im Jahr 1957 auf 161 im Jahr 1961.»
Dies mag auf den ersten Blick überzeugend klingen, doch bei genauerem Hinsehen entbehren diese Aussagen jeglicher Grundlage.
Jonas Salk auf dem Cover von TIME am 29. März 1954; Quelle: time.com
Bevor wir Steiers Behauptungen «zerpflücken», sollten wir ihr aber zumindest zugutehalten, dass sie gleich mehrere Placebo-Impfstoffstudien anführt. Denn ob Sie es glauben oder nicht: Das ist alles andere als selbstverständlich.
So zitierte NPR am 1. Mai Jesse Goodman, von 2003 bis 2009 Direktor des Center for Biologics Evaluation and Research der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) und heute an der Georgetown University tätig, mit folgender Behauptung:
«Die pauschale Aussage, keiner der Routine-Impfstoffe sei jemals gegen ein Placebo getestet worden, ist falsch. Es wurden Placebo-Studien durchgeführt.»
NPR erwähnt jedoch nur die Arbeiten zu den «ursprünglichen COVID-Impfstoffen, die in großen, gut konzipierten, placebokontrollierten Studien bewertet wurden.» Obwohl eine Zwischenüberschrift lautet: «Placebokontrollierte Impfstoffversuche sind üblich», wird im NPR-Artikel keine einzige andere Placebo-Studie zu einem anderen Impfstoff erwähnt.
Goodman darf dann auch unwidersprochen behaupten, «die COVID-Impfstoffstudien haben eindeutig gezeigt, dass (...) [diese Injektionen] sicher und wirksam sind» – eine Behauptung, die jeder faktischen Grundlage entbehrt.
Was ist mit Salks Polio-Impfstoffstudie?
So sei zunächst darauf hingewiesen, dass bei frühen Untersuchungen unter dem Elektronenmikroskop, wie etwa in der Arbeit von Rhian, Lensen und Williams aus dem Jahr 1949, festgestellt wurde, dass sogenannte Viruspartikel, von denen behauptet wurde, sie stammten aus poliomyelitischem Gewebe, nicht von denen gesunder Kontrollpersonen zu unterscheiden waren. Das lässt natürlich Zweifel an der Korrektheit der Virusidentifizierung selbst aufkommen.
Tatsächlich kamen die Forscher auch zu dem Schluss, es gebe keinen eindeutigen Beweis dafür, dass ein Poliovirus jemals mit den Standards der Elektronenmikroskopie sichtbar gemacht oder isoliert worden wäre.
Auch Joseph L. Melnick schrieb 1951, es gebe trotz zahlreicher Versuche noch immer keine eindeutigen Beweise dafür, dass das Poliovirus jemals in gereinigter Form gewonnen oder unter geeigneten Kontrollen direkt unter dem Elektronenmikroskop beobachtet worden sei.
Diese ersten Erkenntnisse legen nahe, dass sogar grundlegende Annahmen zum Poliovirus selbst – und damit die Gründe für den Impfstoff – einer erneuten wissenschaftlichen Überprüfung bedürfen. Im Übrigen ist es so: Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die in der Placebo-Studie von 1954 zu Salks Polioimpfstoff berechnete relative Risikoreduktion in Bezug auf Polio in Höhe von etwa 72 Prozent korrekt ist, so war die ermittelte absolute Risikoreduktion mit gerade einmal 0,041 Prozent sehr bescheiden. Dies bedeutet nämlich, dass 2439 Impfungen erforderlich waren, um einen einzigen Fall von Poliomyelitis zu verhindern.
Darüber hinaus fehlte es in der Studie an vollständiger Randomisierung und Verblindung in den Beobachtungs- und Nullgruppen, und es kam zu potenziellen Verzerrungen und statistischen Manipulationen aufgrund des Verhaltens der Probanden und der Art und Weise, wie Bericht erstattet wurde. Der Druck, einen großen Erfolg zu erzielen, darf dabei nicht unterschätzt werden!
In diesem Zusammenhang schreiben Hilary und Peter Butler in ihrem Buch «From One Prick to Another»:
«Jemand wie Jonas Salk konnte doch keinen Fehler machen, oder? Die medizinische Geschichte dokumentiert, dass die erhobenen Daten falsch waren. Nicht dass der Durchschnittsbürger davon wüsste. Und die Aura des Mannes damals, die Großartigkeit des Projekts, die jahrelange Forschung und die enormen Geldsummen, die in den Impfstoff geflossen sind, sowie die Notwendigkeit seines Erfolgs waren so groß, dass kognitive Dissonanz und der Umstand, dass man sich von Salks Autorität blenden ließ, im Weg standen – mit der Folge, dass die Fehler in den Daten ignoriert wurden.»
