Das Interview ist brisant, und die Aussage weit über Deutschlands Grenzen hinweg von Bedeutung: Nach Ansicht des Bonner Top-Virologen Hendrik Streeck war der von der Politik verhängte Lockdown «womöglich unnötig».
Im Interview mit der Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) kritisiert Streeck, Direktor des Instituts für Virologie der Universitätsklinik Bonn, die Entscheidungen der Politik aus wissenschaftlicher Sicht: «Wir sehen sehr, sehr viele asymptomatische Fälle, also Infektionen ohne Folgen. Das lässt uns die Gefährlichkeit des Virus zunehmend besser einschätzen. Ich glaube auch weiterhin nicht, dass wir am Ende des Jahres in Deutschland mehr Todesfälle als in anderen Jahren gehabt haben werden.»
Besonders brisant: Bereits nach dem ersten Verbot von Großveranstaltungen im März 2020 seien die Infektionszahlen bereits gesunken. «Die weiteren Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen hätte ich dann vom tatsächlichen Verlauf abhängig gemacht, auch um zu sehen, wie die einzelnen Beschränkungen wirken und ob zusätzliche Schritte wirklich nötig sind», erklärte der Virologe gegenüber der NOZ.
Obwohl die Daten belastbar waren, seien diese gezielt ignoriert worden, moniert Streeck. «Zu meiner Überraschung sind auch und gerade Wissenschaftsjournalisten darauf angesprungen, von der Tagesschau über Die Zeit bis zur Süddeutschen Zeitung. Ich weiß nicht, woran es lag. Es war eine unglückliche Gemengelage zwischen Politik, journalistischen Fehden und Angst».