Nachdem in Israel ein terroristischer Angriff stattgefunden hat, eilen Minuten später die Mitglieder eines Zaka-Teams, einer Rettungs- und Bergungsorganisation, zur Unglücksstelle. Sie kamen auch am 7. Oktober 2023 zum Einsatz. Die Organisation bietet sofortige erste Hilfe für die Verletzten an und beginnt dann mit der mühsamen Aufgabe, die Überreste des Terroristen zu finden, insbesondere seinen Kopf. Diese Suche ist oft schwierig, da bei Selbstmordattentaten die Körper der Terroristen oft stark zerstört werden.
Laut dem israelischen Journalisten Tomer Persico findet dabei ein regelrechtes Wetteifern statt, um den Kopf des Täters zuerst zu finden. In der israelischen Zeitung Haaretz erläutert er:
«Derjenige, der es geschafft hatte, hielt ihn wie eine Trophäe in die Höhe und liess sich häufig stolz mit der Beute fotografieren, bevor er den Kopf der enthaupteten Leiche an andere weiterreichte, damit auch sie sich ausgiebig damit ablichten lassen.»
Persico bespricht in diesem Zusammenhang das neue Buch von Gideon Aran, emeritierter Professor für Soziologie und Anthropologie an der Hebräischen Universität Jerusalem. Aran begleitete diese Zaka-Teams über mehrere Jahre hinweg. In seinem Werk «Der Kult der abgetrennten Gliedmassen: Jüdische Todesriten am Schauplatz des palästinensischen Selbstmordterrorismus» (Oxford University Press) untersucht er die sozialen und religiösen Hintergründe dieser Praxis.
Besonders interessant ist Arans Beschreibung, wie der Kopf des Terroristen zu einer Trophäe für die Mitglieder des Zaka-Teams wird. Dieser werde oft stolz präsentiert und diene manchmal sogar als Teil einer Zeremonie der Sühne. Dabei würden die Teilnehmer symbolisch ihre Sünden auf den Kopf des Terroristen übertragen. Diese Zeremonie ähnele dem jüdischen Opferritual Kapparot, bei dem ein Hahn über den Kopf geschwungen wird, um Sünden zu sühnen.
Aran beschreibt, wie Zaka im Laufe der Jahre von einer kleinen Gruppe ultraorthodoxer Freiwilliger zu einer anerkannten Institution heranwuchs, die bei jedem terroristischen Angriff präsent ist. Persico zufolge bietet Aran einen faszinierenden Einblick in die wenig bekannte ultraorthodoxe jüdische Gruppe und ihre Rituale.
Das Buch ist nicht Arans erstes Werk über das Phänomen der Selbstmordattentate. Bereits 2018 veröffentlichte er «Das Lächeln der menschlichen Bombe», das sich mit den sozialen, religiösen, psychologischen und physischen Vorbereitungen der Terroristen bis zu den Sekunden vor der Selbstsprengung befasste. Mit seinem neuen Buch konzentriert sich Aran jedoch auf die Minuten nach der Explosion und die Arbeit derjenigen, die sich der Bergung der Opfer widmen.
Wie Persico erklärt, entwickelte sich Zaka aus der Organisation Hesed Shel Emet als Reaktion auf die zunehmenden palästinensischen Selbstmordanschläge, die sich auf die jüdische Gemeinschaft auswirkten. Zaka habe eine einzigartige religiöse Dynamik etabliert, die den Umgang mit Leichen und Blut heiligt. Ihre Arbeit sei zu einem Synonym für jüdische Opferbereitschaft und eine Antwort auf terroristische Gewalt geworden.
Die Mitglieder von Zaka würden ihre Tätigkeit denn auch als heiliges Ritual betrachten, das die Reinheit und Würde der Opfer bewahrt. Sie würden strenge rituelle Reinigungen durchlaufen, um sich der Heiligkeit des Ortes anzupassen, und ihr Handeln werde von der Halacha unterstützt, dem rechtlichen Teil der schriftlichen Überlieferung des Judentums. Diese einzigartige religiöse Perspektive habe die israelische Gesellschaft beeinflusst und sei sogar von den Streitkräften übernommen worden.
Die Organisation wurde Persico zufolge jedoch von internen und externen Herausforderungen beeinträchtigt, einschliesslich der Kontroverse um ihren Gründer Yehuda Meshi-Zahav. Zaka erhole sich immer noch von seinem Selbstmord im Jahr 2022. Berichte, dass er eine grosse Zahl von Männern, Frauen und Kindern angegriffen und sexuell belästigt hatte, hätten ihn dazu getrieben, sich das Leben zu nehmen. Aran schreibt, dass Meshi-Zahav in der Organisation als «wilder Mann» galt.
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