Die Grundsätze der Guten Klinischen Praxis (Good Clinical Practice; GCP) gelten heute als international anerkannter Standard für die Durchführung von Heilmittelstudien. Sie berücksichtigen sowohl ethische als auch wissenschaftliche Gesichtspunkte. Neben Massnahmen zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit der erhobenen Daten stehen vor allem Bestimmungen zum Schutz der Rechte und des Wohls und der Sicherheit der individuellen Studienteilnehmer im Vordergrund. In diesem Zusammenhang sind vor allem das informierte Einverständnis der Versuchspersonen und die unabhängige Beurteilung einer Studie durch eine Ethikkommission bedeutsam.
Mit Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes im Januar 2002 wurde GCP auch in der Schweiz zur rechtlichen Norm.
Spitalpatienten gehörten im 19. Jahrhundert den untersten sozialen Schichten an. Wer es sich leisten konnte, liess sich zu Hause behandeln. Patienten in Spitälern wurden häufig als «Unterrichts- und Versuchsmaterial» der lehrenden und forschenden Ärzte wahrgenommen. Eine Einwilligung der Versuchspersonen wurde als nicht notwendig erachtet. Die mit wissenschaftlichen Experimenten verbundene gesundheitliche Gefährdung Einzelner erfuhr eine utilitaristische Rechtfertigung – zugunsten vieler anderer Patienten. Ende des 19. Jahrhunderts geriet diese Art der medizinischen Forschung vor allem in Deutschland unter zunehmende öffentliche Kritik.
Zum «Skandal» wurde der «Fall Neisser». Mit dem Ziel einer passiven Immunisierung injizierte der bekannte Breslauer Dermatologe Albert Neisser 1892 acht hospitalisierten, zum Teil minderjährigen Frauen (davon vier Prostituierte) das Serum von an Syphilis Erkrankten – jedoch ohne die Frauen darüber zu informieren. In der Folge wurden vier von ihnen schwer krank. Neissers eigene Publikation dieser Versuche im Jahr 1898 sorgte dafür, dass der Fall an die Öffentlichkeit geriet und eine heftige Diskussion darüber entbrannte. Nach einer staatsanwaltlichen Untersuchung wurde Neisser zu einer Strafe von 300 Reichsmark verurteilt und er erhielt einen Verweis. Aber nicht wegen des verursachten gesundheitlichen Schadens, sondern wegen fehlender Aufklärung und Einwilligung der Frauen.
Aufschlussreich für das zeitgenössische Denken ist, dass Neisser jede Einsicht in die moralische Problematik seiner Handlungsweise fehlte und die meisten akademischen Kollegen hinter ihm standen. Die politische Reaktion auf den Fall Neisser bestand in einer Anweisung des preussischen Kultusministeriums vom 29. Dezember 1900 an die Vorsteher von Kliniken, Polikliniken und sonstigen Krankenanstalten. Sie hatte zum Inhalt, dass keine medizinischen Eingriffe zu anderen als diagnostischen Heil- und Immunisierungszwecken an Minderjährigen oder anderen, nichtgeschäftsfähigen Personen vorzunehmen seien.
Ein zweiter Skandal aus dem Jahr 1930 verdient Erwähnung, der in Presseberichten als «Lübecker Totentanz» bezeichnet wurde. Der Lübecker Stadtarzt Ernst Altstaedt und der Direktor des Lübecker Allgemeinen Krankenhauses, Georg Deycke, führten an insgesamt 256 Neugeborenen Tuberkuloseimpfversuche durch. Aufgrund mangelnder Erfahrung der Versuchsleiter und der Verunreinigung des Impfstoffs mit pathogenen Tuberkuloseerregern starben 77 Kinder, weitere 131 Kinder erkrankten schwer.
Beide Ärzte wurden wegen fahrlässiger Körperverletzung bzw. Tötung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Wiederum mündete dieser Skandal in einer politischen Reaktion: Basierend auf einem Entwurf des Reichsgesundheitsrats veröffentlichte der Reichsminister des Inneren 1931 «Richtlinien für neuartige Heilbehandlungen und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen».
Die erste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, in welcher der Nürnberger Kodex herangezogen wurde, stammt aus dem Jahr 1987. Der Kläger war ein Feldweibel der US-Armee. Er wurde Opfer eines von der CIA gesponserten und verdeckten LSD-Gedankenkontroll-Experiments und verlangte Schadenersatz.
US v. Stanley, 483 YS 669 (1987)
Richter Brennen schrieb die abweichende Meinung - unterstützt von den Richtern Marshal, Stevens und O’Connor:
«In Experimenten, die die Wirkung von LSD testen sollten, behandelte die Regierung der Vereinigten Staaten Tausende ihre Bürger wie Labortiere. Sie verabreichte ihnen diese gefährliche Droge ohne ihre Zustimmung. Eines der Opfer, James B. Stanley, verlangt nun Schadenersatz von den Beamten, die ihn verletzten (…) Es ist wichtig, das Verhalten der Regierung in den historischen Kontext einzuordnen. Die Nürnberger Medizinprozesse von 1947 haben der Welt in dramatischer Weise gezeigt, dass Experimente an unwissenden Menschen moralisch und rechtlich inakzeptabel sind. Das US-Militärtribunal erkennt den Nürnberger Kodex als Standard an, der für alle Bürger gilt - für Soldaten wie für Zivilisten gleichermassen.»
