Am 7. März 2021 lehnten die Schweizer Stimmbürger in einer Referendumsabstimmung das vom Parlament verabschiedete Gesetz zur Einführung einer elektronischen Identitätskarte (E-ID-Gesetz) mit 65 Prozent der Stimmen deutlich ab. Hauptkritikpunkte waren die Privatisierung der E-ID, mangelnder Datenschutz und ein Vertrauensdefizit. Die damals geplante Rolle privater Identitätsanbieter wurde als unzureichend sicher und potenziell risikobehaftet wahrgenommen.
Mit diesen Einsichten ging der Bundesrat, die Landesregierung, 2024 in einen neuen Anlauf. Die überarbeitete Vorlage sieht nun eine staatliche Kontrolle der E-ID vor, mit dem Ziel, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Doch ist dies gelungen? Der Verein WIR hat diese Woche eine Einschätzung publiziert.
Die zentralen Unterschiede: 2020 vs. 2024
1. Verantwortung für die Ausstellung der E-ID
- 2020: Private Anbieter hätten die E-ID herausgegeben, der Staat hätte lediglich die Identitätsdaten geliefert. Kritiker bemängelten die fehlende Kontrolle und die Abhängigkeit von kommerziellen Interessen.
- 2024: Der Staat übernimmt die gesamte Verantwortung, einschließlich der Infrastruktur und der operativen Prozesse. Dies soll Missbrauch verhindern und Vertrauen stärken.
Dieser Wechsel adressiert die Hauptkritik von 2020. Doch die Frage bleibt, ob der Staat über die technischen und organisatorischen Kapazitäten verfügt, ein sicheres System zu betreiben.
2. Datenschutz und Datenspeicherung
- 2020: Datenschutzstandards waren unzureichend definiert. Private Anbieter hätten zentrale Datenbanken betrieben, was das Risiko für Datenmissbrauch erhöht hätte.
- 2024: Die neue Vorlage legt Wert auf «Privacy by Design», Datensparsamkeit und dezentrale Speicherung. Nutzerdaten sollen primär auf den Endgeräten gespeichert werden.
Dieser Fortschritt entspricht modernen Datenschutzstandards. Doch die Umsetzung dezentraler Speicherlösungen ist technisch anspruchsvoll und birgt auch gewisse Risiken.
3. Technologie und Infrastruktur
- 2020: Private Anbieter hätten fragmentierte Systeme entwickelt, ohne klare Regelung zur Sicherheit und Interoperabilität.
- 2024: Der Bund kontrolliert die gesamte Infrastruktur und orientiert sich an internationalen Standards wie der eIDAS-Verordnung der EU.
Die staatliche Kontrolle schafft klare Strukturen und erhöht die Sicherheit. Die Anpassung an EU-Standards fördert die Interoperabilität, könnte jedoch die digitale Souveränität der Schweiz einschränken.
4. Kosten
- 2020: Es gab keine Regelung zur Kostenfreiheit für Nutzer.
- 2024: Die E-ID ist für Bürger kostenlos, finanziert durch staatliche Mittel.
Die Kostenfreiheit ist ein positiver Schritt. Dennoch bleibt unklar, wie die langfristige Finanzierung der Infrastruktur gesichert werden soll.
5. Freiwilligkeit und Nutzung
- 2020: Die Nutzung war offiziell freiwillig, doch klare Grenzen fehlten, um eine schleichende Verpflichtung auszuschließen.
- 2024: Auch die neue Vorlage betont die Freiwilligkeit, doch kritische Dienstleistungen könnten ohne E-ID schwer zugänglich werden.
Die Freiwilligkeit ist theoretisch gegeben, in der Praxis könnten indirekte Verpflichtungen entstehen.
Bleibende Herausforderungen und Kritikpunkte
Trotz der Fortschritte bleiben wesentliche Fragen offen:
- Umsetzungskomplexität: Die technologische und organisatorische Komplexität könnte die Einführung verzögern oder Sicherheitslücken schaffen.
- Vertrauensprobleme: Auch staatliche Kontrolle schützt nicht vor Datenlecks oder Missbrauch.
- Abhängigkeit von internationalen Standards: Die Orientierung an der eIDAS-Verordnung der EU könnte die digitale Souveränität der Schweiz beeinträchtigen.
- Schleichender Zwang: Die Freiwilligkeit könnte langfristig durch faktische Verpflichtungen ausgehebelt werden.
- Rechtsfolgen bei Missbrauch: Es fehlen detaillierte Regelungen, wie Betroffene im Falle von Datenmissbrauch entschädigt werden.
