Dieser Beitrag ist zuerst erschienen am 28. Juli 2025 auf Globalbridge.ch.
***
«In aktueller Zeit die Wahrheit zu sagen, gilt als Extremismus.» Mit diesem Satz beginnt Dmitrij Wasilez, ukrainischer Journalist im Exil und bekennender Sozialist, der verhaftet und verbannt wurde, weil er Fragen stellte. Wasilez erzählte, nicht in einer Talkshow oder einem Zeitungsinterview, sondern im Gespräch mit dem deutschen Journalisten Patrik Baab. Ein Gespräch, das zum Zeitdokument wurde, weil es eine Erzählung öffnet, die im westlichen Diskurs so gut wie ausgelöscht wurde: die Geschichte einer unterdrückten Opposition, einer besetzten Republik und eines ausgeweideten Staates. Wasilez sprach als Ukrainer – aber seine Analyse zielte über sein Land hinaus. Es ging um die Methode, mit der Staaten entmündigt werden. Um die Logik von Schulden, Kontrolle, Terror und scheinbarer Freiheit.
«Ich hatte Glück, dass ich vor dem 24. Februar die Ukraine schon verlassen hatte», sagt Wasilez. «Wenn die Lage sich für mich dramatisch entwickelt hätte, dann wäre es so, dass wir nicht miteinander reden könnten. Denn gegen meine Person wurden mehrere Strafverfahren eröffnet.» Gemeint ist der Beginn der Kampfhandlungen im Februar 2022 – jener Eskalationspunkt, ab dem viele westliche Politiker die Geschichte erst beginnen lassen. Doch Wasilez erzählt von einem Prozess, der lange vorher begann. Mit Parteiverboten, Hausdurchsuchungen und Einschüchterung.
Ihre führenden Parteileute seien sofort als Feinde von Selenskyj bezeichnet worden, sagt er. Und weiter:
«Im Prinzip wurden alle sozialistischen Parteien in den letzten Monaten in der Ukraine verboten. Auch unsere, die sozialistische Partei Dirjava. Aber trotzdem hörten wir nicht auf. Wir ließen uns nicht abschrecken. Wir machten weiter. Leider mussten wir unsere Form ändern – das Wichtigste ist die Sicherheit der Mitglieder und Wähler.»
Zum Zeitpunkt des Interviews arbeitet die Partei im Untergrund. Wasilez spricht von «halbgeheimen» Treffen, von einem «Zustand im Keller», von Aktivisten, die verschwinden oder fliehen müssen. Von einer Gesellschaft, in der man sich nicht einmal in der Küche zu sagen traut, was man denkt. Er nennt das einen «Schockzustand». Und beschreibt ihn präzise als politischen Mechanismus:
«Dieser Schockzustand wird dafür benutzt, möglichst viele Menschen zu mobilisieren und in die Schützengräben zu treiben.»
Es wird deutlich, dass Selenskyj auf dem Territorium, das sich unter NATO-Kontrolle befindet, einen großen Terror organisiert hat. Diese Kontrolle erfolgt nicht mehr durch sichtbare Gewalt, sondern durch technologische Mechanismen der Selbstzensur. Die Einführung von Chatbots zur Denunziation – automatisiert, niedrigschwellig, jederzeit verfügbar – ist Ausdruck einer digitalen Disziplinierung, wie sie aus autoritären Systemen bekannt ist. Die Leute haben Angst, sogar in der Küche, ihren Freunden zu sagen, was sie denken – Telefone werden abgehört, und Chatbots ermöglichen systemische Denunziation, sodass nicht einmal Schweigen sicher ist.
«Ich war jeden Tag auf dem Maidan», erzählt Wasilez. «Ich wollte herausfinden, was dort passiert.» Er spricht nicht als ideologischer Gegner, sondern als Beobachter. Und als Journalist. Was er sah, war keine spontane Erhebung. Sondern eine gut inszenierte Operation.
«Ich habe dort sehr viele Medienvertreter gesehen. Wenn sie einen Kommentar von mir wollten und ich habe nicht das Gewünschte gesagt, also pro Protest – dann haben sie die Kameras abgeschaltet und gesagt: Das passt uns nicht. Verschwinde, Junge. Geh weg. Wir haben andere Ziele.»
