Wenn Friedrich Merz wie geplant Anfang Mai zum nächsten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland ernannt wird, übernimmt erstmals ein langjähriger, hochbezahlter Funktionär des Finanzkonzerns BlackRock die Regierungsgeschäfte eines Landes. Darauf macht der Publizist Werner Rügemer in seinem neuen Buch hin, in dem er dieser Tatsache besonderes Augenmerk widmet.
«BlackRock Germany – Die heimliche Weltmacht, ihre Praktiken in Deutschland und Friedrich Merz», so der Titel des kleinen Buches mit 112 Seiten über ein großes Thema mit vielen Facetten. Mit ihm klärt der Autor über einen anscheinend allgegenwärtigen und allmächtigen Akteur im US-geführten Kapitalismus auf.
Merz habe bereits seit mindestens 20 Jahren dazu beigetragen, US-amerikanische Investoren und dann BlackRock in Deutschland groß werden zu lassen, deutsche Unternehmen aufzukaufen beziehungsweise sich als Großaktionäre in deutsche Unternehmen einzukaufen. Darauf wies Rügemer am Montag in Berlin hin, wo er im «Sprechsaal» sein Buch vorstellte.
Dr. Werner Rügemer (Fotos: Tilo Gräser)
BlackRock verwalte etwa 11,5 Billionen Dollar an Vermögen Reicher und Superreicher, in dem es dieses in den rund 18.000 wichtigsten Unternehmen der westlichen Welt angelegt hat, erklärte der Autor. Der Finanzkonzern sei beispielsweise in den USA durch seine Beteiligungen der insgesamt größte Aktionär.
Diese Postion hat er demnach auch in Deutschland inne, wo er seit der Finanzkrise 2008/09 Anteile an den etwa 150 größten Unternehmen hält. Das geschehe immer gemeinsam mit ähnlichen Finanzverwaltungsunternehmen wie Vanguard, State Street und anderen, die zusammen – oftmals «aktionärsmäßig miteinander verschränkt» – dann die jeweils größte Aktionärsgruppe bilden.
Das sei in vielen Ländern der Fall, sagte Rügemer und nannte für Deutschland als Beispiel den Rüstungskonzern Rheinmetall. Bei dem einst deutschen Waffenhersteller, Profiteur unter anderem von zwei Weltkriegen, sei der US-Finanzverwalter mit seinen Partnern eingestiegen – vor dem Ukraine-Krieg – und habe dort nun die gemeinsame Aktienmehrheit.
«Die Entscheidungen fallen in den USA und die meisten neuen Filialen von Rheinmetall sind in den USA. Und die Gewinne im deutschen Rüstungskonzern fließen in die USA.»
BlackRock spielt laut dem Publizisten auch eine Rolle beim sogenannten Cum-Ex-Skandal, wo es um Steuerbetrug in zigfacher Millionenhöhe geht. Als die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker konsequent ermittelte und auch bei BlackRock Durchsuchungen anordnete, sei sie von der Politik massiv behindert worden. Die Juristin gab 2024 ihren Posten auf und gehört bis heute aber zu den fundiertesten Kritikern des Treibens der Finanzakteure.
In Deutschland habe der US-Finanzverwalter nur 170 Mitarbeiter – die Deutsche Bank dagegen bis zu 70.000 –, obwohl diese Milliardenvermögen verwalten, und keine Bankschalter, so Rügemer. Im Buch schreibt er dazu:
«Sie sind in zwei kleinen, unscheinbaren Büros in Frankfurt und München versteckt und nur für die wenigen reichen Kunden erreichbar. BlackRock Deutschland wirbt wie überall öffentlich für ‹Kundennähe› – aber 99,999 Prozent der Bevölkerung sind nicht als Kunden gemeint, nahe sein will BlackRock nur den 0,001 Prozent, und dies öffentlich unsichtbar.»
Das Vermögen der Reichen und Superreichen werde mit Hilfe von sogenannten Briefkastenfirmen verwaltet und profitabel vermehrt. Deren Funktionsweise beschreibt er im Buch ausführlich, auch dass das Modell zuerst in der Schweiz entstand.
Diese Firmen würden zahlreiche Dienste für ihre Kunden, ob Superreiche, Politiker, Diktatoren, Präsidenten oder Drogen- und Waffenhändler anbieten, schreibt Rügemer im Buch. Er verweist darin auf eine Auflistung der entsprechenden Angebote in einer Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages aus dem Jahr 2016.
Das Buch über BlackRock enthält auf Seite 2 einen QR-Code, der zu einer Webseite führt, auf der alle BlackRock-Briefkasten-Firmen in den 100 größten Aktiengesellschaften Dutschlands erstmals veröffentlicht sind.
«Aber die Namen seiner superreichen Kapitalgeber gibt BlackRock nicht bekannt.»
Die würden in den erwähnten Briefkastenfirmen versteckt, «die sich in diversen Finanzoasen auf der ganzen Welt befinden». Rügemer erklärt auch den Begriff «Steueroase» genauer, der allerdings eine Verharmlosung sei, da es sich «um einen abgeschirmten Ort handele, der noch viel mehr Dienstleistungen bietet als nur die Möglichkeit der Steuerflucht beziehungsweise Steuerhinterziehung».
Der Autor machte bei der Buchvorstellung auch darauf aufmerksam, dass BlackRock führender Aktionär bei den US-Firmen ist, die seit Jahrzehnten vor allem im Landwirtschaftsbereich Geschäfte und Gewinne in der Ukraine machen. Dazu gehöre der Zigarettenkonzern Philip Morris (PMI), der in dem Land den weltweit niedrigsten Steuersatz auf seine Produkte zahle und 96 Prozent seiner dortigen Produktion «für Export und Schmuggel» herstelle.
