Wir leben in unsicheren Zeiten. Es ist ein wenig eine Welt zusammengebrochen
Markus Ritter, Bundesratskandidat
Liebe Leserinnen und Leser
Am 12. März finden in der Schweiz dei nächsten Bundesratswahlen statt. An diesem Tag wird die sonst eher langweilige Politik der Schweiz spannend. Die Kameras sind auf das Parlament gerichtet. Als Schüler versuchte ich, am Tag der Bundesratswahlen zu schwänzen und fernzusehen. Später behalf man sich im Büro mit einem Taschenradio oder einem Walkman und heute schaut man aufs Smartphone oder auf den Computer, um die Parlamentssitzung live zu verfolgen.
In der Schweiz spiegeln sich die Kräfteverhältnisse des Parlaments in der Regierung, dem Bundesrat, wider. Dieser besteht aus sieben Mitgliedern, die fix auf vier Jahre gewählt werden. Tritt ein Mitglied zurück, gibt es eine Nachwahl für den Rest der Legislatur. Am nächsten Mittwoch entscheidet sich nun, wie es nach dem überraschenden Rücktritt der NATO-freundlichen Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte, Wallis) weitergeht. Ich habe verschiedentlich darüber berichtet (siehe hier, hier, hier und hier, weitere Links in den Beiträgen), wie Amherd die Schweiz in ihrer Amtszeit näher an die NATO heranführte.
Das Neutralitätsrecht wurde zwar eingehalten und eine NATO-Mitgliedschaft ist nach wie vor Tabu – es bedürfte dafür einer Volksabstimmung, bei der sowohl eine Mehrheit des Volkes wie der Kantone zustimmt – aber die Schweiz wurde seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine nicht mehr als eigenständiger Akteur, sondern quasi als im Seitenwagen der NATO wahrgenommen. Neutralität ist auch ein Wahrnehmungsproblem.
Dann folgte im Februar ein abrupter außenpolitischer Kurswechsel, wie es ihn in der Schweiz nicht oft gibt – ich habe hier darüber berichtet –, in Richtung einer etwas strikteren Neutralität. Zwar macht die Schweiz immer noch praktisch voll mit bei den Russland-Sanktionen, aber im Unterschied zu anderen europäischen Spitzenpolitikern hat Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter die Rede des US-Vizepräsidenten J.D. Vance in München ausdrücklich begrüßt und ist auch nach starker Kritik nicht von ihrer Einschätzung abgerückt.
Kritik an Amherd war lange Zeit praktisch tabu. Die erste Verteidigungsministerin! Nach ihrem Rücktritt bricht sie sich nun im Zusammenhang mit den plötzlichen Abgängen des Armeechefs Thomas Süssli und des Geheimdienstchefs Christian Dussey Bahn. Ich fasse zusammen:
Ihre Personalpolitik wird als unqualifiziert und von Vetternwirtschaft geprägt bezeichnet. Den Spitzendiplomaten Jean-Daniel Ruch ließ sie nach Vorwürfen, die sich nicht bestätigten, fallen – der Neutralitätsbefürworter war minder genehm, wie man im katholischen Wallis sagen würde. Genauso hat sie den fähigen Vorgänger des jetzt zurückgetretenen Nachrichtenchefs entlassen.
Amherd hat sich mehr um Außenpolitik gekümmert. Bei der Beschaffung und Führung des Departements gibt es schwere Mängel. Die Beschaffung des US-Kampfjets F-35 scheint ein Milliarden-Desaster zu werden, zumal Amherd eine sehr großzügige Offerte des französischen Herstellers Rafale zurückwies.
Was nun? Der Ablauf der Parlamentssitzung vom nächsten Mittwoch ist genau geregelt. Zuerst wird Amherd mit großem Lob verabschiedet, dann gibt es einige Voten und dann wird gewählt. Der Sitz «gehört» der Mitte-Partei. Diese hat zwei Kandidaten nominiert, den St. Galler Biobauer, gläubigen Christen und Chef des mächtigen Bauernverbandes, Markus Ritter, sowie Oberst Martin Pfister, im Hauptberuf Zuger Regierungsrat (kantonaler Minister). Es ist zu erwarten, dass das Parlament einen der beiden Kandidaten wählt und nicht auf einen Außenseiter setzt.
In Sachen Neutralität und Außenpolitik unterscheiden sich die beiden nur in Nuancen. Beide bekennen sich grundsätzlich zur Neutralität, wobei Ritters Bekenntnis deutlicher ist. Pfister macht mehr Wenn und Aber geltend und lässt das Stichwort «Interoperabilität» fallen, was aufhorchen lässt. In Bezug auf die bilateralen Verträge, die die Schweiz mit der EU ausgehandelt hat, äußert sich hingegen Pfister deutlich positiv, während Ritter mit einer Stellungnahme abwartet.
Dass sich die Zeiten ändern, scheint klar. Was gleich bleibt: Die Bundesratswahl bleibt spannend und die ganze Schweiz wird zusehen. Da der neue Mann wohl das Verteidigungsministerium übernehmen muss, ist die Wahl auch ein außenpolitischer Vorentscheid.
Bleiben Sie uns, geneigte Leserin, geneigter Leser, gewogen!
Daniel Funk