Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt eine Schlüsselrolle im globalen Gesundheitsmanagement zu, und mit dem Pandemievertrag von 2024 sollte ursprünglich ein Rahmen geschaffen werden, der die internationale Zusammenarbeit in Krisenzeiten stärkt. Die gute Nachricht kam vor einer guten Woche: Dieser Vertrag, der im Verdacht steht, die Souveränität und die Gewaltenteilung bei seinen Mitgliedern auszuhöhlen, ist noch nicht zustande gekommen. Die WHO will ihn erst an der nächsten Weltgesundheitsversammlung im Mai finalisieren.
Doch nun kommt die schlechte Nachricht: die jüngste Version des Abkommens, die am 14. November 2024 an die Öffentlichkeit durchsickerte, zeigt genau diese besorgniserregende Tendenz: Anstelle von freiwilligen Kooperationen und einem offenen Dialog zwischen souveränen Staaten scheint das Abkommen auf die Schaffung eines zentralisierten, globalen Kontrollmechanismus hinauszulaufen, wie eine juristische Analyse der ABF Schweiz zeigt. Diese Entwicklung könnte die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten erheblich einschränken – insbesondere für Länder wie die Schweiz, die traditionell Wert auf ihre Unabhängigkeit und direkte Demokratie legen.
1. Verbindlichkeit des Pathogen-Zugangs (Artikel 12)
In der Version vom Mai 2024 war das Teilen von Pathogenen und genetischem Material lediglich eine Empfehlung. In der überarbeiteten Fassung vom November 2024 jedoch wird das Pathogen Access and Benefit-Sharing System (PABS) eingeführt, das Mitgliedstaaten zur obligatorischen Zusammenarbeit verpflichtet, indem sie Pathogene und genetisches Material innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens teilen müssen.
Juristisch gesehen könnte dies dazu führen, dass Staaten ihre nationalen Gesetze ändern müssen, um die Anforderungen des PABS zu erfüllen, was zu Konflikten mit nationalen Sicherheitsinteressen oder Biopatenten führen könnte. Besonders besorgniserregend ist der mögliche Hintergedanke, dass technologische und biotechnologische Ressourcen von Ländern mit hohem Potenzial – wie der Schweiz – für multinationale Akteure zugänglich gemacht werden sollen. Dies könnte zu einer systematischen Verschiebung von Wettbewerbsvorteilen zugunsten globaler Player führen und nationale Interessen gefährden.
2. Nationale Souveränität vs. Internationale Verpflichtungen (Artikel 1 und 2)
Während die Mai-Version des Abkommens die nationale Souveränität bei der Umsetzung der Pandemiepräventionsmaßnahmen betonte, bringt die Version von November 2024 neue Klauseln ins Spiel, die Staaten stärker an internationale Standards binden. Dies könnte zu erheblichen Konflikten führen, wenn nationale Gesetze im Widerspruch zu den internationalen Vorgaben stehen. Für Länder wie die Schweiz, die auf nationale Gesetzgebung und direkte Demokratie setzt, könnte dies eine dramatische Einschränkung der politischen Entscheidungsfreiheit bedeuten. Insofern deutet alles darauf hin, dass der WHO-Pandemievertrag ein Baustein für die Schaffung einer globalen Governance-Struktur ist.
3. Einführung eines Streitschlichtungsmechanismus (Artikel 25)
In der ursprünglichen Version war keine detaillierte Regelung zur Streitbeilegung enthalten. Das heißt: wer sich nicht daran hält, hat vorerst nicht viel zu befürchten. In der November-Version wird nun ein formalisiertes Schlichtungsverfahren vorgeschlagen, das Staaten bei Konflikten zu einem verbindlichen Mechanismus zwingt. Dieser könnte zu einer weiteren Einschränkung nationaler Souveränität führen, insbesondere wenn Entscheidungen des Schlichtungsgremiums für nationale Gesetzgeber bindend sind. Ein solches System könnte genutzt werden, um globale Interessen gegen nationale Widerstände durchzusetzen. Für die Schweiz, die ihre Unabhängigkeit und Neutralität hochhält, stellt dies eine potenzielle Gefahr dar.
