Ein geflügeltes Wort besagte einst, dass Europa eine «Insel der Seligen» (Johannes Paul II.) sei, was unter anderem dem hohen sozialen Frieden und dem breit gestreuten Wohlstand der Nachkriegszeit geschuldet war. Die EU bekam sogar den Friedensnobelpreis.
Der Preis, den insbesondere deutschsprachige Europäer dafür bezahlen, ist ein erstaunlich hohes Ausmass an blinder Konformität, vorauseilendem Gehorsam inklusive schäbigstem Denunziantentum mit konsekutivem Verlust vieler Grundrechte und der eigenen Selbstachtung.
Diese Aspekte können in der Politpartei-Kaste aller Couleurs und unter den Verwaltungsbeamten gleichsam als Existenzgrundlage vorausgesetzt werden, sie treffen aber ebenso auf die akademischen «Eliten» in ihren Elfenbeintürmen zu.
Da muss man sich nur die Aktivitäten an den Universitäten der letzten drei Jahre vor Augen führen – von unter unerhörtem Druck abgesagten Veranstaltungen (…) bis hin zu Stellenausschreibungen, die sitten- wie rechtswidrige Positionen enthalten, ist alles vorhanden. Das zeigt das Beispiel der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt aus dem letzten Sommer:
«Die Universität ist sich auch in Zeiten von COVID-19 ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Dies zeigt der hohe Anteil an vollimmunisierten Personen unter Studierenden und Mitarbeitenden. Aus diesem Grund wird bei der Aufnahme in ein Dienstverhältnis zur Universität die anhaltende Impfbereitschaft im Zusammenhang mit COVID-19 erwartet.»
Was? Wie bitte? Körperliche Unversehrtheit – quo vadis? War offenbar einmal. Nun wäre diese Passage ein guter Ausgangspunkt für eine Diskussion der zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen, aber auch ein Aufschrei des dortigen Hauptpersonals (=Professorenschaft) (...) wäre das Mindeste gewesen. Passiert ist nichts dergleichen. (…)
Dabei haben vor allem «die Studierten» des Landes eifrig mitgemacht: Von den «Experten» der Regierungen, den Ärztekammern, bis hin zu den Ärzten in den heimischen Spitälern und Praxen. (…)
Von den vielen Mittätern an Bildungseinrichtungen (Universitäten, Schulen, Kindergärten, Kittas) und in den Redaktionen der selbsternannten «Leit- und Qualitätsmedien» ganz zu schweigen. Auch die meisten christlichen Kirchen haben zugesperrt, auch an Ostern und Weihnachten. Jesus war im Corona-Sabbatical.
Nun rückt ein Gastkommentar von Dr. Scott Atlas, einem US-amerikanischen Mediziner, der für kurze Zeit in der Corona Task-Force von Donald Trump gedient hatte, im (...) Wall Street Journal die vielen akademischen Mittäter und -läufer ins grelle Lampenlicht. Dabei stellt er die vielen schweigenden Ärzte und Professoren an den gesellschaftlichen Pranger:
«Viele in der akademischen Klasse haben während der Pandemie das Vertrauen der Öffentlichkeit missbraucht. Um das Volk dazu zu bewegen, Lockdowns zu akzeptieren, leugneten Professoren mit angesehenen Titeln wissenschaftliche Daten über Risiken, wirksame Abhilfemassnahmen und biologischen Schutz. Sie verbreiteten politisierte Meinungen, als wären sie die objektive Wahrheit, und sie verteufelten Ansichten (...) die ihrem bevorzugten Narrativ widersprachen.»
Bravo. Nein: Bravissimo. Ähnlich wie in den USA – man erinnere sich an Leonard Cohens bekannte Textzeile, es handle sich dabei dort «um die Wiege der Besten der Schlechtesten» – haben sich die politisch am besten vernetzten Schreihals-Proleten der Akademiker in das grelle Rampenlicht gedrängt, um ihrer Karriere genehme Aussagen zu machen. Sie tätigten zwar wissenschaftlich fragwürdige Aussagen, die aber politisch hilfreich erschienen. Ebenso wichtig aber erscheint es, den Rest von Atlas‘ Kommentar zu lesen, in dem u.a. Folgendes festgehalten wird:
«Hochschulen und Universitäten sind für eine freie Gesellschaft unverzichtbar. Wir vertrauen ihnen die Verantwortung an, die nächste Generation von Führungskräften im kritischen Denken zu unterrichten – das ist ein Prozess, der seinem Wesen nach das Abwägen und Vergleichen gegensätzlicher Ansichten erfordert. Im besten Fall sind Universitäten Zentren des freien Austausches von Ideen und Bastionen des unabhängigen Denkens. Im schlimmsten Fall sind sie Zentren der parteipolitischen Indoktrination und ideologischen Konformität.»
