Die EU kündigte jüngst die Schaffung zweier Fonds in der Größe von nicht weniger als 800 Milliarden Euro an, die der Aufrüstung dienen sollten. In Deutschland hebelte fast gleichzeitig der alte Bundestag die Schuldenbremse aus, um Aufrüstung, Infrastruktur und die Energiewende zu bezahlen.
In diesem Zusammenhang machte die Meldung die Runde, die Europäische Kommission suche nach Wegen zur Mobilisierung der Ersparnisse der EU-Bürger, um dieses Paket zu finanzieren. Zusätzlich steht die Frage im Raum, welche Rolle CBDCs dabei spielen könnten. Sollten hier die Alarmglocken läuten?
Bei der Schaffung der Eurozone wurde vereinbart, dass der Euro eine Gemeinschaftswährung sei, aber keine Schuldenunion. Es gab zu diesem Zweck Grenzwerte betreffend Neuverschuldung und Gesamtverschuldung. Das ist heute toter Buchstabe. Es war zuerst Deutschland, das sich in der Nachkriegszeit für seine finanzielle Stabilität gebrüstet hatte, das unter dem damaligen Bundeskanzler Schröder das Defizitkriterium verletzte und sich gegen das entsprechende Verfahren wehrte. Dann folgte Griechenland. Die Folgen sind bekannt: Im März 2010 war Hellas pleite und musste gerettet werden. Das geschah aber nicht auf traditionelle Art.
Normalerweise saniert man Pleitekandidaten über einen Schuldenschnitt. Die Gläubiger müssen dabei teilweise oder ganz auf ihre Forderungen verzichten. So exerzierte die Regierung unter Kanzler Gustav Stresemann im Herbst 1923 die Sanierung Deutschlands erfolgreich durch. Im Falle Griechenlands war es ausgerechnet Deutschland, das eine solche Lösung ablehnte und die Griechen entsprechend schulmeisterte. Finanzminister Wolfgang Schäuble trat ständig mit dem erhobenen Zeigefinger vor die Kameras.
Die Sanierung lief nur zu einem kleinen Teil über einen Forderungsverzicht und mehrheitlich über neue Schulden. Diese Kredite wurden durch internationale Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem speziell geschaffenen Euro-Rettungsfonds gewährt. Diese Institutionen nahmen dabei Geld an den Finanzmärkten auf, die Euroländer garantierten dieses und Griechenland kam auf diese Weise recht günstig zu neuem Geld und wurde wieder liquide.
Absolut gesehen erhöhten sich dabei die Schulden sehr stark. Relativ gesehen nehmen sie ab. Schulden werden in Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) gemessen. Gibt es Inflation, dann nimmt die Wirtschaftsleistung nominell zu. Da die Schulden nominell gerechnet werden, nehmen sie prozentual zum BIP ab. Da nun in Griechenland die Inflation teilweise die 10-Prozent-Marke ritzte, ging der Schuldenstand im Vergleich zum BIP von etwa 220 Prozent auf etwa 150 Prozent zurück. Liquide Staaten können sich durch Inflation ihrer Schulden entledigen. Das geschah nach dem Zweiten Weltkrieg in beträchtlichem Umfang.
Was Deutschland mit der Aushebelung der Schuldenbremse machen will, ist klar. Das Land will unbegrenzt Geld auf den Finanzmärkten aufnehmen. Das nennt man dann euphemistisch «Sondervermögen» oder «Fonds», aber es sind Schulden. Diese müssen verzinst und zurückgezahlt werden – es sei denn, man nimmt neue Schulden auf, um die alten zu bezahlen, und hofft auf die Wirkung der Inflation. In jedem Fall bezahlt der Bürger, entweder durch Inflation oder weil ein immer größerer Teil des Budgets in den Schuldendienst fließt.
Die EU will das machen, was sie schon mit dem Euro-Rettungsfonds für Griechenland gemacht hat. Sie nimmt an den Märkten Geld auf. Weil Mitgliedsstaaten garantieren, hofft sie auf einen tragbaren Zins. Weil das Verbot der Gemeinschaftsschulden schon bei Griechenland gekübelt wurde, wird man Mittel und Wege finden, dies auch jetzt zu tun. Diese 800 Milliarden werden aber den EU-Ländern nicht geschenkt, sondern in Form von Darlehen abgegeben. Diese müssen verzinst und amortisiert werden – siehe oben.
Wie passt das nun zur Ankündigung, die Europäische Kommission wolle die Ersparnisse der EU-Bürger mobilisieren, um dieses Paket zu finanzieren? Hier kommt die Europäische Investitionsbank (EIB) ins Spiel. Diese verschwiegene Institution, die sich in Luxemburg befindet und die es seit 1959 gibt, soll den Kern einer Spar- und Investitionsunion bilden und ihre Kreditvergabe auf Verteidigungs- und Sicherheitsprojekte ausweiten. Dieses Geld hat die EIB nicht im Keller liegen. Sie nimmt es ebenfalls auf den Märkten auf. Und diese Schuldenpapiere könnten dann in den Depots von privaten Sparern landen. Die Vertretung der Kommission in Deutschland:
«Öffentliche Investitionen allein werden letzten Endes nicht ausreichen, um den Investitionsbedarf der Verteidigungsindustrie zu decken. (…) Sie (die Spar- und Investitionsunion) wird es interessierten Menschen in Europa erleichtern, private Ersparnisse in kritischen Wirtschaftszweigen wie der Verteidigung anzulegen.»
Es geht also NICHT darum, private Sparer zu enteignen oder sie zu zwingen, in eine bestimmte Richtung zu investieren. Jedenfalls ist das im Moment nicht angedacht, obwohl natürlich am Ende der Steuerzahler diese Schulden bezahlt – sei es in Form von Steuern, sei es in Form von Inflation.
