Die Anpassungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind in der Öffentlichkeit kaum ein Thema. Dabei liegen sie auf dem Tisch und werden bereits am 19. September 2025 rechtskräftig, wenn sie die Schweiz nicht bis zum 17. Juli zurückweist.
Hinter den Kulissen lobbyierte Bundesamt für Gesundheit (BAG)-Direktorin Anne Lévy bei den Parlamentariern und überzeugte diese vorläufig von der Notwendigkeit der Anpassungen und warnte vor einem möglichen Reputationsverlust für die Schweiz, sollte das Land die Änderungen ablehnen.
Kritiker argumentieren jedoch, dass die IGV-Änderungen zu einer Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte, wie der Meinungs- und Pressefreiheit, führen könnten, da die WHO künftig auch gegen abweichende Informationen vorgehen kann. Darüber hinaus würde die Schweiz verpflichtet, finanzielle Mittel für die Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern bereitzustellen.
Sind die Änderungen an den IGV derart harmlos, wie Lévy sagt? In einem Gespräch auf Kontrafunk erläuterte Rechtsanwalt Philipp Kruse gegenüber Schweizerzeit-Redakteur Ulrich Schlüer, warum die WHO durch die IGV-Anpassungen für die Schweiz eine reale Gefahr darstellt.
Die 1948 gegründete, in Genf angesiedelte UNO-Unterorganisation WHO habe den Auftrag, allen Völkern bei Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu helfen, erklärte Kruse. Es handle sich nicht um eine supranationale Organisation. Sie könne deshalb theoretisch nicht von oben herab Dinge mit direktem Durchgriff anordnen. Hat also Lévy recht?
Da sie keine Exekutivgewalt hat, habe die WHO immer wieder Empfehlungen an die Mitgliedstaaten abgegeben. Covid sei aufgrund der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) gemanagt worden, die seit 2007 gelten. Das seien einerseits administrative Vorschriften, andererseits ein völkerrechtlicher Vertrag, macht Kruse deutlich.
Die IGV gäben dem WHO-Generaldirektor die Kompetenz, eine Pandemie auszurufen. Der technische Begriff dazu laute «Internationaler Gesundheitsnotstand von internationaler Tragweite». Der Generaldirektor habe in dieser Sache die alleinige Kompetenz. Es gäbe dabei kein Kontrollgremium. Die Kontrolle würde ausschließlich durch die Weltgesundheitsversammlung, also die Mitgliedsstaaten, ausgeübt.
Es gäbe auch keine Aufsichtsinstanz, die die Handlungen des Generaldirektors auf ihre Wirksamkeit oder Legalität überprüfen könne, zum Beispiel ob das Aufrufen einer «Pandemie» noch gerechtfertigt sei. Verantwortlichkeiten würden ebenfalls fehlen. Die WHO und ihre Organe genössen volle Immunität.
In der Coronazeit hätten diese Richtlinien nie eine Rechtsverbindlichkeit gehabt, so Kruse weiter. Sie seien aber befolgt worden, weil die Staaten die pandemierelevanten Informationen, die sie von der WHO kriegten, sei es aus Panik, sei es aus Inkompetenz, auf der Suche nach einer raschen Lösung für bare Münze genommen hätten.
In seiner Politik und Kommunikation habe sich der Bundesrat, die Schweizer Landesregierung, immer wieder auf die WHO berufen. Aber auch in den Entscheiden der Gerichte sähe man gemäß dem Juristen den Einfluss der WHO. Da diese – so die Argumentation – von einer Pandemie ausgehe, müsse man den Behörden einen erweiterten Ermessensspielraum zubilligen und ein Gericht dürfe erst intervenieren, wenn es sieht, dass Verwaltungsbehörden gegen Empfehlungen der WHO verstoßen hätten.
Wir sähen also einen freiwilligen Kompetenzverzicht sämtlicher Staatsorgane – auch in der Schweiz. Durch die Anpassung der IGV solle eine formelle Verdeutlichung erfolgen, dahin, dass sämtliche Informationen der WHO für alle Staaten maßgeblich seien. Diese würden in Zukunft die Informationen der WHO ihren Entscheidungen zugrunde legen müssen und diese in ihren Staaten durchsetzen.
Schlüer sprach dann die Aufarbeitung an: «Was haben wir falsch gemacht? Wo können wir lernen? Weder in den deutschsprachigen Ländern noch bei der WHO ist das ein Thema. Warum?»
Das seien die Nachwirkungen einer militärisch organisierten Pandemiebekämpfung durch die WHO, antwortete Kruse. Sie habe in ihrer Alleinkompetenz die Gefahrenlage vorgegeben. Am Dogma, wonach Covid der gefährlichste Erreger seit der spanischen Grippe sei, würde somit nicht gerüttelt – und die WHO habe dann die Lösungen vorgegeben – von den Maßnahmen bis zur «Impfung». Die Staaten würden sich offensichtlich noch heute daran gebunden fühlen, wie man es auch in aktuellen Gerichtsurteilen bis heute lesen würde.