Es fällt schwer, angesichts der letzten zwei bis drei Jahre nicht genau diese Tendenzen zu erkennen. (…) Die vielfachen Abhängigkeiten von Arbeit- und Geldgebern, neudeutsch Sponsoren genannt, sowie «anderer» Interessen an Hochschulen sind ein altbekanntes Problem, das seit jeher nicht angegangen wird (und wir sollten auch darüber eine ausführliche Diskussion führen), das auch potenziell «kritische» Stimmen verstummen lässt. Scott Atlas weiter:
«Theoretisch sind Akademiker mit unpopulären Ansichten durch die Festanstellung geschützt. In der Praxis wird die Zensur von Andersdenkenden an der modernen Universität nuanciert betrieben. Unabhängig von der Festanstellung kann man ohne Bezahlung suspendiert oder bis zur Unsichtbarkeit marginalisiert werden. Der Fakultätssenat kann eine formelle Zurechtweisung aussprechen. Diese Art der öffentlichen Verurteilung durch Kollegen mag als ohnmächtiger Ausdruck politischen Hasses erscheinen, aber sie dient dazu, andere Universitätsangehörige zum Schweigen zu bringen, die leichter zu erschrecken sind. Ich habe Hunderte von E-Mails von Akademikern aus dem ganzen Land erhalten, in denen sie mich auffordern, weiterhin die Wahrheit zu sagen. Sie sagen, sie hätten zu viel Angst, es selbst zu tun.»
Nota bene: Das wurde im Wall Street Journal abgedruckt. Nicht verschwiegen werden darf aber auch: Eine grosse Mehrheit hat (…) begeistert, wenn nicht gar im Überschwang, die verfassungsrechtlich bedenklichen und in vielen Fällen unwissenschaftlichen Massnahmen mitgetragen. Weiter Scott Atlas, der auch beschreibt, was nun zu tun ist:
«Öffentliche Entschuldigungen der gescheiterten Expertenklasse würden das Vertrauen teilweise wiederherstellen und dazu beitragen, künftige Missbräuche zu verhindern, aber letztlich erfordert das Eingestehen von Fehlern Integrität. Realistischerweise liegt die Lösung also darin, dass die Menschen mutig werden, zumal Bullies in der Regel nachgeben, wenn sie herausgefordert werden. Wir brauchen integre Persönlichkeiten in der Wissenschaft, die aufstehen (…) Wir müssen auch die Universitäten dafür zur Rechenschaft ziehen, dass sie die akademische Freiheit nicht gewährleisten, obwohl sie riesige Mengen an Steuergeldern erhalten (…) Die Abhängigkeit des Forschungsbetriebs (…) von öffentlichen Fördergeldern schränkt realistischerweise ihre Bereitschaft ein, die mächtigen Behörden und Politiker in Frage zu stellen, geschweige denn zu kritisieren. Schliesslich, und das ist vielleicht das Wichtigste, müssen wir unseren eigenen Kindern, den nächsten Führern unseres Landes, immer wieder beibringen, sich daran zu erinnern, was G.K. Chesterton schrieb: ‹Richtig ist richtig, auch wenn niemand es tut. Falsch ist falsch, auch wenn alle es falsch sehen›.»
Wow. Eine aufrichtige Entschuldigung ist der Anfang. Und ja, aller Anfang ist bekanntlich schwer, aber letztlich beginnt jede auch noch so lange Reise mit dem ersten Schritt. Plattitüde, ich weiss. Im fraglichen postcorona Zeitalter soll man aber gleich zur totalen Amnestie übergehen oder am besten alles vergessen. Es war ja gar nicht so schlimm...
Werte Kolleginnen und Kollegen: Haben Sie den Mut, die Integrität und die Zivilcourage, für Ihr Verhalten geradezustehen! Hören Sie auf, perseverierend zu fabulieren, dass ohne Lockdowns und Masken (…) alles viel schlimmer gewesen wäre.
Längst ist das Gegenteil bewiesen, auch wenn sich noch fast niemand zur grassierenden Übersterblichkeit äussern will. Wie beschämend ist denn das? Irgendwann wird niemand mehr diesen geschützten Rahmen der Märchennarrative aufrechterhalten können, denn immer mehr wachen auf.
Letztlich aber wird es egal sein, wie oft Sie sich noch «im geschützten Rahmen» äussern, denn Sie werden auch auf lange Sicht der Realität – u.a. Ihrer früher getätigten Äusserungen und Taten – nicht entkommen können. Genau an diesen, an Ihren Worten und Taten, werden wir Sie erkennen. Ihre Masken fallen bereits.
****************
Dies ist der leicht gekürzte Newsletter von Marco Caimi, Arzt, Kabarettist, Publizist und Aktivist. Aus Zensurgründen präsentiert er seine Recherchen nebst seinem YouTube-Kanal Caimi Report auf seiner Website marcocaimi.ch. Caimis Newsletter können Sie hier abonnieren.
Kommentare