(eb) Die Unsicherheit in Zeiten von Corona wächst. Viele leben in Angst, kommen mit Maskenzwang und Isolierung nicht zurecht oder fühlen sich ausgegrenzt, weil sie eine andere Meinung als die offizielle vertreten. Die Praxis für Gesundheitskultur in Ebnet, einem Stadtteil von Freiburg im Breisgau, hat sich der Hilfe zur Selbsthilfe verschrieben. Unter dem Motto «Corona und WIR» lädt sie zu einem «Dialog im Wald» ein. Hier können Menschen ins Gespräch kommen, um mit den Auswirkungen der Corona-Massnahmen einen Umgang zu finden und ihre Sichtweisen, Gefühle und Erfahrungen teilen, ohne dafür verurteilt zu werden.}
Aller Anfang ist grün, nicht schwarz.
Durch das dichte Geäst der umstehenden Bäume blinzelt eine verschlafene Sonne und lässt den Schwarzwald licht und freundlich erscheinen. Obwohl er seine Laubbaum-Lieblichkeit längst gegen das Dunkel von Fichten und Tannen eintauschen musste, wirkt er einladend, beruhigend und tröstlich. Diesen Effekt will Ulrike Fahlbusch nutzen. Die Quereinsteigerin in den Sozialbereich, von Haus aus Industriekauffrau, ist die Initiatorin von «Dialog im Wald». Ihre «Praxis für Gesundheitskultur» betrachtet sie als Lebensaufgabe. Dort bietet sie Gesundheitsdienstleistungen an, die nicht in den Katalogen der Krankenkassen zu finden sind, die aber jedermann helfen können, den Alltag stärker und gelassener zu bewältigen. Von Tanz über Klang, vom Atmen über Körpersprache – es sind unorthodoxe, der Einheit von Körper und Geist verschriebene Techniken und Methoden, von denen sie sich Erfolg verspricht.
Je weiter die Corona-Krise fortgeschritten war, desto deutlicher habe sie die negativen Nebeneffekte gespürt:
«Mir wurde klar, dass die Einschränkungen und Kontaktverbote die psychosoziale Gesundheit und den Zusammenhalt in der Gesellschaft schädigen werden.»
Menschen brauchen Menschen, um gesund zu bleiben.
Dass all das nun nichts mehr zu bedeuten hätte, habe sie nicht hinnehmen wollen. Sie habe etwas tun müssen, etwas, «um Zuversicht und Mut zu stärken in dieser Zeit». Das Resultat dieser Überlegungen war der «Dialog im Wald», den sie nun in vierzehntägigem Turnus anbietet, und an dem Menschen jeden Lebensalters, jeder Konfession und jeden Corona-Standpunkts teilnehmen können.
Wald und Dialog, Stille und Gespräch sind keine Gegensätze.
Sie bedingten einander. So böte der Wald seinen Besuchern eine Plattform, Worte zu finden, die nicht zwingend ausgesprochen werden müssen. Mit seiner Beständigkeit und seinem Gleichmut beruhige er, und er schaffe Raum: Raum für eigene Gedanken, Raum, um genug Platz zu haben, diese auch zu sortieren, Raum für Neues.
Ulrike Fahlbusch macht keinen Hehl daraus, inzwischen einen «echten Dialog» in Deutschland zu vermissen. Sie erklärt:
«Ein Dialog ist ein respektvoller, achtsamer und vielschichtiger Austausch. Er ist die Grundlage für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, für das ‚Funktionieren‘ der Demokratie und eigentlich unabdingbar.»
Und diese Offenheit und Vielfalt am Verschwinden zu sehen, sei schmerzlich gewesen. Sie habe immer öfter Menschen getroffen, die nicht mehr wagten, ihr im Gespräch direkt zu sagen, was sie denken. Sie habe viel Misstrauen erlebt, aber auch Einsamkeit, oft Ratlosigkeit bis hin zu Ohnmacht und Wut. Der «Dialog im Wald» sei die Antwort auf die Frage gewesen, was gegen die von aussen auferlegten Begrenzungen helfen, was lindern könnte. «Es sind die Elemente Begegnung und Achtsamkeit, Selbstwirksamkeit und Kreativität sowie Natur», erläutert sie.
Fahlbusch sieht sich als Begleiterin, damit die Menschen, die zu ihr kommen, ihre «Masken» ablegen und herausfinden können, was sie wirklich wollen. Raum für kreative gemeinschaftliche Erfahrungs- und Entfaltungsmöglichkeiten seien dabei wesentlicher Bestandteil. Beim «Dialog im Wald» lädt sie die Teilnehmer dazu ein, während des zweieinhalbstündigen, gemeinsamen Schweigespaziergangs durch den Wald kleine Dinge zu sammeln und diese mit zum Zielort des Spaziergangs zu nehmen, der sich auf einem Plateau befindet. Dort würden die Fundstücke in kreativer Weise arrangiert. Über das Betrachten kämen die Teilnehmenden dann zwanglos ins Gespräch.
Beim «Dialog im Wald» gehe es ihr in erster Linie darum, Brücken zu bauen, betont Fahlbusch. Sie habe beobachtet, wie das Thema Corona sogar Familien gesprengt und langjährige Freundschaften zerstört habe. Verhärtete Fronten und innere Zerrissenheit aber seien nicht die Basis, miteinander ins Gespräch zu kommen – weder im Privatleben noch in einer Demokratie. Sie ist der Überzeugung, dass es mehr denn je Möglichkeiten des respektvollen Austauschs brauche:
«Der Wald bietet hierfür den passenden Rahmen: einen offenen Raum, in dem wir im achtsamen Miteinander Kraft und Zuversicht schöpfen können.»