Ein Schweizer Unternehmen namens Transmutex entwickelt in Zusammenarbeit mit Maurice Bourquin, einem ehemaligen Rektor der Universität Genf und Experten für Kernphysik, einen neuartigen Atomreaktor. Bourquin gewährte den Tamedia-Zeitungen dazu ein Interview. Dieser Reaktor funktioniert mit Thorium anstelle von Uran. Zusätzlich ist er in der Lage, radioaktiven Müll von konventionellen Atomkraftwerken als Brennstoff zu verwenden. Obwohl der Bau neuer Atomkraftwerke in der Schweiz aufgrund eines Verbots derzeit nicht möglich ist, sucht das Unternehmen nach einem Standort für einen Versuchsreaktor.
Der Thorium-Reaktor hat mehrere Vorteile und merzt die Nachteile der in der Schweiz noch laufenden vier konventionellen Reaktoren aus:
Die Abfallproblematik wird gelöst. Die Abfälle sind nur noch schwach radioaktiv und strahlen «nur» noch etwa 300 Jahre. Ausserdem kann der Reaktor hochradioaktive Abfälle von konventionellen Kernkraftwerken in weniger problematische Abfälle verwandeln. Dies erleichtert die Lagerung erheblich.
Der Reaktor funktioniert anders als herkömmliche AKWs und die Kernspaltung stoppt automatisch, sobald der Beschuss mit einem Protonenstrahl eingestellt wird. Damit sind unkontrollierte Kettenreaktionen und Kernschmelzen bei diesem Typ nicht möglich. Solche Super-GAUs hat es in Tschernobyl, in Fukushima und teilweise in Three Mile Island gegeben.
Zusätzlich kann Thorium nicht für den Bau von Atombomben abgezweigt werden.
Obwohl der Bau eines Thorium-Reaktors derzeit politisch nicht möglich ist, schlägt Maurice Bourquin vor, dass die Schweiz Schritt für Schritt vorgeht, beginnend mit einer Evaluierung des Nutzens eines solchen Reaktors. Eine Aufhebung des AKW-Verbots wäre erst in einem zweiten Schritt erforderlich. Einige Politiker schlagen vor, auf den Geländen bestehender AKWs neue Reaktoren zu bauen, um die Bewilligungsverfahren zu beschleunigen.
Trotz der positiven Aspekte ihres Projekts bemerkt Bourquin, dass es in der Schweiz einige Herausforderungen gibt, darunter die Schwierigkeiten, junge Forscher für die Nuklearforschung zu gewinnen und mangelnde Forschungsgelder. Er betont die Wichtigkeit von Fortschritten in der Nukleartechnologie, um möglichem Strommangel entgegenzuwirken und ist zuversichtlich.
Bei der Stromgewinnung setzt die Schweiz momentan zu etwa zwei Drittel auf Wasserkraft und zu einem Drittel auf Atomstrom. Aber einerseits werden die vier Reaktoren – Beznau I und II, Gösgen und Leibstadt – einmal das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, andererseits wird die Abkehr von den fossilen Brennstoffen die Nachfrage nach Strom zusätzlich erhöhen. Aber auch die «grünen» Technologien – Windräder und Photovoltaik – haben Nachteile. Sie verbauen die Landschaft und liefern nur Strom, wenn das Wetter es zulässt: Flatterstrom (wir haben hier darüber berichtet).
Bourquin hält das Reaktorprojekt für relevant, obwohl China bereits einen Thorium-Testreaktor hat, der jedoch eine etwas andere Technologie verwendet. Er wird als Flüssigsalzreaktor bezeichnet und wird ebenfalls als sicherer und effizienter angesehen. Die Chinesen planen, bis 2030 grössere kommerzielle Thorium-Reaktoren herzustellen und in andere Länder zu verkaufen (die Tamedia-Zeitungen haben hier darüber berichtet).
Trotz des Optimismus von Bourquin und der Initiative aus China gibt es im Westen Zweifel an der Marktreife dieser Technologie. Einige Experten glauben, dass dies erst nach 2050 der Fall sein wird. Die Akzeptanz der Bevölkerung für neue, saubere Atomkrafttechnologien hängt davon ab, ob diese wirklich sicher und umweltfreundlich sind und nicht für die Atombombenproduktion missbraucht werden können.
Die Zukunft der Atomkraft in der Schweiz hängt von vielen Faktoren ab, darunter die Akzeptanz neuer Technologien und die Bewertung der Nachteile der herkömmlichen Atomkraft. Während einige AKW-Gegner bereit sind, neue Technologien zu akzeptieren, bleiben viele Fragen und Unsicherheiten bestehen.
**********************
Unterstützen Sie uns mit einem individuellen Betrag oder einem Spenden-Abo. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag für unsere journalistische Unabhängigkeit. Wir existieren als Medium nur dank Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Vielen Dank!
Oder kaufen Sie unser Jahrbuch 2022 (mehr Infos hier) mit unseren besten Texten im Webshop:
Kommentare