Die Bühne auf dem Maidan war laut Wasilez nicht offen für alle. Sie sei abgesichert, kontrolliert und bezahlt gewesen. Wer dort sprechen wollte, hätte durch zwei bis drei Sicherheitsringe müssen – organisiert und finanziert von Oligarchen. «Die waren besser ausgerüstet als die Polizei. Und bewaffnet.» Er beschreibt die Organisation der Proteste nicht als chaotisch, sondern als hochprofessionell. NGOs, viele davon aus dem Ausland finanziert, hätten in einem System militärischer Rotation gearbeitet:
«Sie haben zwei Wochen auf dem Maidan gelebt, wurden dann ausgetauscht – und kamen wieder. Ihre Hauptaufgabe war: da sein, filmen, berichten. In den sozialen Medien den Eindruck erzeugen, dass das ganze Volk hinter den Protesten steht. Ich habe Leute interviewt, die sagten: ‹Ja, wir bekommen Geld. Wir sind von einer NGO, wir sind hierher gekommen. Wir bleiben zwei Wochen, dann gehen wir wieder.›»
Der Maidan sei also keine Volksbewegung gewesen, sondern eine gelenkte Mobilisierung. Mit klaren Zielen – Machtübernahme. Regierungssturz. Geopolitische Neuverortung. «Jeder Oligarch, der teilgenommen hat, hatte eine Quote – für Reden, für Leute im Parlament, für Ministerposten.» Das Ergebnis beschreibt Wasilez mit einfachen Worten: «Es war ein klassischer Staatsstreich. Eine Gruppe von Oligarchen – unterstützt von westlichen Finanzstrukturen – hat eine andere Gruppe von Oligarchen gestürzt.» Und er geht weiter:
«Ich kann bestätigen, dass die Hauptmasse des Geldes in bar von Diplomaten ausgeteilt wurde. Das waren polnische und baltische Diplomaten. Wir haben sie mehrmals bei der Übergabe von Dollarbeträgen erwischt.»
Diese Aussagen wären schwer zu glauben, kämen sie aus zweiter Hand. Doch Wasilez betont: «Ich war da. Ich habe es selbst gesehen. Viele meiner Parteigenossen waren dabei.» Er beschreibt die Strukturen, die damals die Bühne kontrollierten, als Teil eines «internationalen Oligarchiats». Die US-amerikanische Botschaft sei der operative Knotenpunkt gewesen. Und:
«Ein großer Teil des Geldes ging an Medien, an NGOs, an paramilitärische Gruppen, die sich mit der Polizei prügelten – und an die Infrastruktur. Tischtennisplatten, Verpflegung, Heizgeräte. Alles war organisiert.»
Im Ergebnis, so Wasilez, habe die Bühne nicht der Ukraine gehört – sondern dem Westen. Der Putsch habe das Land aus dem Gleichgewicht geworfen und die Entscheidungsmacht verlagert. «Von da an wurde keine einzige wichtige Entscheidung mehr in Kiew getroffen.»
Was Dmitrij Wasilez beschreibt, geht weit über politische Repression hinaus. Es ist die systematische Umgestaltung eines Staates – unter dem Vorwand von Reformen, begleitet von der Sprache westlicher Modernisierung. Doch das Ergebnis ist, was er «ökonomischen Genozid» nennt. «In der Realität», so Wasilez, «egal welchen Sektor der Wirtschaft man nimmt – das Land ist abhängig. Es sieht formal unabhängig aus, aber die Entscheidungen werden nicht mehr im Land getroffen.» Das beginnt mit scheinbar harmlosen Gesetzesänderungen, endet aber in einer tiefen Enteignung der Bevölkerung. Er führt aus:
«Durch die westlichen Reformen hat sich die Bevölkerung jedes Jahr um 700.000 bis eine Million Menschen reduziert. Das sind offene Zahlen, die man überprüfen kann.»
