Die Bilder gingen um die Welt und diskreditierten die friedliche Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesregierung Deutschlands. Ausgerechnet auf den Treppen des Reichstags «erstürmte» der Mob, ausgestattet mit Fahnen des längst untergegangenen Deutschen Reichs, die Treppen. Auf den letzten Stufen jedoch kamen sie zum Stehen — weil drei Polizisten, einer davon gar ohne Helm, sie aufzuhalten vermochten.
Wer gegen Coronamassnahmen protestiert, gehört zum fahnenschwenkenden Mob, so die Botschaft der ausgestrahlten Bilder.
Zweifel am Geschehen zu haben, ist jedoch angebracht. Denn die Aktion könnte von staatlichen agents provocateurs ausgelöst worden sein — um die Demonstranten medial zu diffamieren.
Normalerweise ist nämlich das deutsche Parlament über die sogenannte ehemalige Bannmeile geschützt. Der heutzutage als «befriedete Bezirk» geltende Sicherheitsradius verhindert gerade bei Großdemonstrationen das Eindringen in diesen Bereich. Zwar sollen Demonstrationen explizit auch in der Nähe von Botschaften und Regierungsgebäuden stattfinden dürfen. Doch die Polizei kann — und muss — dafür sorgen, dass das Parlament geschützt bleibt. Die entsprechende Regelung findet sich auf den Seiten des Bundestags:
«Mit dem „Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes“ als Artikel 1 des „Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Verfassungsorganen des Bundes“ vom 11. August 1999 (BGBl. I S. 1818) gibt es keine Bannmeile mehr um das Parlament in Berlin, sondern einen befriedeten Bezirk. Damit sind in Berlin öffentliche Versammlungen grundsätzlich zugelassen, sofern sie die Tätigkeit der Verfassungsorgane nicht stören, was für die sitzungsfreie Zeit generell angenommen wird. Der Schutz der Tätigkeit von Bundestag und Bundesrat (ebenso wie für das Bundesverfassungsgericht) wird durch das genannte Gesetz gewährleistet. In der Abwägung von Versammlungsfreiheit und Arbeitsfähigkeit des Parlaments wird das Demonstrationsverbot nur eingeschränkt, soweit es unbedingt notwendig ist, da gerade die „Verbannung“ der Bevölkerung nicht gewünscht ist. Die Behörden können allerdings, unter Abwägung aller zu berücksichtigenden Aspekte, Aufzüge verbieten».
Weil die normale Bereitschaftspolizei für solche Absicherungen gerade bei Großdemonstrationen nicht entsprechend ausgebildet und ausgestattet ist, kann die Bundespolizei zur Absicherung die GSG-9 anfordern. Dass sie das tut, konnte man im Jahr 2017 auf den Anti G20-Demonstrationen in Hamburg sehen.
Die Eliteeinheit des ehemaligen Bundesgrenzschutzes könnte, würde man sie dafür anfordern, die Bannmeile um den Deutschen Bundestag auf jeden Fall sichern.
Auch ohne GSG9 ist Berlin im Umgang mit der Sicherung des Bundestags geübt. So standen während der Anti-TTIP Demonstrationen im Jahr 2017 etliche Hundertschaften der Bereitschaftspolizei in den Seitenstrassen um den Bundestag. Das unerwünschte Durchbrechen der Demonstrierenden wäre faktisch unmöglich gewesen.
In Berlin aber war auf der Anti-Coronapolitik Demo im August 2020 davon nichts zu sehen. Obwohl die Polizei selbst wegen vermeintlicher Sicherheitsbedenken gegen die Demo Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt hatte, ließ sie das Einfallstor so weit offen, dass selbst die letzten Stufen zum Reichstag ein Spaziergang waren.
Was hat das zu bedeuten, was müsste die Konsequenz sein?
Denn wäre die «Aktion» nicht vorab abgesichert gewesen, müsste Innensenator Andreas Geisel (SPD) seinen Hut nehmen — weil Vater Staat das Knüppeln von Demonstranten zwar toleriert (wir berichteten), die Nichtsicherung des Parlaments jedoch niemals duldet.
Eine klare Dramaturgie: Die letzten drei Stufen, und dann Schluss mit lustig, weil die Staatsgewalt am Ende immer siegt. Gut gegen Böse. An diesen Bildern hätten selbst Propagandagrößen wie Leni Riefenstahl ihre Freude gehabt.