Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von l’AntiDiplomatico übersetzt und übernommen.
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Die Friedensverhandlungen in der Ukraine erweisen sich als ein Spiel zwischen den Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation. Am Freitag, dem 15. August, werden sie in Alaska über das Schicksal der unter russischer Kontrolle stehenden Gebiete sowie über Fragen der strategischen Zusammenarbeit und der Aufteilung der Einflusszonen entscheiden. Die Europäische Union und die Ukraine werden dabei nur zuschauen.
Während in Europa die Sorge wächst, dass sich das Weiße Haus und der Kreml über Kiew hinweg auf ein Ende des langwierigen Krieges einigen könnten, lehnt Selenskyj den Plan Donald Trumps zur Anerkennung des russischen Donbass ab. Er akzeptiert einen Waffenstillstand mit Einfrieren der aktuellen Frontlinie im Rahmen des europäischen Plans, der einen Waffenstillstand vor jedem weiteren Schritt, den Rückzug der Truppen nach dem Prinzip «Territorium für Territorium» und Sicherheitsgarantien, einschließlich des NATO-Beitritts, vorsieht. Kiew lehnt also eine de jure-Anerkennung ab, öffnet sich aber für eine de facto-Anerkennung.
Dies ist dennoch ein Fortschritt in den Verhandlungen, laut dem britischen Telegraph eine «Aufweichung der Position» der Ukraine. Selenskyj erhält die Unterstützung seiner europäischen Partner und der NATO, durch die die Ukraine Verhandlungsmacht erlangen wird.
Unterdessen setzt sich in der westlichen Presse zunehmend die Ansicht durch, dass die Weigerung Kiews, territoriale Zugeständnisse zu machen, unrealistisch ist. Laut dem Kommentator der Financial Times, Gideon Rachman, könnte die de facto-Anerkennung der von Russland kontrollierten Gebiete notwendig sein, wenn dadurch sichergestellt wird, dass «die Ukraine ihre Unabhängigkeit und Demokratie bewahren kann». Und weiter:
«… einige territoriale Zugeständnisse mögen schmerzhaft sein, sind aber akzeptabel.»
Warum hat Selenskyj seine Meinung geändert?
Zwei Faktoren haben dazu beigetragen, die Haltung Kiews zu mildern:
- Die Befürchtung, dass ein Nein Selenskyjs gegenüber Trump zur Einstellung der militärischen und geheimdienstlichen Unterstützung führen könnte, wie es bereits im Februar nach dem «Zwischenfall» im Oval Office geschehen ist.
- Die zunehmende Zustimmung der Öffentlichkeit zu einem sofortigen, verhandelten Ende des Krieges.
Laut einer Gallup-Umfrage, die Anfang Juli durchgeführt und letzte Woche veröffentlicht wurde, sprachen sich 69 Prozent der Ukrainer für ein möglichst baldiges, verhandeltes Ende des Krieges aus, während 24 Prozent weiterkämpfen wollen, bis der Sieg errungen ist.
Darüber hinaus zeigen sich die europäischen Länder und die Ukraine offen für Trumps Plan und hoffen, in die Verhandlungen einbezogen zu werden, um das Verhandlungsgewicht des Westens zu erhöhen.
Die EU sucht ihren Platz am Verhandlungstisch
Ein bekanntes diplomatisches Sprichwort besagt: Wenn du nicht mit am Tisch sitzt, bist du auf der Speisekarte. Die Europäische Union, die zunehmend aus dem Spiel gedrängt wird, versucht, sich einen Platz am Verhandlungstisch zu sichern. Aus diesem Grund hat sie eine Erklärung veröffentlicht, in der sie Trump auffordert, die Interessen Europas und der Ukraine in den Verhandlungen mit Putin zu berücksichtigen.
Sie betont das Recht des ukrainischen Volkes, selbst über seine Zukunft zu entscheiden, sowie die Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung des Krieges, die die Interessen der Ukraine und Europas schützt.
«Konstruktive Verhandlungen können nur im Rahmen eines Waffenstillstands oder einer Verringerung der Kriegshandlungen stattfinden», heißt es in der Erklärung, die Ungarn nicht unterstützt hat.
Der Schlagabtausch zwischen Kallas und Dmitrijew
Die EU-Außenbeauftragte Kaya Kallas bekräftigte in einem Beitrag auf X die transatlantische Einheit, die Unterstützung der Ukraine und den Druck auf Russland als Mittel, um diesen Krieg zu beenden und einen zukünftigen Krieg zu verhindern.
