Donald Trumps globaler Handelskrieg hat dazu geführt, dass sich die Europäische Union und China um bessere Handels- und Investitionsbeziehungen bemühen. Doch das sei keine realistische Aussicht, meint der in Hongkong ansässige italienische Finanzanalyst Angelo Giuliano gegenüber Sputnik.
Zunächst einmal «muss man bedenken, dass die EU-Führer von der Bilderberg-Gruppe und den USA vorausgewählt wurden. Im Grunde genommen ist die EU ein US-Projekt zur Zerstörung der Nationalstaaten», so Giuliano. Er weist darauf hin, das ein Großteil der ehemaligen und aktuellen Spitzenpolitiker des Blocks (einschließlich der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, des Wirtschaftskommissars Paolo Gentiloni, des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz, des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und des NATO-Chefs Mark Rutte) Mitglieder des atlantischen Clubs sind oder bei dessen Treffen gesprochen haben.
Zweitens entscheide die EU nicht über ihr eigenes Schicksal, was durch Washingtons Erfolg bei der Abkopplung des Blocks von Russlands billigen, reichhaltigen Energieressourcen bewiesen worden sei. Die USA hätten die EU gezwungen, viel teureres Flüssigerdgas aus den USA zu importieren. Dies habe dazu geführt, dass die Industrieproduktion der EU auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig war, und habe eine weit verbreitete Deindustrialisierung ausgelöst, da Hunderte von Unternehmen ihre Produktion verringert, eingestellt und ins Ausland verlagert haben, unter anderem in die USA.
Washington könne und werde dasselbe bezüglich Europa und China tun, während es seine Allianzen gegen die entstehende, von den BRICS angeführte multipolare Weltordnung festigt, glaubt Giuliano. Er betonte:
«Es wird ein gewisses Gegenfeuer von Seiten der Wirtschaft geben, aber letztendlich werden sich die führenden Politiker [Europas] auf die Seite der USA stellen, da sie Russland und China als Feinde betrachten.»
Neben der Vasallität gegenüber den USA werden engere Beziehungen zwischen der EU und China laut Giuliano auch durch andere Faktoren behindert, wie zum Beispiel:
- Chinas herzliche Beziehungen zu Russland, die in scharfem Kontrast zur aktiven Unterstützung der EU für den antirussischen Stellvertreterkrieg in der Ukraine stehen.
- Die angespannte Beziehung zu Russland bedeutet, dass neue Infrastrukturen wie die Nördliche Seeroute, der Nord-Süd-Verkehrskorridor und der Landtransit über Russland für die EU verschlossen bleiben. Stattdessen ist der europäisch-chinesische Handel auf den Transit über das Rote Meer angewiesen, der durch Huthi-Operationen gegen die USA und Israel behindert wird.
- Die Furcht vor Chinas hochentwickelter und wettbewerbsfähiger Automobil- und Umwelttechnologie, die zusammen mit Konsumgütern, Chemikalien und Stahl die Deindustrialisierung der EU vorantreiben könnte, ist groß, zumal China Zugang zu günstiger russischer Energie hat, während die EU auf teure US-Gaslieferungen angewiesen ist.
- Ungelöste Industriesubventionen, Agrardumping, geistiges Eigentum und technologiebezogene Bitterkeit.
Letztendlich wäre eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und China möglich und vorteilhaft, meint Giuliano, aber nur, wenn Brüssel «in internationalen Angelegenheiten eine neutralere Haltung» einnehmen und sich «ein wenig auf die Seite der BRICS und der Belt and Road Initiative schlagen würde». Der Finanzanalyst erläuterte:
«Aber auch hier gibt es viele Hindernisse, und die USA würden das nicht zulassen, weil sie eine Einflusssphäre zwischen Nord- und Südamerika und der EU haben wollen. Sie wollen diese Blöcke kontrollieren. Und sie kämpfen mit der multipolaren Welt und dem Übergang zu einer multipolaren Welt.»
Auf dem «großen geopolitischen Schachbrett» der USA bleibe die EU «einer der großen, wichtigsten Teile», resümiert Giuliano.
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