In Georgien verabschiedete die Regierung kürzlich ein Gesetz, das die Finanzierung von NGOs aus dem Ausland streng reguliert. Dieses sogenannte «Gesetz über ausländische Agenten» verpflichtet NGOs, ihre Finanzquellen offen zu legen, wenn mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland stammen. Dies stellt eine direkte Bedrohung für westlich finanzierte Organisationen dar, die in Georgien bisher eine starke Rolle in der Zivilgesellschaft spielten.
Die Verabschiedung des Gesetzes führte zu massiven Protesten, bei denen westlich finanzierte georgische NGOs und Medien eine Schlüsselrolle spielten (wir haben zum Beispiel hier, hier und hier darüber berichtet).
Diese NGOs befürchten, dass das Gesetz ihre Tätigkeit einschränken und ihre Finanzierung gefährden könnte. Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili, die als pro-westlich gilt und ihre Ausbildung in den USA erhalten hat, war eine scharfe Gegnerin des Gesetzes. Trotz ihrer Bemühungen trat es schließlich in Kraft und verschärfte die Spannungen zwischen Georgien und dem Westen, der als Reaktion darauf Sanktionen verhängte und den EU-Beitrittsprozess Georgiens auf Eis legte.
USAID, die United States Agency for International Development, ist eine Schlüsselkomponente der US-Außenpolitik. Offiziell eine Organisation zur Förderung von Demokratie und Menschenrechte, dient sie in der Praxis den wirtschaftlichen und politischen Interessen der USA. Durch die Finanzierung von NGOs, Medien und Bildungsprojekten in strategisch wichtigen Ländern wie Armenien schafft USAID Einfluss auf die dortige Politik. Vor wenigen Wochen wurde eine neue Vereinbarung zwischen USAID und der armenischen Regierung unterzeichnet, die eine Verdopplung der USAID-Finanzierung auf insgesamt 250 Millionen Dollar vorsieht.
Diese massive Aufstockung der Mittel steht in direktem Zusammenhang mit den geopolitischen Interessen der USA im Kaukasus. Sie deutet darauf hin, dass die USA Armenien als zentralen Pfeiler in ihrer Strategie nutzen, um russischen Einfluss in der Region zurückzudrängen und gleichzeitig den wachsenden Widerstand in Georgien zu umgehen.
Infolge des georgischen Gesetzes deutet sich nun eine Verlagerung westlicher Aktivitäten nach Armenien an. Vertreter westlicher NGOs, darunter viele aus Georgien, sind verstärkt nach Armenien gereist, um sich dort mit lokalen Akteuren zu treffen. Es liegt nahe, dass Armenien als neuer Hub für westliche NGOs dienen soll, die in Georgien aufgrund des neuen Gesetzes unter Druck geraten sind.
Der armenische Politologe Stepan Danieljan spricht sogar von einem «Exodus» georgischer NGOs nach Armenien. Diese Verlagerung hat einen geopolitischen Hintergrund: Armenien könnte als Basis dienen, von der aus weiterhin Einfluss auf die Region genommen wird, ohne die georgischen Gesetzesvorgaben zu verletzen. Ein ähnliches Manöver gab es bereits in Belarus, wo NGOs aus Polen und dem Baltikum operierten, um die dortige Opposition zu unterstützen.
Der geopolitische Kampf um den Einfluss in Armenien und Georgien ist Teil eines größeren globalen Konflikts zwischen den USA und Russland. Armenien, das lange ein enger Verbündeter Russlands war, ist zunehmend ins Kraftfeld der USA geraten. Die Verlagerung westlicher Aktivitäten nach Armenien zeigt, dass der Kaukasus weiterhin eine Schlüsselrolle in der US-Strategie zur Schwächung Russlands spielt. Für die USA steht Armenien nicht nur wegen seiner geographischen Nähe zu Russland, sondern auch aufgrund seiner strategischen Lage zwischen Europa und Asien im Mittelpunkt.