Salks Polio-Studie ist ein «klassisches Beispiel» für falsche und ignorierte Daten
Die Butlers schreiben weiter, dass die Daten aus der Polio-Studie von Salk «ein klassisches Beispiel dafür sind, dass Daten falsch sind und gleichzeitig ignoriert werden.»
So nahm ein gewisser Paul Meier, Professor für Statistik an der University of Chicago, an der Besprechung teil, in der Salk die Verfahren zu den Sicherheitstests für den ersten Polio-Impfstoff erläuterte. Als Meier die Daten betrachtete, «stellte er fest, dass die Daten nicht das aussagten, was Salk behauptet hatte, und verfasste eine Analyse, die die Mängel aufzeigte», so die Butlers.
Wir müssen hier auch bedenken, dass nur ein Statistikexperte die Ergebnisse des «Francis-Berichts» zum Salk-Impfstoff bewerten konnte. So war der Autor der Studie von 1954 Thomas Francis Jr., nicht Jonas Salk. Er wurde zum leitenden Gutachter der klinischen Studie ernannt, da er nicht der Entwickler des Impfstoffs war. Mit anderen Worten: Um Interessenkonflikte zu vermeiden, bewertete Salk die riesige klinische Studie nicht selbst.
Die Tests, deren Ergebnisse bei einem Treffen von 500 Ärzten und Wissenschaftlern in Ann Arbor, Michigan, vorgestellt wurden, waren in 44 Bundesstaaten durchgeführt worden und umfassten fast zwei Millionen Kinder. Dazu schrieb M. Beddow Bayly 1956 in seinem Artikel «Die Geschichte des Salk-Impfstoffs gegen Poliomyelitis»:
«Statistiker vom Kaliber eines Bradford Hill und des verstorbenen Major Greenwood haben darauf hingewiesen, dass es bei Vergleichen zwischen geimpften und nicht geimpften Bevölkerungsgruppen zahlreiche Fehlerquellen gibt, die vermieden werden müssen (...)
Nur eine genaue Untersuchung aller relevanten Faktoren würde es ermöglichen, zu entscheiden, ob die Gruppen in diesen Tests in jeder Hinsicht streng vergleichbar sind.»
Tatsächlich offenbart der «Francis-Bericht», dass in einem Großteil der Versuche die geimpften Kinder nicht derselben Altersgruppe angehörten wie die nicht geimpften Kontrollpersonen. Das British Medical Journal machte am 30. April 1955 auf diesen merkwürdigen Umstand aufmerksam und brandmarkte ihn als «anfällig für Kritik». Das Fachblatt schrieb:
«Es ist nicht angemessen, davon auszugehen, dass die Erfahrungen von Zweitklässlern ohne Impfungen dem Durchschnitt der Erfahrungen der Erst- und Drittklässler entsprechen würden. Eine noch schwerwiegendere Verzerrung liegt in der Auswahl von Kindern in der zweiten Klasse, deren Eltern der Impfung zugestimmt haben (...)
[Denn] wenn (...) die geimpften Kinder nicht repräsentativ für alle Kinder der zweiten Klasse waren, ist es kein fairer Vergleich, alle Kinder der ersten und dritten Klasse als Kontrollen zu verwenden.»
Laut Bayly «ist es unter Statistikern, die mit ähnlichen Untersuchungen befasst sind, anerkannt, dass die soziale Stellung und die Fürsorge der Kinder in den Familien von Impfwilligen im Allgemeinen besser sind als in der Kontrollgruppe, und dass dies die Gültigkeit der Schlussfolgerungen beeinträchtigt.»
«Poliomyelitis ist nicht besiegt»
Bayly machte auch auf eine weitere Fehlerquelle aufmerksam, die im «Francis-Bericht» nicht erwähnt, aber in einem Artikel der New York Times vom 13. April 1955 auf Seite 1 festgehalten wurde. In dem Beitrag heißt es unter Berufung auf Salk selbst, es seien «zwei Impfungen im Abstand von zwei bis vier Wochen und eine dritte Auffrischungsimpfung sieben Monate später erforderlich», um «einen hundertprozentigen Schutz vor Lähmungen» zu erreichen.
Laut Bayly bedeutet dies, dass ein Kind, das nach der ersten Impfung und vor der zweiten an Poliomyelitis erkrankte, automatisch der nicht geimpften Gruppe zugeordnet wurde. Wenn dies zutrifft, sind alle aus den Zahlen gezogenen Schlussfolgerungen offensichtlich ungültig.