4. Vorrang internationaler Abkommen (Artikel 26)
In der Version von Mai 2024 war nur allgemein auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, dass das Pandemieabkommen mit anderen internationalen Abkommen kompatibel sein sollte. Die neue November-Version geht jedoch weiter und stellt klar, dass das Pandemieabkommen Vorrang vor nationalem Recht haben könnte. Juristisch bedeutet dies, dass nationale Gesetzgeber verpflichtet wären, widersprüchliche nationale Gesetze aufzuheben oder anzupassen. Besonders heikel wird diese Klausel im Hinblick auf Themen wie Datenschutz und Biopatentschutz. Für ein Land wie die Schweiz, das in diesen Bereichen hohe Standards hat, würde dies eine massive Einschränkung der Entscheidungsfreiheit auf nationaler Ebene bedeuten.
5. Verpflichtung zur Ressourcenbereitstellung (Artikel 20)
Die Mai-Version hatte die Bereitstellung von Ressourcen als freiwillig deklariert. Die überarbeitete Version vom November 2024 jedoch führt eine Verpflichtung zur Finanzierung eines globalen Fonds für Pandemieprävention und -reaktion ein. Diese Verpflichtung könnte zu Konflikten mit nationalen Haushaltsgesetzen und Steuerzahlerinteressen führen. Es besteht die Befürchtung, dass dieser Fonds nicht nur als Präventionsinstrument dient, sondern auch als Umverteilungsmechanismus genutzt wird, um finanzielle Lasten auf reiche Länder wie die Schweiz zu verlagern.
6. Verpflichtung zur Bekämpfung von Fehlinformationen (Artikel 18)
Ein besonders kontroverser Punkt in der neuen Version des Abkommens ist die Verpflichtung, nationale Mechanismen zur Überwachung und Bekämpfung von Fehlinformationen einzuführen. Diese Regelung könnte die Meinungsfreiheit und Pressefreiheit in Gefahr bringen, wenn Regierungen unter dem Deckmantel der Pandemievorsorge beginnen, kritische Stimmen zu unterdrücken. Die Schweiz, die sich traditionell durch ihre hohe Meinungsfreiheit und freien Medien auszeichnet, könnte in dieser Hinsicht vor einer massiven Herausforderung stehen.
7. Verpflichtung zur Anpassung nationaler Regelungen an globale Standards (Artikel 6 und 10)
Die neue Version des Abkommens fordert die Anpassung nationaler Gesundheits- und Produktionssysteme an internationale Vorgaben. Dies könnte dazu führen, dass Staaten wie die Schweiz regulatorische Änderungen vornehmen müssen, die insbesondere Unternehmen und die Zulassung von Medikamenten betreffen. Für die lokale Wirtschaft könnte dies eine zusätzliche Belastung darstellen, die zu höheren Compliance-Kosten führt und möglicherweise Innovationen behindert.
8. Einführung einer Konferenz der Parteien (Artikel 21)
Eine weitere zentrale Neuerung der November-Version ist die detaillierte Beschreibung der Konferenz der Parteien (COP). Diese könnte verbindliche Entscheidungen treffen, die direkt auf Mitgliedstaaten durchgreifen, was die legislative Freiheit nationaler Parlamente erheblich einschränken würde. Besonders problematisch ist, dass dieses Gremium nicht demokratisch legitimiert ist und eine faktische Schattenregierung darstellen könnte, die ohne echte Mitsprache der Mitgliedstaaten Entscheidungen trifft.
Vorläufiges Fazit
Die jüngste Version des WHO-Pandemievertrags zeigt eine klare Tendenz zur Aushöhlung nationaler Souveränität zugunsten eines zentralisierten globalen Systems. Besonders für die Schweiz, die traditionell auf ihre Unabhängigkeit und direkte Demokratie setzt, könnte dies eine erhebliche Herausforderung darstellen. Der Vertrag könnte eine stille Machtverschiebung in Richtung supranationaler Organisationen und multinationaler Akteure einleiten, die Entscheidungen treffen, ohne dass nationale Interessen ausreichend berücksichtigt werden. Die bevorstehenden Verhandlungen und die potenzielle Unterzeichnung des Abkommens im Jahr 2025 werden daher entscheidend sein – sowohl für die Zukunft der globalen Gesundheitsordnung als auch für die Wahrung der nationalen Souveränität in der Schweiz und anderen souveränen Staaten.