Der überraschende Sieg des populistischen, konservativen Nationalisten Călin Georgescu in der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen gibt diesem «heterodoxen Außenseiter» die Chance, im Dezember ins Amt zu kommen. Der in Russland lebende US-Journalist Andrew Korybko skizziert mögliche Perspektiven für diesen Fall.
Die Mainstream-Medien seien in Aufregung, weil Georgescu die Stationierung der US-Raketenabwehrinfrastruktur in Rumänien kritisiere und sich gegen die Fortsetzung des Stellvertreterkriegs der NATO gegen Russland durch die Ukraine ausspreche. Außerdem sei er ein gläubiger orthodoxer Christ und habe einige der umstrittensten Persönlichkeiten seines Landes aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gelobt.
Die Anziehungskraft Georgescus sei laut Korybko auch auf die Hoffnung zurückzuführen, dass er seinem «berüchtigt korrupten» Land die längst überfällige Rechenschaftspflicht auferlegen werde. Darauf deute die Tatsache hin, dass er auch der Favorit der Diaspora, also der vielen rumänischen Emigranten sei. Die Bevölkerung erhoffe sich von ihm Hilfe dabei, ihren Lebensstandard durch eine effektivere Wirtschafts-, Finanz- und Entwicklungspolitik zu verbessern.
Die Außenpolitik sei wichtig, aber für den Durchschnittswähler würden lokale und wirtschaftliche Fragen bei weitem überwiegen. Sollte Georgescu Präsident Rumäniens werden, werde er daher eher versuchen, die inneren Abläufe seines Landes zu ändern, als die Außenpolitik radikal umzugestalten, meint Korybko.
Es sei jedoch auch nicht auszuschließen, dass ein möglicher Sieg Georgescus den Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland «beeinträchtigen» könnte. Diejenigen, die für ihn gestimmt hätten, seien zum Beispiel nicht damit einverstanden, dass ukrainisches Getreide ihren heimischen Markt zum Nachteil der einheimischen Landwirte überschwemmt habe. Und sie seien auch nicht damit einverstanden, dass die Regierung ukrainische Flüchtlinge finanziell unterstütze.
Darüber hinaus, so Korybko, hätten die jüngsten militärisch-strategischen Entwicklungen in diesem Konflikt bei vielen die Sorge vor einem Dritten Weltkrieg geweckt, in den Rumänien aufgrund der erwähnten US-Raketenabwehrinfrastruktur direkt involviert wäre. Außerdem spiele das Land eine wichtige logistische Rolle bei der Bewaffnung der Ukraine. Seine neu gebaute «Moldau-Autobahn» könnte die Entsendung von NATO-Truppen dorthin erleichtern, falls sich der Block oder eine «Koalition der Willigen» zu einem konventionellen Eingreifen entschließe.
Selbst wenn Rumänien keine Truppen entsende, könne es durch die Transitrolle, die es bei der Intervention anderer Länder spielen könnte, ins Visier Russlands geraten, erklärt der Journalist. Aus diesem Grund und in Anbetracht seiner Kritik am Krieg in der Ukraine könne Georgescu als Oberbefehlshaber diese Pläne nicht gutheißen. Schließlich sei er ein populistischer, konservativer Nationalist, der dem Vorrang einräume, was er aufrichtig als nationale Interessen ansehe – und denen widerspreche ein solches Szenario.
Wenn Georgescu gewinnt, wird er sein Amt am 21. Dezember antreten. Das könnte es den USA unmöglich machen, sich in strategischer Hinsicht auf Rumänien zu verlassen, so Korybko. Das sei relevant, sofern Georgescu den politischen Willen habe, eine solche Politik umzusetzen. Denn es bedeute, dass der scheidenden Biden-Administration nur noch weniger als ein Monat Zeit bliebe, um dies zu tun, wenn sie es wolle.
Es bestehe durchaus die Möglichkeit, dass Polen der einzige Weg sei, über den konventionelle NATO-Truppen in die Ukraine eindringen könnten, selbst wenn es keine eigenen Truppen entsende. Aber laut Korybko würden weder der konservativ-nationalistische Präsident noch seine liberal-globalistischen Rivalen in der Regierungskoalition dies zulassen, auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr.
Wenn auch Rumänien in dieser Hinsicht ausgeschlossen werde, falls Georgescu gewinne, im nächsten Monat sein Amt antrete und die vorgeschlagene Politik verkünde, dann könnten die USA eher bereit sein, einen Deal mit Russland zu schließen, urteilt der Journalist.
Darin liege die global bedeutsamste Konsequenz, falls dieser Mann Präsident Rumäniens werde. Denn das könnte die Möglichkeiten der USA – ob unter der scheidenden Biden-Administration oder der neuen Trump-Administration – erheblich einschränken, nach ihren Bedingungen zu «eskalieren, um zu deeskalieren». Indem die Wahrscheinlichkeit eines konventionellen Eingreifens der NATO beseitigt werde, könnten die Chancen für Russland, diesen Konflikt stattdessen zu seinen eigenen Bedingungen zu beenden, erheblich steigen. Das könnte zu einer dauerhafteren Lösung führen, schreibt Korybko.
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