Auf die menschenverachtenden Versuche in den Konzentrationslagern des nationalsozialistischen Deutschland soll nicht im Detail eingegangen werden. Exemplarisch seien an dieser Stelle Unterkühlungsversuche, Sterilisations-, Meerwasser- und Fleckfieberexperimente, jeweils ohne Rücksicht auf die Gesundheit der unfreiwilligen Versuchsteilnehmer, bis hin zu Euthanasiemorden unter einem wissenschaftlichen Deckmantel genannt. Die Nationalsozialisten haben die in Deutschland bereits vorhandenen ethischen und wissenschaftlichen Standards unterschlagen, deutsche Ärzte haben sie ignoriert.
Der sogenannte Nürnberger Ärzteprozess des US-Militärgerichtshofs gegen beteiligte Ärzte und Wissenschaftler endete 1947 – nach 140 Verhandlungstagen – mit sieben Todesurteilen und neun bis zu lebenslangen Haftstrafen. Der Nürnberger Kodex von 1947 ist seither das wichtigste juristische Dokument in der Geschichte der medizinischen Forschungsethik. Er legte 10 Grundprinzipien der ethischen klinischen Forschung fest.
Das erste und oberste Prinzip ist eindeutig:
- Die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich.
- Es ist verboten, Forschung am Menschen ohne die informierte Zustimmung des Individuums durchzuführen.
- Die Pflicht und Verantwortlichkeit, den Wert der Zustimmung festzustellen, obliegt jedem, der den Versuch anordnet, leitet oder ihn durchführt. Dies ist eine persönliche Pflicht und Verantwortlichkeit, welche nicht straflos an andere weitergegeben werden kann.
Formuliert wurde der Kodex von prominenten Juristen in Absprache mit medizinischen Beratern der US-Regierung. Die Regierungen der alliierten Siegermächte USA, UdSSR, Frankreich und Grossbritannien stimmten dem Kodex zu. So erweiterte er die Menschenrechte über die Grenzen der einzelnen Länder hinaus und das Recht auf informierte Einwilligung wurde für Friedens- wie auch Kriegszeiten anerkannt. Verstösse gegen die Einwilligung nach Aufklärung können seitdem beim internationalen Strafgerichtshof im niederländischen Den Haag eingeklagt werden.
Dem Regelwerk zufolge liegt die Verantwortung für Verstösse gegen die informierte Einwilligung bei den einzelnen Ärzten, den Regierungsbeamten und ihren Helfern und Anstiftern - von denen jeder für Verbrechen gegen die Menschlichkeit belangt werden kann.
Ein Jahr später – im Jahr 1948 – verfasste der Weltärztebund das «Genfer Ärztegelöbnis» als eine zeitgerechte Neufassung des hippokratischen Eides. Seine Pläne, ein Positionspapier zu ethischen Fragen der Forschung am Menschen zu erstellen, reichen bis ins Jahr 1955 zurück. Der Contergan-Skandal (Corona-Transition berichtete) und die mit ihm verbundenen Fragen nach der Heilmittelsicherheit und der Heilmittelprüfung wirkten sich beschleunigend auf die Erarbeitung und Veröffentlichung einer neuen ethischen Leitlinie aus, die in ihrer finalen Fassung 1964 als Deklaration von Helsinki in die Geschichte einging.
Leider kommt dem Nürnberger Kodex in der Neuzeit wieder besondere Bedeutung zu. Denn die gegen Covid-19 in Rekordzeit entwickelten mRNA-Vakzine wurden noch nie auf Langzeitnebenwirkungen getestet. Zudem ist unbekannt, wie die Vakzine bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen wirken – also bei genau der Zielgruppe, die jetzt geimpft wird. Ein Experiment an Menschen findet statt, welches nach dem Kodex von 1947 verboten ist. Gemäss offizieller Zahlen verursachen die Gen-Vakzine rund 40 mal mehr Todesfälle als bei der Grippeimpfung zu erwarten sind (Corona-Transition berichtete).
Zahlreiche medizinische Experten warnen vor den Folgen der mRNA-Impfstoffe von Pfizer/BioNTech und Moderna. Aber auch vor dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca wird wegen zahlreicher Thrombose-Fälle gewarnt (Corona-Transition berichtete). Zudem wird verlautet, dass bei den Impfungen in Alters- und Pflegeheimen gar kein Informationsgespräch stattfinde. Auf internationaler Ebene scheint eine Erfordernis der informierten Zustimmung («informed consent») in systematischer Weise ignoriert zu werden (Corona-Transition berichtete).
Kürzlich sahen die Anwälte Ruth Makhacholovsky und Aryeh Suchowolski den Nürnberger Kodex durch die israelische Regierung und die Vakzinhersteller verletzt. Das Anwalts-Duo reichte Mitte März eine Klage beim internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein (Corona-Transition berichtete). Für die Leitmedien war die Meldung offenbar nicht interessant genug, denn berichtet haben sie darüber nichts.