Bayly erwähnt auch einen Kommentar von Anthony Monck-Mason Payne, der 1966 stellvertretender Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation wurde. So wird Payne in der Ausgabe des Manchester Guardian vom 14. April 1955 wie folgt zitiert:
«Poliomyelitis ist nicht besiegt. Wir wissen nicht, wie lange die Wirkung des Impfstoffs anhält; wir wissen nicht, ob er bei Säuglingen wirkt; wir wissen nicht, ob er auch unter anderen Bedingungen als denen, unter denen er eingesetzt wurde, wirksam ist; wir wissen nicht, wie man ihn am besten einsetzt. Wir wissen, dass die Herstellung dieses Impfstoffs mit vielen komplizierten Problemen verbunden ist.»
Tatsächlich trafen nur 13 Tage, nachdem der Polio-Impfstoff von der gesamten amerikanischen Presse und dem gesamten Rundfunk als eine der größten medizinischen Entdeckungen des Jahrhunderts gefeiert worden war, und zwei Tage, nachdem der englische Gesundheitsminister angekündigt hatte, er würde unverzüglich mit der Herstellung des Impfstoffs fortfahren, die ersten Katastrophennachrichten ein.
Kinder, die mit einem bestimmten Impfstoff geimpft worden waren, erkrankten an Poliomyelitis. In den darauffolgenden Tagen wurden immer mehr Fälle gemeldet, einige davon nach Impfungen mit anderen Impfstoffen. Innerhalb von nur zwei Wochen stieg die Zahl der Poliofälle unter geimpften Kindern auf fast 200. Am 6. Mai 1955 zitierte der News Chronicle den höchsten Virenexperten der US-Regierung, Carl Eklund, mit der Aussage, in den USA seien nur geimpfte Kinder an Polio erkrankt. Und zwar nur in Gebieten, in denen in den ersten drei Vierteln des Jahres keine Poliofälle gemeldet worden seien.
In neun von zehn Fällen trat die Lähmung in dem Arm auf, in den die Impfung verabreicht worden war. Dies löste im Weißen Haus Panik aus. Am 8. Mai stoppte die US-Regierung die Produktion des Impfstoffs vollständig.
Kurze Zeit später wurden in Boston, wo Tausende geimpft worden waren, weitere 2000 Poliofälle gemeldet. Im «geimpften» New York verdoppelte sich die Zahl der Fälle. In Rhode Island und Wisconsin stieg sie um 500 Prozent. Bei vielen Kindern trat Lahmheit im geimpften Arm auf.
Statistiken offenbaren: Salks Impfstoff gehört nicht gefeiert
Abgesehen davon hätte ein nüchterner Blick auf die Statistiken genügt, um zu erkennen, dass es keinen Grund gab, Salks Impfstoff als den großen Bezwinger eines angeblichen Poliovirus zu feiern: «Laut internationaler Sterbestatistik waren die Polio-Sterberaten in den USA und England zwischen 1923 und 1953, also vor der Einführung des Salk-Impfstoffs mit abgetöteten Viren, bereits von selbst um 47 Prozent beziehungsweise 55 Prozent gesunken», so der Wissenschaftsjournalist Neil Miller in seinem Buch «Vaccines: Are They Really Safe and Effective?». Darin hat er folgendes Diagramm veröffentlicht:
Von 1923 bis 1953, lange bevor Mitte der 1950er Jahre mit großflächigen Polioimpfungen begonnen wurde, war die auf Polio zurückgeführte Sterblichkeit bereits deutlich gesunken: In den USA um 47 Prozent, in Großbritannien um 55 Prozent; in anderen europäischen Ländern sind die Statistiken vergleichbar. © Neil Z. Miller
Und was sich aus diesem Polio-Diagramm schlussfolgern lässt, lässt sich auch aus den historischen Daten zu allen anderen «Infektionskrankheiten» ableiten. Dazu mehr in Teil 2, der demnächst erscheinen wird.
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Torsten Engelbrecht arbeitet als Journalist in Hamburg und ist Redakteur bei Transition News. Er ist Mitautor des 2006 erstmals erschienenen Buches «Virus-Wahn», das 2021 in einer stark erweiterten 10. Auflage erschien. Im Jahr 2009 kam sein Buch «Die Zukunft der Krebsmedizin» auf den Markt (mit vier Ärzten als Co-Autoren). Im selben Jahr erhielt er den Alternativen Medienpreis für seinen Artikel «Die Amalgam-Kontroverse». Ausgebildet wurde er beim Medienmagazin Message, das von dem Journalistik-Professor Michael Haller gegründet worden war. Er war u.a. fester Redakteur bei der Financial Times Deutschland. Als freier Journalist schrieb er unter anderem für OffGuardian, SZ, NZZ und The Ecologist.
Marvin Haberland ist Wirtschaftsingenieur und hat unter anderem an der University of California in Berkeley studiert. Er ist Pressesprecher der Wissenschaftsplattform NEXT LEVEL.
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