Die Antwort von Wladimir Putins Sonderbeauftragtem Kirill Dmitrijew, der für die wirtschaftlichen und kooperativen Aspekte der Verhandlungen zwischen Russland und den USA zuständig ist, ließ nicht lange auf sich warten. Er erinnerte daran, dass der Konflikt durch Dialog gelöst und die Sicherheit durch die Lösung von Problemen im Rahmen der Zusammenarbeit gestärkt werde, während diejenigen scheitern würden, die weiterhin den Narrativen von Joe Biden folgen.
Kallas fügte hinzu, dass die EU sich auf einen verstärkten Druck auf Russland mit mehr Sanktionen und mehr Waffen vorbereitet, und kündigte die Vorbereitung des 19. Sanktionspakets gegen Russland an.
Trumps Plan
Die Europäische Union beabsichtigt nicht, über territoriale Zugeständnisse zu diskutieren, solange Russland keinen vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand akzeptiert. Präsident Trump hingegen will eine Einigung zur Beendigung der Kämpfe erzielen, die einen Gebietsaustausch zwischen Moskau und Kiew beinhaltet.
Die Vereinigten Staaten werden versuchen, die Grenzen der Volksrepubliken Donbass an der aktuellen Frontlinie festzulegen, die auch als Demarkationslinie dienen soll, um den Krieg um die Gebiete einzufrieren, die nicht Gegenstand des Austauschs sind und de facto anerkannt werden. Trump ist jedoch vorsichtig und warnt, dass dieses Treffen mit Putin nur ein vorläufiges Treffen sein wird, um ein Ende des Krieges zu fordern und einen konstruktiven Dialog aufzunehmen.
Der Chef des Pentagon, Pete Hegset, bestätigte, dass der Gebietsaustausch ein zentrales Thema des Gipfeltreffens in Alaska sein wird. «In der Verhandlungsphase könnte es zu Gebietsaustauschen kommen, es wird Zugeständnisse geben. Niemand wird zufrieden sein», erklärte er gegenüber Fox und versicherte, dass Trump Putin keinen vollständigen Sieg schenken werde.
Die «historische» Aufrüstung der EU
Während die USA beabsichtigen, das ukrainische Szenario abzuschliessen oder sich zumindest zurückzuziehen, bereitet sich die EU auf einen Krieg mit Russland vor. Dies geht aus einer Untersuchung der Financial Times hervor, die zeigt, dass Europa eine beispiellose Aufrüstung durchläuft: Waffenfabriken expandieren dreimal so schnell wie in Friedenszeiten und decken eine Fläche von 7 Millionen Quadratmetern neuer Industriegebiete ab. Die Studie basiert auf einer Analyse von Satellitendaten zu 150 Anlagen und 37 Unternehmen, die Raketen und Munition herstellen, «zwei Engpässe bei der Unterstützung der Ukraine durch den Westen».
Zu den am stärksten expandierenden Anlagen gehört ein Gemeinschaftsprojekt des deutschen Giganten Rheinmetall und des ungarischen staatlichen Rüstungsunternehmens N7 Holding zum Bau einer großen Fabrik für die Herstellung von Munition und Sprengstoff in Varpalota im Westen Ungarns. Die FT schreibt:
«Der Umfang und die Verbreitung der festgestellten Arbeiten deuten auf einen Generationswechsel in der Rüstung hin, der Europa von der Just-in-time-Produktion in Friedenszeiten zum Aufbau einer industriellen Basis für einen länger andauernden Kriegszustand geführt hat.»
Die EU hat also keineswegs die Absicht, nachzugeben, sondern will ihren Krieg gegen die Russische Föderation bis zum letzten Tropfen Blut des letzten Ukrainers fortsetzen. Aus dieser Perspektive entsteht die beunruhigende Sorge, dass der Gipfel zwischen Putin und Trump am Freitag, dem 15. August, nur dazu dienen wird, einen Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Krieg zu beschließen, um neue Beziehungen zur Russischen Föderation aufzubauen, einem unverzichtbaren Partner für den Dialog mit Peking, Teheran und anderen Herausforderern Washingtons.
Aber der ukrainische Fleischwolf wird mit dem Krieg weitermachen, unterstützt von den europäischen Staaten und der NATO.
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Clara Statello, diplomierte Politologin, hat als Korrespondentin und Autorin für Sputnik Italia gearbeitet, das nach dem EU-Verbot infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine im Februar 2022 eingestellt wurde. Sie schreibt unter anderem für L’Antidiplomaticound Pressenza. Ihre Leidenschaft gilt der internationalen Politik.