Wasilez meint das nicht metaphorisch. Er meint die Migration, die Abwanderung, das demografische Ausbluten ganzer Regionen – verursacht durch das, was internationale Kreditgeber als «notwendige Marktanpassung» deklarieren. «Die Gaspreise wurden verdoppelt. Mehr als 200 Krankenhäuser wurden geschlossen. Die Gesundheitsministerin war eine US-Staatsbürgerin. Alle wichtigen Reformen – Justiz, Agrar, Gesundheit – wurden in der US-Botschaft beschlossen.» Und er fügt hinzu, ruhig und fast resigniert:
«Die Menschen in der Ukraine sind in eine Kreditfalle geraten. Diese ganzen sogenannten Hilfen – das ist alles kreditfinanziert. Kredite, die als Last vom ukrainischen Volk zu tragen sind.»
Eine echte Kontrolle über die Verschuldung gibt es nicht mehr:
«Die aktuelle Kreditlast des ukrainischen Volkes steht unter Geheimhaltung. Man kann nicht errechnen, wie hoch die Staatsschulden sind. Das ukrainische Volk kann physisch so eine Menge an Geld nicht zurückzahlen.»
Wasilez betont mit Nachdruck, dass die Schuldenlast der Ukraine nicht an Personen gebunden ist. «Wenn man Selenskyj stürzen und durch eine andere Figur ersetzen würde – die Schulden verschwinden nicht. Mit diesen Schulden muss sich dann die nächste Führung befassen». Diese Aussage ist zentral. Sie unterstreicht ein strukturelles Problem: Die Verpfändung des Landes an ein internationales Finanzsystem bleibt unabhängig von der Führung bestehen. «Wenn man weiterschaut», so Wasilez, «da das Land dies nicht zurückzahlen kann, muss das dann in der Überschreibung von Volkseigentum geschehen: ukrainisches Land, ukrainische Bodenschätze, ukrainische Souveränität.»
Die Schulden sind für ihn also nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein existenzielles Problem. Sie sind das Instrument, mit dem das Land dauerhaft kontrolliert und gelenkt wird – weit über die politische Amtszeit einzelner Präsidenten hinaus.
Diese Struktur wirkt unabhängig von den Gesichtern an der Spitze – doch genau hier setzt der Westen nun an. Ein Wechsel an der Staatsspitze der Ukraine – etwa durch die Einsetzung des ehemaligen Oberkommandierenden Walerij Saluschnij – ist mehr als ein personeller Austausch und Ausdruck einer westlich gesteuerten Strategieanpassung. Auch wenn sein Name im Interview nicht fällt, steht er sinnbildlich für eine Strategie, die nicht auf Wandel, sondern auf Kontinuität zielt: die Kontinuität der militärischen Bindung an die NATO, der strukturellen Abhängigkeit vom Westen – und das ökonomische Verhökern des Landes.
Saluschnij ist nicht der Bruch, sondern die Fortschreibung. Für den Westen eröffnet sich mit ihm die Möglichkeit, die beschädigte Figur Selenskyjs abzuräumen, ohne das System dahinter in Frage zu stellen. Für die Ukraine dagegen droht ein endgültiger Verlust des zivilen Handlungsspielraums. Für Russland schließlich wäre seine Einsetzung ein Signal: dass keine Entspannung gewollt ist, sondern eine kontrollierte Fortsetzung des Konflikts – mit modernisierten Mitteln.
Die neuesten Nachrichten bekräftigen dies: Generalmajor Christian Freuding, Leiter des Ukraine-Hilfsprogramms der Bundeswehr, fordert Präventivschläge gegen russische Flugzeuge, Flugplätze und Rüstungsunternehmen, um die russischen Streitkräfte zu schwächen und Kiew die Initiative zurückzugeben. Präsident Selenskyj bezeichnete die ukrainische Armee als «Waffe zur Verteidigung Europas» und forderte von der EU finanzielle Mittel für Gehälter und Ausrüstung, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg vermeldete. Gleichzeitig kündigte er einen Drohnen-Deal mit den USA im Wert von 10 bis 30 Milliarden Dollar an.