Der Tabak-Konzern ist allerdings Berichten zufolge auch in Russland aktiv und gehört demnach dort zu den Top 5 der ausländischen Unternehmen, die Steuern an den russischen Haushalt zahlen. Deshalb wurde er in der Ukraine als «internationaler Sponsor des Krieges» eingestuft.
Rügemer wies außerdem darauf hin, dass BlackRock inzwischen offiziell auch die Schulden, von denen ein Fünftel dem Konzern gehören, und den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg verwalten soll. Der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur in dem Land gilt als Riesengeschäft, das Finanzgiganten wie BlackRock & Co. längst in ihren Händen haben, nachdem sie zuvor am Krieg verdient haben. Der Autor dazu:
«Auch ein Krieg, der militärisch gar nicht gewonnen werden kann wie der in der Ukraine, ist für die Rüstungskonzerne um so lukrativer, je länger er dauert.»
BlackRock verdiene auch am Krieg Israels gegen die Palästinenser, stellte er klar und verwies darauf, dass vor allem die Überwachungs- und Kontrollindustrie neben der US-Rüstungsindustrie davon profitiere. Israel sei der global führende Standort für Überwachungstechnologie – aufgrund der Erfahrungen der lückenlosen Überwachung der Palästinenser.
Rügemer ging bei der Buchvorstellung auch auf den Fall Merz ein – ein Beispiel für institutionalisierte Korruption, die politische Ämter nicht behindert, sondern fördert. Im Buch widmet er sich ebenfalls ausführlich dem Beispiel des CDU-Vorsitzenden, der der nächste Bundeskanzler zu werden scheint.
Dieser war von 2016 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen BlackRock-Filiale, nachdem er 2009 offiziell der Bundespolitik den Rücken gekehrt hatte. Seitdem hatte er als Wirtschaftsanwalt in der US-Kanzlei Mayer Brown bereits US-Unternehmen geholfen, deutsche Mittelstandsunternehmen aufzukaufen. Merz sei bis 2021 sogar Teilhaber der Kanzlei gewesen, so der Autor.
Aufgrund seiner «Verdienste» für US-Konzerne sei er dann von BlackRock engagiert worden. In seinem Buch schreibt Rügemer, dass der Deutschland-Chef des Finanzverwalters Merz, Dirk Schmitz, nicht nur für seine Lernbereitschaft bezüglich des BlackRock-Geschäftsmodells lobte, «sondern auch dafür, dass er nach US-Vorbild die Politik noch viel direkter mit Unternehmensinteressen verbindet».
Der CDU-Kanzlerkandidat habe deutsche Unternehmen an die US-Konzerne ausgeliefert und so bei der Deindustrialisierung Deutschlands ebenso mitgeholfen wie bei der Absenkung des Lebensstandards und der Renten. «Der will jetzt Deutschland wieder hochkriegen, wirklich?», fragte der Autor seine Zuhörer in Berlin.
Dr. Rügemer bei der Buchvorstellung
Die klärte er über weitere Details in Merz’ Karriere als BlackRock-Lobbyist auf, die auch im Buch nachzulesen sind. Dazu gehört dessen Einsatz für den 1-Billion-Schuldenpaket für Aufrüstung, das im März noch mit Hilfe des eigentlich abgewählten Bundestages durchgedrückt wurde.
Rügemer forderte Bevölkerung und Initiativen in Deutschland dazu auf, sich endlich aufzuraffen, um die mit Merz weiter zunehmende Abhängigkeit von den USA, für die nicht nur der Name BlackRock stehe, endlich zu beenden. Denn diese Abhängigkeit werde gegenwärtig immer gefährlicher: Nachdem sie bisher «nur unseren Wohlstand abgebaut» habe, drohe sie nun in einen neuen großen Krieg zu führen.
Im Buch warnt er, der BlackRock-Kapitalismus profitiere an Kriegen und bereite angesichts seiner schwindenden Legitimation in den Bevölkerungen des US-geführten Westens und dem «Rest der Welt» einen möglichen dritten Weltkrieg vor, unter Einsatz von Atomwaffen. In dem abschließendem Teil IV des Buches fordert der Autor, die BlackRock-Kunden endlich zu besteuern.
Zudem sollen die Namen der Anleger bei BlackRock & Co. offen gelegt werden. Rügemer fordert außerdem, dass die EU das Verstecken privaten Reichtums zu Zwecken der Steuerflucht verbietet und mit hohen Strafen sanktioniert. Und: BlackRock soll vom Wiederaufbau der Ukraine ausgeschlossen werden.
Der Autor hat nach Büchern wie «Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts» und «BlackRock & Co. enteignen! Auf den Spuren einer unbekannten Weltmacht» mit den kleinen Buch aus dem Verlag Hintergrund einen weiteren Beitrag zur Aufklärung über den Kapitalismus heute geleistet. Solche Beiträge sind notwendig, wie auch der vom Autor in Berlin eingeforderte Widerstand angesichts eines BlackRock-Kanzlers Friedrich Merz.
Buchtipp:
Werner Rügemer: «BlackRock Germany – Die heimliche Weltmacht, ihre Praktiken in Deutschland und Friedrich Merz»
Hintergrund Verlag Berlin 2025. 112 Seiten; ISBN 978-3-910568-17-4; 14,80 Euro
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