Oder doch? Welche Rolle spielen die CBDC in diesem Zusammenhang (im Internet kursieren derartige Videos). Hätte man mir während des Studiums gesagt, dass einmal ernsthaft über etwas Derartiges diskutiert würde, dann hätte ich gesagt, dass eine solche Bieridee es nie weiter als zum Thema eines Ökonomen-Stammtisches bringen würde. Es geht hier darum, dass für die Bürger die Möglichkeit besteht, direkt bei der Zentralbank ein rein digitales Konto zu haben oder dass Geschäftsbanken mit der Zentralbank in dieser Art verkehren (wholesale CBDC).
An sich gibt es in der Schweiz schon heute die Möglichkeit für Privatpersonen, ein Konto bei der Schweizerischen Nationalbank zu eröffnen. Das wird aber kaum genutzt und es handelt sich nicht um eine digitale Form. Wenn Privatpersonen in großer Zahl direkt bei der Zentralbank Kunden sind, dann wird damit das zweistufige Bankensystem konkurrenziert. Dieses ist ein Hauptcharakteristikum einer Marktwirtschaft, weil sie die Vermittlungsfunktion von Geld Privaten überlässt. Die Nationalbank ist für die Geldversorgung zuständig, nicht für Kreditgewährung. Als es vor etwas mehr als dreißig Jahren darum ging, den ost- und ostmitteleuropäischen Staaten eine Marktwirtschaft zu verpassen, wurde praktisch zuerst ein zweistufiges Bankensystem geschaffen.
Damit sind wir beim ersten Problem der CBDC. Würden diese mehr als nur für den Zahlungsverkehr genutzt, würden also Anlagen in großer Zahl zur Zentralbank gezügelt, dann könnte diese auch die Kreditvergabe steuern und zum Beispiel viel Geld in die Rüstung lenken. Die Gefahren einer solchen Politik sind evident. Zentrale Kreditvergabe nach politischen Kriterien hat noch nie funktioniert und ist aus der Phase des Kommunismus noch in böser Erinnerung. In letzter Instanz könnte das zweistufige Bankensystem mangels Einlagen ausbluten oder zusammenbrechen.
Ein zweites Problem besteht darin, dass digitale Zentralbankwährungen programmierbar ausgestaltet werden. Ist dann also möglich, den Zugang zum Geld von bestimmten Faktoren abhängig machen: Man kann bestimmte Produktgruppen sperren oder rationieren, den Zugang vom Impfstatus abhängig machen oder dem Geld ein Verfalldatum verleihen – oder es zwecks Rückverfolgbarkeit der Transaktionen mit einer digitalen ID verbinden.
Diese Bedenken und enormen Gefahren sollten eigentlich dazu führen, dass entsprechende Projekte gar nicht erst in die Realisierungsphase kommen. Die USA haben bereits erklärt, dass sie das entsprechende Projekt abbrechen. In der Schweiz hat sich der seit kurzem amtierende Nationalbankpräsident Martin Schlegel bereits vor einiger Zeit geäußert. Die Schweiz wolle die Technologie, aber nicht die Zentralbankwährung. Was heißt das?
Eine Zentralbankwährung kommt für die Schweizerische Nationalbank (SNB) nicht in Frage. Die genannten Gefahren, die eigentlich bereits einem VWL-Studenten nach zwei Semestern einleuchten sollten, führen dazu, dass es in der Schweiz CBDC für Endkunden bis auf weiteres nicht geben wird. Da die Schweiz weder der EU noch der Eurozone angehört, muss sie hier nicht nachziehen. Auch entsprechender Druck, wie er manchmal wegen der Zinspolitik der SNB ausgeübt wird, dem diese aber bisher widersteht, ist vorderhand nicht zu erwarten.
Die Schweiz hat eine extrem effiziente Finanzinfrastruktur und möchte in diesem Bereich führend bleiben. Deshalb will Schlegel allfällige technologische Neuerungen nutzen – aber nur innerhalb des Bankensystems. Es ist also vorstellbar, dass Banken untereinander und mit der SNB über eine Art CBDC handeln – aber keine Endkunden.
Bisher ist es die Eurozone, die am schnellsten vorwärts macht und gerne eine digitale Zentralbankwährung – ausdrücklich auch für Endkunden – lancieren möchte. Das Problem der Eurozone ist, dass sie ganz verschiedene Länder umfasst, deren Finanzinfrastruktur unterschiedlich effizient ist. Die Europäische Zentralbank (EZB), die von der Nicht-Ökonomin Christine Lagarde geführt wird, möchte mit dem digitalen Euro die Finanzinfrastruktur effizienter machen und vor allem grenzüberschreitende Transaktionen erleichtern.
Lagarde hofft, dass der europäische Gesetzgeber (EU-Parlament, Rat und EU-Kommission) bis im Herbst den legislativen Prozess vollendet hat. Eingeführt würde aber der digitale Euro frühestens 2028. In gewissen Videos kursiert das Datum Herbst 2025. Das ist falsch.
Die EZB scheint sich der Gefahren von CBDC zu wenig bewusst zu sein – oder nimmt diese in Kauf. Bisher ist nirgendwo die Rede davon, dass die EZB beabsichtigen könnte, durch CBDC die Kreditvergabe zu zentralisieren, theoretisch wäre das aber möglich, obwohl es am Horizont noch weit entfernt ist. Viel hängt davon ab, ob sich CBDC bei den Bürgern durchsetzen, wie stark sie staatlich gefördert werden oder ob sie ein Randphänomen bleiben. Auffällig ist jedoch, dass deren Vorteile nicht einsichtig sind. Es gibt bereits heute sehr effiziente und billige Transaktionsmöglichkeiten.
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