Auch wenn es keine Durchsetzungsmechanismen gäbe, würden die Länder das, was von der WHO komme, als verbindlich betrachten , sagte Kruse. Das sei der Grund für den Widerstand aus Regierungskreisen gegen eine Aufarbeitung. Zum Glück gäbe es immer wieder Politiker, die eine solche Aufarbeitung fordern, ergänzte Kruse.
Man müsse die Zweifel offen diskutieren, forderte er. Wir seien immer noch in der Lage, unsere Meinung in der Schweiz frei zu äußern. Die Diskussion erfolge aber mit angezogener Handbremse, ergänzte Kruse. Der größte Vorwurf, den man machen müsse, bestehe darin, dass der Staat die Informationen der WHO permanent und ungeprüft an die Bevölkerung weitergegeben habe und einen Diskurs in den Medien und in der Wissenschaft unterbunden habe. So manipuliere man die öffentliche Meinung. Eine Entwicklung könne so nicht stattfinden. Deshalb sei das Thema immer noch unter einer Käseglocke.
«Warum hat man sich das alles gefallen lassen? Kann man die Leute einfach manipulieren, wenn man ihnen genügend Angst macht?» fragte Schlüer.
Wir wüssten aus der Massenpsychologie, dass man mit Angst Menschen lenken könne, erwiderte Kruse. Das sei falsch, bilanzierte er. Die Bevölkerung müsse sich auf der Basis von korrekten Informationen eine eigene Meinung bilden können. Hier habe die Schweizer Regierung zwar nicht auf breiter Front mitgewirkt, aber trotzdem habe sie das allgemeine Dogma der maximalen Bedrohung durch Covid mitgetragen.
Ziel einer Aufarbeitung wäre die Antwort auf die Frage, ob die Risikobeurteilung und -kommunikation der WHO korrekt gewesen sei. Damit habe alles begonnen, von diesem Punkt an sei alles gesteuert worden, bilanzierte Kruse.
Dann müssten wir, ergänzte er, auch darüber sprechen, was die WHO plane. Sie sei noch immer keine supranationale Organisation. Sie sei das Abbild der Einflussnahme ihrer Mitgliedstaaten. Am stärksten sei der Einfluss der USA und von Kreisen aus den USA, die sich primär auf Impfungen fokussierten. Kruse kam nicht auf die Austrittserklärung der USA zu sprechen, aber im Kontext war zu verstehen, dass der US-Einfluss nicht so schnell verschwinden dürfte.
Wenn man nach der Strategie frage, müsse man sehen, wer die WHO finanziere. In erster Linie zu nennen seien hier die Bill & Melinda Gates Foundation und die Impfallianz GAVI, die sich ebenfalls im Dunstkreis von Bill Gates befinde. Diese beiden Organisation würden den größten Beitrag an die WHO zur Verfügung stellen. Deutlich über 80% des Budgets würden durch private Organisationen bestritten, nicht von den Mitgliedsländern. Und da seien Organisationen dabei, die der Pharmaindustrie sehr nahestünden. Bill Gates sei eine Schlüsselfigur.
Wenn man Gates’ Kommunikation und die der WHO betrachte, dann würde man sagen, die Strategie sei es, möglichst vielen Menschen möglichst viele Impfungen zu verabreichen. Impfen als einzige Antwort auf die gesundheitlichen Problemen der Menschen: das sei das Hauptsteckenpferd der WHO. «Warum wird das nicht öffentlich diskutiert?», fragte Kruse.
«Werden da Möglichkeiten eröffnet oder ist das Zwang? Ist das eine positive Geste eines reichen Mannes oder Strategie», fragte Schlüer.
Bill Gates habe 2019 – immer gemäß Kruse - am World Economic Forum (WEF) erklärt: Investitionen in Impfstoffe seien für ihn die bestmögliche Investition. Da gehe es nicht um Philanthropie, ergänzte der Jurist. Der Impfzwang begänne nicht mit dem Gesetz. Die unfreiwillige Impfung begänne dort, wo wir ohne ausreichende Information unter Druck zu etwas gebracht würden, was wir in voller Kenntnis der wahren Tatsachen nie tun würden. In dieser Dunkelgrauzone hätten wir uns bewegt. Den Menschen sei kein reiner Wein eingeschenkt worden, sie seien getäuscht worden, bilanziert Kruse.
Zwingendes Völkerrecht gebe vor, dass niemandem ohne vollumfängliche Information etwas verabreicht werde, was Experimentalcharakter hat. Dies sei gebrochen worden. Es sei mit psychologischen Tricks und Falschinformationen Marketing gemacht worden. Kruse ging in diesem Zusammenhang auf die Zertifikatspflicht ein, wo Menschen stark unter Druck gesetzt und Ungeimpfte aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen wurden. Zudem seien diese Leute Zielscheibe dezidierter Kritik bis hin zu Verleumdung in den Medien geworden.
