Das Schwarze Meer grenzt an die Türkei, die Ukraine, Bulgarien, Georgien, Rumänien und Russland und ist durch die türkisch kontrollierten Meerengen Bosporus und Dardanellen mit der Welt verbunden. Dieses Binnenmeer ist seit jeher eine brenzlige geostrategische Passage, umso mehr in der gegenwärtigen Krise. Ihre Nutzung unterliegt internationalen Standards, die im Sommer 1936 in Montreux festgelegt wurden und noch heute gelten.
Bewaffnete Flotten von Ländern ohne Küste an diesem Meer haben nur eingeschränkten Zugang. Wie lange noch? Diese Frage ist seit dem russischen Angriff auf die Ukraine noch schwieriger geworden. Die Ukraine hat die Türkei aufgefordert, das Abkommen aufzugeben und der russischen Flotte die Durchfahrt zu verweigern.
Im instabilen Klima der Zwischenkriegszeit wollten mehrere Mächte ein solches Abkommen: Australien, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Japan, Rumänien, die Sowjetunion, Grossbritannien und Jugoslawien. Das faschistische Italien war nicht mit von der Partie; die USA schickten nicht einmal Beobachter.
Die Norm galt dennoch für alle Länder und gilt auch heute noch. Die Türkei hält daran fest. Sie ist es, die Schiffe passieren lässt oder nicht. Handelsschiffe haben freien Zugang, sind von Mautgebühren befreit, unterliegen allerdings einer Tonnagebegrenzung.
Dasselbe gilt für Militärschiffe aus Nicht-Küstenstaaten. Diese sind verpflichtet, ihre Durchfahrt sechs Tage im Voraus bei der Türkei anzumelden. Maximal neun dieser Schiffe dürfen gleichzeitig passieren, und nur für eine Dauer von maximal 21 Tagen. Flugzeugträger und U-Boote dürfen die Meerengen nicht überqueren.
In den letzten Jahren gab es jedoch einige Ausnahmen zugunsten Russlands, das sich auf Wartungsarbeiten berief, die in der schriftlichen Vereinbarung vorgesehen sind. Dies hat die Amerikaner sehr verärgert, die ihre Armada ungehindert vor die russischen und ukrainischen Küsten schicken wollen. Daher die seit Januar 2022 starke Versuchung der USA, eine Revision des Übereinkommens von Montreux zu fordern – das sie zwar nicht unterzeichnet haben, aber dessen Auswirkungen sie sehr wohl zu spüren bekommen.
Paradoxerweise möchte auch die russische Seite eine Überarbeitung und Lockerung des internationalen Abkommens zu ihren Gunsten. Der Zugang seiner Kampfschiffe vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer ist für Russland eine strategische Priorität.
Das Thema wird in Ankara heftig diskutiert, aber eher aus wirtschaftlichen als aus militärischen Gründen. Denn die Regierung Erdogan plant einen neuen Kanal in der Nähe von Istanbul, um den Transit zu entlasten und zu erhöhen. Es wurde diskutiert, das Montreux-Abkommen nicht auf ihn anzuwenden, damit Mautgebühren erhoben werden können – wie es beim Suez-Kanal der Fall ist, wo Ägypten Milliarden einnimmt. Bis diese Passage in Betrieb genommen wird, werden jedoch noch viele Jahre vergehen. Die innen- und aussenpolitische Lage kann inzwischen noch viele Überraschungen bereithalten.
Die Macht, die Erdogan heute hat, ist sowohl beträchtlich als auch peinlich: Wenn er sich dazu entschliesst, grosse bewaffnete Einheiten passieren zu lassen, ist er auf die Gunst der USA, aber auch Russlands angewiesen, das aus politischen Gründen riesige US-Flugzeugträger vor seinen Küsten fürchtet (…).
Die US-Streitkräfte verfügen über alle Mittel, um jedes noch so weit entfernte Ziel zu erreichen. Die Rolle der Türkei heute, die die russische Invasion verurteilt und der Ukraine bewaffnete Drohnen zur Verfügung gestellt hat, ist noch nicht klar.
In den letzten Monaten sind mehrere russische Kriegsschiffe und sogar ein U-Boot – entgegen der Konvention – vom Mittelmeer aus ins Schwarze Meer gelangt. Einige befinden sich seit dem Angriff vom 24. Februar vor Odessa, wo es zu Explosionen kam und wo die Stromversorgung teilweise unterbrochen ist, ebenso wie das Telefonnetz.
Die Kontrolle über das Schwarze Meer sowie das angrenzende Asowsche Meer ist historisch eine strategische Priorität Russlands. Montreux-Konvention hin oder her.
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Dieser Artikel wurde uns von Bon pour la tête zur Verfügung gestellt, dem führenden alternativen Medium der französischsprachigen Schweiz. Von Journalisten für wache Menschen.