Fazit: Fortschritt mit Vorbehalten
Das neue E-ID-Gesetz 2024 ist gegenüber der abgelehnten Version von 2020 als Fortschritt zu betrachten, da es staatliche Kontrolle und Datenschutz stärker in den Mittelpunkt stellt. Viele der damaligen Kritikpunkte, wie die Privatisierung der digitalen Identität, wurden adressiert. Dennoch bleiben erhebliche Schwächen bestehen. Kritiker bemängeln vor allem die Abhängigkeit von internationalen Standards, die die nationale Souveränität gefährden könnten, sowie die Komplexität der Umsetzung, die zu Sicherheitsrisiken führen kann. Zudem bleibt unklar, ob die Freiwilligkeit der Nutzung langfristig Bestand haben wird oder durch indirekte Verpflichtungen untergraben wird.
Das Vertrauen der Bevölkerung in die staatliche Fähigkeit, ein sicheres und datenschutzkonformes System zu schaffen, wird entscheidend für das bevorstehende Referendum sein. Kritiker wie der Verein WIR oder die Piratenpartei warnen jedoch, dass die Einführung der E-ID weitreichendere Konsequenzen hat und das Tor zu einer umfassenden digitalen Kontrolle öffnet. Sie sehen in der E-ID den Beginn einer Entwicklung hin zu einem «digitalen Gulag», der Bürgerrechte und persönliche Freiheiten drastisch einschränken könnte.
Unter dem Deckmantel von Modernisierung und Bequemlichkeit wird die digitale ID als sicher und fortschrittlich vermarktet. Doch hinter der Fassade verbirgt sich laut Kritikern eine Bedrohung, die weit über die Schweiz hinausgeht. Sie verweisen auf die UNO, das Weltwirtschaftsforum (WEF) und die Agenda 2030, die im Hintergrund eine globale Überwachungsinfrastruktur vorantreiben. Anstelle von Inklusion oder Fortschritt sehen Kritiker eine Strategie zur Kontrolle und Machtkonzentration.
Zudem könnte die digitale ID in vielen Bereichen des täglichen Lebens unverzichtbar werden. Ohne sie wird es vielleicht in Zukunft kaum mehr möglich sein, grundlegende Dienste wie Reisen, Einkaufen oder Arbeiten in Anspruch zu nehmen. Was als «Menschenrecht auf digitale Identität» verkauft wird, birgt vielleicht die Gefahr, Bürger zu einem integralen Teil eines Systems zu machen, dem sie nicht entkommen können.
Die Befürchtungen reichen weiter: Eine digitale ID ist womöglich der erste Schritt in ein komplexes Kontrollsystem, das auch programmierbare digitale Währungen (CBDCs) umfasst. Über CBDCs könnten Behörden den Gebrauch von Geld steuern, etwa durch Limits für CO₂-Emissionen oder Fleischkonsum. Ist Bargeld nicht mehr verfügbar oder nicht mehr akzeptiert, gibt es kein Entrinnen. In der Schweiz wäre es ein weiterer Weg bis in diese Dystopie. Das Parlament hat kürzlich bekräftigt, dass Bargeld weiterhin verfügbar sein muss. Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat bekräftigt, dass sie weiterhin auf Bargeld setzt und arbeitet an einer neuen Notenserie. Selbst die umstrittene 1000er-Note soll erhalten bleiben. In Bezug auf die CBDCs will sie die Technologie höchstens für den Interbankenhandel nutzen.
Es ist aber sicher nicht überflüssig, vor einer Gesellschaft zu warnen, in der finanzielle Freiheit eingeschränkt und individuelles Handeln überwacht wird – alles unter dem Vorwand von Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Auch die schrittweise Einführung der E-ID kann unter diesem Aspekt als problematisch gesehen werden. Während sie zunächst als freiwillig beworben wird, zeigen Beispiele aus anderen Ländern, wie schnell solche Systeme de facto verpflichtend werden. In Kuwait etwa wurden Bürger ohne biometrische Erfassung von Bankkonten ausgeschlossen, und in Indien ist der Zugang zu staatlichen Leistungen ohne digitale ID nicht mehr möglich. Kritiker warnen, dass ein ähnlicher Druck auch in der Schweiz entstehen könnte.
Die dahinterstehenden Akteure wie die UNO, das WEF und die Weltbank verfolgen laut Kritikern eine Agenda, die weniger dem Wohl der Bürger als der Zentralisierung von Macht dient. Jede Entscheidung, jede Aktion und jede Transaktion eines Individuums könnten erfasst und analysiert werden.
Kommentar Transition News:
Angesichts dieser Perspektiven ist es richtig, das E-ID-Gesetz abzulehnen und das Referendum zu unterstützen, auch wenn zentrale Kritikpunkte der ursprünglichen Vorlage aufgenommen wurden. Die Schweiz braucht keine digitale ID, um modern zu sein. Vielmehr geht es darum, ein Signal gegen die schleichende Einführung eines globalen Kontrollsystems zu setzen und für die Freiheit einzustehen.