«Wie sind die Zukunftsperspektiven?» fragte Schlüer.
Das hänge davon ab, ob wir verstanden hätten, was passiert sei und ob wir ausreichenden Druck aufbauen könnten und sagen würden: «Wir möchten nicht, dass das je wieder passiert. Und wir möchten nicht, dass das in Form der angepassten IGV legalisiert wird», antwortete Kruse.
Zusammengefasst sagt Kruse in etwa folgendes: Wenn die angepassten IGV nicht bis zum 19. Juli zurückgewiesen werden, dann erwächst ihnen im September Rechtskraft. Dann erhält der Generaldirektor erweiterte Kompetenz zur Ausrufung einer Pandemie und was er bestimmt, muss den Handlungen der Regierungen oder den Urteilen der Gerichte zugrunde gelegt werden. Ein Gericht darf dann nicht überprüfen, ob die Beurteilung der WHO korrekt ist – auch wenn diese kein direktes Weisungsrecht hat. Formell ist also das, was Anne Lévy sagt, korrekt. Aber es in höchstem Maße irreführend.
Kruse meint dazu, dass wir somit einen Teil unserer Souveränität aufgeben würden, denn der Bundesrat, die Schweizer Landesregierung, könne immer nur das nachvollziehen, was die WHO vorgeben würde – auch wenn es nicht rechtsverbindlich sei. Dies sei der Taschenspielertrick, mit dem die WHO und der Bundesrat operierten. Es dürfe keine Widersprüche geben in der Politik, in den Medien und in den sozialen Medien.
«Geht das in Richtung Diktatur?» hakte Schlüer nach. Eine eigentliche Diktatur sei das nicht, antwortete Kruse. Es würde nicht einmal eigentliche Weisungsbefugnisse der WHO geben. Aber der springende Punkt liege in der Informationshoheit. Wenn die WHO vom Bedrohungsbild bis zu den Lösungen alles vorgeben könne, und die Regierungen sich verpflichtet hätten, diese Informationen ihrem Handeln zugrunde zu legen, dann habe de facto der Generaldirektor die Macht, alle Staaten in eine bestimmte Richtung zu lenken.
«Was ist zu tun in der direkten Demokratie?» fragte Schlüer. Die Bürger müssten erstens deutlich machen, dass die Erwartungshaltung darin bestehe, die IGV bis zum 17. Juli 2025 zurückzuweisen, so Kruse.
Zweitens müsse Druck in Richtung einer Aufarbeitung gemacht werden. Das habe viel mit Souveränität und Selbstbestimmung zu tun. Wenn wir das nicht täten, würden wir einen sehr wesentlichen Teil unserer Souveränität und Selbstbestimmung abgeben.
Zum Schluss erklärte Kruse, wie das gehen könnte: Wir würden in den Medien viel hören über die neuen bilateralen Verträge, die die Schweiz mit der EU ausgehandelt hat. Hier sei die Gegnerschaft schon heute relativ stark, zum Beispiel in Form der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der Kompassinitiative und der Organisation Pro Schweiz. Dieser Widerstand sei schon sehr stark, bevor diese Verträge überhaupt im Wortlaut vorlägen, geschweige denn, dass es schon konkrete Termine für parlamentarische Debatten oder für ein Referendum gäbe. Kruse:
«Aber für die IGV haben wir einen konkreten Termin», machte Kruse deutlich. «Es sind wenige Monate. Mir ist es ein Rätsel und ich habe kein Verständnis dafür, dass diese (…) Akteure, die das nötige Kleingeld haben, sich auf der politischen Bühne Gehör zu verschaffen, (…) genau dasselbe Themenfeld, die Bedrohung der Souveränität und Selbstbestimmung der Schweiz durch die WHO vollständig ignorieren und bei diesem Thema überhaupt nicht mithelfen.
Ich finde es persönlich unfair, dass wir, (…) die Freiheitsbewegung, zum Beispiel das Aktionsbündnis Freie Schweiz (ABF), uns mit unseren Veranstaltungen – alles pro bono – die Hacken ablaufen müssen (…) und dass wir absolut keine Unterstützung erfahren. Ich kann nur warnen: Wenn der Bundesrat diese Anpassungen nicht zurückweist, (…) wird es sehr viel schwieriger werden, sich der Dominanz der WHO zu widersetzen und aus diesem Machtspiel wieder rauszukommen.
Das möchte ich ganz deutlich an die Adresse der SVP, von Pro Schweiz und an die Adresse der Kompassinitiative gerichtet wissen: Wir brauchen Unterstützung. Sonst werden wir das nicht schaffen.»
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