Russland hingegen beobachtet die Entwicklungen in Armenien mit wachsender Sorge. Ein Verlust Armeniens an den Westen würde den russischen Einfluss in der Region weiter schwächen und eine neue Front im geopolitischen Ringen um den Südkaukasus eröffnen. Russland war bereits mit dem Verlust von Georgien nach dem Krieg von 2008 konfrontiert, als Georgien sich endgültig dem russischen Einfluss entzog. Ein ähnliches Szenario in Armenien wäre für Russland ein geopolitisches Desaster.
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Rolle Russlands bei den beiden Kriegen 2020 und 2023 um die armenische Enklave Bergkarabach ambivalent war. Auch Moskau scheint auf die Öl- und Gasdrehscheibe Aserbaidschan angewiesen zu sein und hatte dem gewaltsamen Machtpoker Bakus wenig entgegengesetzt.
Weder der Westen noch Russland haben den Bemühungen Aserbaidschans und der Türkei, einen Machtblock aufzubauen, der von der Türkei bis an die Grenzen Chinas reicht, viel entgegenzusetzen. Die dinzige die Waffenbrüder in Baku und Ankara störende Figur auf diesem geopolitischen Schachbrett ist das wie ein Sperrriegel in der Mitte liegende Armenien.
Diese Entwicklungen deuten auf einen heißen Herbst in der Region hin. In Georgien stehen Ende Oktober zusätzlich Parlamentswahlen an, bei denen die Regierungspartei «Georgischer Traum» als Favorit gilt. Der Westen dürfte jedoch versuchen, die Wahlen zu diskreditieren und Proteste anzuheizen, um einen Machtwechsel nach ukrainischem Muster herbeizuführen.
Gleichzeitig wächst der Druck auf Armenien, seine Rolle als pro-westlicher Akteur im Südkaukasus weiter auszubauen. Die Verdopplung der USAID-Gelder und die Verlagerung westlicher NGOs nach Armenien könnten der Beginn einer neuen Phase im geopolitischen Spiel um den Einfluss im Kaukasus sein. Die USA werden ihre Bemühungen, Russland aus der Region zu verdrängen, intensivieren, während Armenien und Georgien zu zentralen Schauplätzen dieses Konflikts werden.
Die jetzige Regierungspartei «Georgischer Traum» hat das Land in über 10 Jahren recht umsichtig geführt. Sie hat Georgien wirtschaftlich entwickelt und die Visumspflicht konnte beispielsweise für den Schengenraum abgeschafft werden. Wirtschaftlich profitiert das Land von der Nähe zu Russland, obwohl es immer noch keine diplomatischen Beziehungen zu Moskau unterhält. Allerdings gibt es keine Garantie, dass dies so bleibt.
Der georgische Milliardär und Gründer der Regierungspartei, Bidsina Iwanischwili, tritt bei den Parlamentswahlen im Oktober 2024 persönlich an, nachdem er sich zuvor im Hintergrund gehalten hatte. Sein Ziel ist es, zwei Drittel der Parlamentssitze zu gewinnen, um die Verfassung zu ändern. In diesem Fall könnte er die liberale Opposition, die von Präsidentin Salome Surabischwili unterstützt wird, knüppeln. Surabischwilis Mandat läuft aber auch in diesem Jahr ab.
Neben den Gefahren für die Demokratie falls die Regierungspartei die verfassungsändernde Zweidrittelsmehrheit erlangt, gibt es Spekulationen, dass Iwanischwili einen Deal mit Russland anstreben könnte. Dieser würde Georgien die abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien zurückgeben, jedoch müsste das Land im Gegenzug das Ziel einer EU- und NATO-Mitgliedschaft aufgeben. Dies wäre für viele Georgier eine bittere Wahl, da Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die EU-Integration wünscht, gleichzeitig aber auch die Rückkehr der abtrünnigen Gebiete priorisiert.
Trotzdem konzentrieren sich die Sorgen vieler Menschen auf soziale und wirtschaftliche Probleme. Streiks und Proteste, insbesondere wegen niedriger Löhne, haben zugenommen. Lokale und internationale Beobachter äußern bereits jetzt Befürchtungen über Wahlmanipulationen. Bereits bei der letzten Wahl hatte die unterlegene Opposition einen solchen Verdacht geäußert, aber internationale Beobachter hatten dem Land freie und faire Wahlen bescheinigt. Georgien steht daher ein turbulenter Wahlherbst bevor.
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