Wie erwartet stoßen die Pläne des deutschen Bundesinnenministeriums für ein neues «Sicherheitspaket», über die Transition News kürzlich berichtete, auf Kritik «von allen Seiten». Die mutmaßliche Missachtung von Grundrechten durch die erweiterten Polizeibefugnisse wird dabei genauso bemängelt wie der potenzielle Einsatz von Palantir-Software.
Dessen ungeachtet schickt sich der Chef der Behörde, Alexander Dobrindt, jetzt sogar an, sein fragwürdiges Überwachungsarsenal erneut auszuweiten. Der Staat soll noch tiefer und noch einfacher in die Privatsphäre der Bürger eindringen dürfen.
Dobrindts Entwurf für ein neues Bundespolizei-Gesetz ist so bemerkenswert, dass er auch in ausländischen Medien Beachtung findet. Reclaim The Net bringt sein Erstaunen über Deutschlands «Abkehr vom Schutz der Privatsphäre» zum Ausdruck, insbesondere vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung des Landes mit Überwachungsstaaten.
Sogenannte Staatstrojaner, also staatliche Hacker-Software, dürfen in Deutschland bereits benutzt werden – mit richterlicher Genehmigung und nur bei schweren Straftaten. Jetzt soll die Bundespolizei nach dem Willen Dobrindts aber sogar präventiv und ohne begründeten Tatverdacht in Smartphones oder Computer eindringen dürfen, um dort mitzuhören und mitzulesen.
In § 35 des Gesetzentwurfs heißt es, die Bundespolizei könne personenbezogene Daten «mit den besonderen Mitteln» erheben über:
«Personen, deren individuelles Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums Straftaten (...) begehen werden»
Bei besagter Erhebung ist die Verschlüsselung von Daten und deren codierte Übertragung logischerweise ein Hindernis, denn genau das ist ja deren Zweck. Das Ministerium schreibt diesbezüglich zur gewünschten Überwachung der Telekommunikation (TKÜ):
«Mittels der Quellen-TKÜ wird die Kommunikation erfasst, bevor diese verschlüsselt wird, oder nachdem diese entschlüsselt wurde. Angesichts zunehmender Verschlüsselungen ist die Befugnis zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung zentral, um Telekommunikationsüberwachung durchführen zu können.»
Auch andere Änderungen betreffen die Erweiterung von Befugnissen bei gleichzeitiger Reduzierung von unabhängigen Kontrollinstrumenten, wie die Anhörung des Bundesdatenschutzbeauftragten in bestimmten Fällen. Sämtliche Passagierdaten von Flügen über die Schengen-Außengrenzen sollen die Fluglinien künftig grundsätzlich und ohne die bisher notwendige Anordnung an die Bundespolizei übermitteln. Beim Filmen mit Bodycams, dem Scannen von Kfz-Kennzeichen oder dem Führen einer DNA-Referenzdatenbank werden die Kompetenzen ebenfalls ausgeweitet.
Reclaim The Net konstatiert:
«Das Land, das die Überwachung einst als demokratischen Fremdkörper behandelte, schreibt jetzt ein Regelwerk, wie man sie effizienter macht. Wenn das Gesetz verabschiedet wird, wird es eines der letzten politischen Vermächtnisse begraben, auf das Deutschland noch stolz sein könnte.»