Der griechische Gesundheitsminister Adonis Georgiadis steht im Zentrum eines brisanten Skandals um die Weitergabe hochsensibler genetischer Daten. Laut Berichten der Plattform Pronews.gr hat Georgiadis am 17. Mai 2024 eine «geheime programmatische Vereinbarung» mit den US-Firmen RealGenix und Beginnings unterzeichnet, in deren Rahmen bis 2029 das gesamte Genom griechischer Neugeborener sequenziert und verarbeitet werden soll – ohne explizite Zustimmung der Eltern.
Brisant ist vor allem die Tatsache, dass diese Vereinbarung nicht auf der öffentlichen Transparenzplattform «Diavgeia» veröffentlicht wurde. Ein spezieller Geheimhaltungspassus in der Vereinbarung deklariert das gesamte Projekt und dessen Ergebnisse als vertraulich. Das bedeutet: Weder die Öffentlichkeit noch die betroffenen Familien erfahren offiziell, was mit den Blutproben ihrer Kinder geschieht.
Hinter dem Projekt mit dem Namen «First Steps» verbirgt sich ein großangelegtes DNA-Erfassungsprogramm. In zwei Phasen sollen insgesamt 100.000 Neugeborene genetisch untersucht werden. Bereits im ersten Quartal 2025, so die Berichte, wurden 20.000 DNA-Proben von Säuglingen an die beteiligten US-Firmen übermittelt.
Dabei stammen diese Proben aus einem etablierten Screeningverfahren, das seit Jahrzehnten in Griechenland existiert: Neugeborene geben fünf Tropfen Blut ab, um auf seltene genetische Erkrankungen wie Mittelmeeranämie getestet zu werden. Drei dieser Tropfen – und genau hier liegt der Skandal – werden nun ohne Zustimmung der Eltern für DNA-Sequenzierungen verwendet und an RealGenix weitergeleitet. Diese Firma ist Teil des US-Genkonzerns PlumcareRWE, einer der größten privaten Datensammler im Bereich der Genomforschung.
Ein besonders beunruhigender Punkt ist, dass die Rechte an den genetischen Daten explizit bei den US-Firmen liegen sollen. Die Vereinbarung besagt: «Das Gesundheitsministerium erkennt an, dass die Forschungsergebnisse Eigentum von RealGenix sein werden.» Im Klartext: Die genetischen Blaupausen tausender Griechen gehören einem privaten ausländischen Unternehmen.
Das Projekt ist Teil des internationalen Programms ICoNS, dessen Ziel es ist, weltweit das Genom von einer Million Neugeborenen zu sammeln – ein Unterfangen, das laut Kritikern massive Risiken für Privatsphäre, Ethik und zukünftige Anwendungen birgt.
Das Institut für Kindergesundheit (ΙΥΠ), das traditionell für das Neugeborenen-Screening verantwortlich ist, hat sich deutlich gegen das Projekt positioniert. In einer Stellungnahme bezeichnete der wissenschaftliche Beirat die Teilnahme an einem solchen Vorhaben als ethisch und moralisch bedenklich. Man warne ausdrücklich vor dem Einsatz einer noch nicht ausgereiften Technologie im großen Stil und ohne ausreichende Studienlage.
Zivilgesellschaftliche Organisationen und Datenschützer fordern unterdessen eine sofortige Offenlegung der Vereinbarung, die Anhörung der betroffenen Eltern und eine parlamentarische Untersuchung der Vorgänge. Der Vorwurf: Griechenlands Kinder könnten als «Versuchskaninchen» für zukünftige genetische Anwendungen – etwa in Medizin, Forensik oder gar Überwachung – missbraucht werden.
Angesichts der Enthüllungen sind viele Fragen offen, auf die die griechische Regierung bislang keine Antworten geliefert hat:
- Wie viele DNA-Proben wurden bereits weitergegeben?
- Warum wurde die Vereinbarung geheim gehalten, wenn das Projekt angeblich der öffentlichen Gesundheit dient?
- Warum wurden die Eltern nicht um ihre Zustimmung gebeten?
- Und nicht zuletzt: Wird die Regierung den Minister zur Rechenschaft ziehen?
Minister Georgiadis selbst erklärte in einer ersten Reaktion lediglich, dass man die Kritik des ΙΥΠ «bei der Umsetzung berücksichtigen» werde – das Projekt soll jedoch weitergeführt werden.
Fazit
Was nach Science-Fiction klingt, ist in Griechenland bereits Realität: Eine flächendeckende Erfassung des Erbguts von Neugeborenen – gesteuert von privaten US-Firmen, abgesegnet von der Regierung und durchgeführt ohne Transparenz oder Einverständnis der Betroffenen. Es ist ein beispielloser Eingriff in die intimsten Daten der Bürger und ein Weckruf für eine dringend nötige gesellschaftliche Debatte über Datenschutz, Ethik und staatliche Verantwortung.
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