Vor kurzem kehrte der Autor Georgios N. Papathanassopoulos nach rund einem Jahrzehnt in sein Elternhaus zurück. Das einst lebendige Gebäude aus den 1930er-Jahren, in dem Festlichkeiten, Gespräche und Kinderspiele den Alltag prägten, ist heute verlassen. «Ein Kloß stieg mir im Hals hoch», schreibt er, als er die Räume durchschritt und Erinnerungen an die Großmutter, die ihm das Lesen beibrachte, und an den Garten mit Rosen und einem Granatapfelbaum aufkamen – Symbole einer verlorenen Welt, die einst seine Familie vereinte.
Ein prägendes Erlebnis in diesem Haus war für den Autor eine Begegnung mit einem Rotkehlchen. Das Tier, das in einem Käfig gehalten wurde, starb an seinen Verletzungen, nachdem es verzweifelt versucht hatte, auszubrechen. Für Papathanassopoulos symbolisiert diese Tragödie den Wert der Freiheit – «lieber eine Stunde in Freiheit als vierzig Jahre in Gefangenschaft», erinnert er an die Worte des Schriftstellers und Revolutionärs Rigas Feraios. Es ist eine Metapher für die unaufhaltsame Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, die nicht nur Vögel, sondern auch Menschen und Nationen antreibt.
Papathanassopoulos hebt hervor, wie entscheidend die Verbindung zur Vergangenheit für das Überleben von Kulturen ist. Für Griechenland, ein Land mit einer reichen und langen Geschichte, sind Traditionen, religiöse Feiern und nationale Denkmäler essenziell. Sie tragen zur Bewahrung der kulturellen Identität bei und stärken den Widerstand gegen Versuche der Assimilation oder des kulturellen Vergessens.
Versuche, nationale Erinnerungen auszulöschen, gibt es in vielen Ländern. Die Briten etwa versuchten, die irische Identität durch das Verbot der irischen Sprache und die Anglisierung von Ortsnamen zu untergraben. Die schrittweise Reduktion des Geschichtsunterrichts und dessen Integration in ein anderes Fach in der Schweiz gehen ins gleiche Kapitel. Doch der Widerstand der Iren – durch geheime Schulen und die Bewahrung ihrer Kultur – zeigt, wie unbezwingbar der Geist der Erinnerung sein kann.
Die Unterdrückung von Erinnerungen ist kein rein europäisches Phänomen. Papathanassopoulos verweist auf die Französische Revolution, die versuchte, die Religion auszulöschen, oder auf die Sowjetunion, wo Kirchen zerstört und religiöse Praktiken verboten wurden. Diese Beispiele zeigen, wie totalitäre Regime systematisch versuchen, Geschichte und Identität zu eliminieren, um ihre Macht zu sichern.
Diese Verantwortung, die Erinnerungen und das Wissen der Vorfahren zu bewahren und weiterzugeben, sei laut Papathanassopoulos ein Akt des Widerstands gegen die kulturelle Auslöschung. Es ist auch ein Aufruf an alle, die in einer sich schnell wandelnden Welt leben: Bewahrt die Vergangenheit, um die Zukunft zu sichern.
Erinnerungen sind nicht nur persönliche Schätze, sondern auch ein kollektives Erbe, das Gemeinschaften und Nationen in ihrer Identität stärkt. Sie sind der Beweis dafür, dass selbst in Zeiten der Dunkelheit das Licht der Vergangenheit den Weg weist.