Aber ein Sturm weht vom Paradiese her,
der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist,
dass der Engel sie nicht mehr schließen kann.
Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft,
der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen
vor ihm zum Himmel wächst.
Das, was wir den Fortschritt nennen,
ist dieser Sturm.
Walter Benjamin

Liebe Leserinnen und Leser

Es ist schon erstaunlich: Trotz aller Erfahrungen der letzten Jahre sind nicht wenige Menschen noch immer bereit, bestimmte Entwicklungen als «fortschrittlich» und ihre Protagonisten als «Heilsbringer» wahrzunehmen. Nur weil sie – scheinbar – ein wenig vom Mainstream abweichen.

Ein Paradebeispiel hierfür ist Elon Musk, der nun durch Donald Trumps Sieg im Präsidentschaftswahlkampf eine noch größere Machtstellung eingeräumt bekommt, als er ohnehin schon innehatte. Dass diese Macht eher informell war beziehungsweise ist, macht die Sache noch gefährlicher. Denn dadurch gibt es praktisch keine Grenzen, er genießt weithin Narrenfreiheit.

In einem kürzlich auf Manova erschienenen Kommentar, der ursprünglich bei Global Research erschienen ist, verweist der Autor Julian Rose auf den Mechanismus hinter der Faszination für superreiche «Unternehmer»:

«Sie huldigen sich selbst, dem anderen und ihren tief verwurzelten Machtillusionen. Dies verleiht ihnen in den Augen von Milliarden von aufstrebenden Materialisten, die eine pompöse Aufgeblasenheit als den Höhepunkt des ‹Erfolgs› ansehen, eine Aura der Unbesiegbarkeit. (...)
Heutzutage sehnen sich viele danach, in denjenigen, die über die Weltbühne stolzieren, echte Führungsqualitäten zu sehen und Respekt dafür zu empfinden. Also versehen sie diese Schauspieler mit Qualitäten, die sie nicht besitzen, weil das psych(olog)ische Bedürfnis, sich von einer Vaterfigur beschützt und umsorgt zu fühlen, vor allem in Zeiten großer Unsicherheit, ein vorherrschender emotionaler Zustand ist.»

Kurz gesagt: Wer denjenigen, die in materialistischer Hinsicht «Erfolg» haben, huldigt, projiziert die eigenen materialistischen Macht- und Erfolgsphantasien auf diese Personen. Da ist schon etwas dran, wenn es auch oftmals noch etwas komplexer ist. Erstaunlich ist dennoch, dass ausgerechnet Elon Musk, ein Hardcore-Transhumanist, von einigen aus dem alternativen Spektrum derart positiv betrachtet wird, dass jede Kritikfähigkeit verloren gegangen zu sein scheint.

Auch die Schweiz sieht sich aktuell der «Kritik» respektive einer unflätigen Attacke Musks ausgesetzt. Die Ausdrucksweise kann man natürlich amüsant finden, aber es stellt sich hier schon die Frage nach den Machtverhältnissen und der politischen Legitimation solcher Aussagen und Entscheidungen.

Der Gipfel der Heuchelei ist wohl sein neuster Streich, eine einstweilige Verfügung gegen OpenAI, ein Unternehmen, das er selbst mitgegründet hat:

«Musk hat wiederholt vor den Gefahren von Künstlicher Intelligenz gewarnt und bezeichnete KI sogar als ‹unsere größte existenzielle Bedrohung›. Zugleich investiert der reichste Mann der Welt massiv in Künstliche Intelligenz und hat mit xAI ein eigenes KI-Unternehmen gestartet.»

Also, liebe Leserinnen und Leser, bleiben Sie kritisch und betrachten Sie das Geschehen in der Welt öfter mal als das, was es häufig ist: eine (Selbst-)Inszenierung derer, die es sich leisten können.

Herzliche Grüße
Susanne Schmieden