In Kiew wachsen Proteste, begleitet von NABU-Aktivitäten, die Selenskyjs Regierung untergraben. US-Analyst Gilbert Doctorow bemerkt in seinem Newsletter vom vergangenen Freitag: «Ich bestehe darauf, dass die Entwicklungen dieser Woche», er meint damit die Proteste in Kiew, «der Vorbote eines Regimewechsels sind … Diese Art von Verrat trägt die Fingerabdrücke des MI6 in sich.» Und Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte, dass ein Gipfeltreffen in Istanbul nur Ergebnisse auf Expertenebene festhalten könne, da die Positionen Moskaus und Kiews «diametral entgegengesetzt» seien.
Ein Thema, das im Westen beinahe tabuisiert wurde, spricht Dmitrij Wasilez offen an: die strukturelle Transformation der Ukraine in einen außenpolitischen Vorposten westlicher Militärstrategien – inklusive Geheimdiensten, Waffensteuerung und Biowaffenforschung. «In den letzten acht Jahren sind mehr als 20.000 ukrainische Militärs – zumeist höhere Offiziere – in NATO-Ländern ausgebildet worden,» sagt Wasilez. «Wer keinen Eid auf die NATO-Strukturen ablegte, verlor seine Karriere.» Er beschreibt eine stille, aber tiefgreifende Ersetzung der militärischen Befehlskette:
«Die Zielkoordinaten kommen von westlichen Geheimdiensten. Die Satellitenaufklärung ist westlich. Die Waffen – US-amerikanisch, französisch. Die ukrainischen Soldaten transportieren die Systeme zum Einsatzort und drücken den Knopf.»
Wasilez spricht nicht über Vermutungen. Er berichtet über persönliche Kontakte zu Militärs, zu Freunden im Sicherheitsapparat, zu Beamten. Die Ukraine sei zur Plattform geworden und nicht für ihr eigenes Überleben, sondern für die globale Strategie anderer.
Dabei wird ein zweiter Aspekt brisant: die Rolle der US-finanzierten Biolabore. «Eines der Labore stand 50 Meter von meiner Wohnung entfernt – in Kiew. Neben einer Schule und einem Stadion.» Wasilez und seine Partei organisierten Proteste. Vergeblich. «Die Labore forschten an der Übertragung gefährlicher Erreger. Wenn ein Virus als biologische Waffe eingesetzt wird, sollten sie herausfinden, wie er sich bestmöglich verbreitet.» Er betont, dass es sich nicht um Gerüchte handele, sondern um bestätigte Aussagen von zuständigen Beamten, die für das Gebäude verantwortlich waren. «Ich habe selbst Videos veröffentlicht, Interviews geführt, versucht, das zu dokumentieren.»
Doch mit dem Beginn der Kampfhandlungen änderte sich alles. Informationen verschwanden aus offiziellen US-Datenbanken. Webseiten wurden gelöscht. Öffentliche Recherche wurde kriminalisiert. Wasilez nennt das einen «hybriden Prozess der Kolonisierung» – bei dem nur Hymne und Flagge bleiben, aber der Staat selbst von außen verwaltet wird. Zur CIA sagt er: «Ich kann nicht beweisen, wo sich Gefängnisse befinden. Aber ich weiß: Der ukrainische Sicherheitsapparat ist faktisch eine CIA-nahe Struktur. Die entscheidenden Funktionen werden dort gesteuert.» Er verweist auf das bekannte Muster: «Wenn es in EU-Staaten CIA-Foltergefängnisse geben kann – warum sollten sie in der Ukraine aufhören?»
***
Sabiene Jahn studierte Kommunikation der Werbewirtschaft und arbeitet als Journalistin, Moderatorin, Sängerin und Synchronsprecherin. Sie beschäftigt sich mit gesellschaftspolitischen Themen sowie der Recherche extremistischer Strukturen. Jahn organisiert die parteifreie Veranstaltungsreihe «Koblenz: Im Dialog», um gesellschaftspolitischen Austausch zu fördern. Als Friedensaktivistin entwickelt sie Konzepte zur Deeskalation und Inklusion. Zudem leitet sie das internationale Musikensemble «Nobel Quartett».