Am diesjährigen Eurovision Song Contest, der in Basel stattfindet, geht es nicht nur um Musik. So wurde beispielsweise aufgrund des Gaza-Krieges der Ausschluss von Israel vom Wettbewerb gefordert. Doch es kam auch zu einem kulturell-historischen Missverständnis, das in den sozialen Medien – insbesondere auf X in Griechenland – hohe Wellen schlug. Das berichtete zum Beispiel das griechische Portal Proto Thema soeben.
Während des sogenannten «Interval-Acts», also der Unterhaltungseinlage «Made in Switzerland» zwischen den Beiträgen und der Punktevergabe, präsentierten die beiden Moderatorinnen Hazel Brugger und Sandra Studer auf humorvolle Weise eine Liste von Errungenschaften, die die Schweiz im Laufe ihrer Geschichte hervorgebracht habe. Neben dem Rotkreuz, dem Taschenmesser und der Erfindung des Eurovision Song Contests vor 70 Jahren war plötzlich auch die Demokratie Teil dieser Liste – eine Aussage, die bei vielen griechischen Zuschauern für Empörung sorgte.
In Griechenland, dem allgemein anerkannten Ursprungsland der Demokratie, wurde der Kommentar als geschichtsvergessen und anmaßend empfunden. Auf X ließen Nutzer Ihrem Unmut freien Lauf: «Und jetzt sind wir im Reich der Fantasie angekommen», kommentierte ein Nutzer sarkastisch, während andere mit Memes und historischen Fakten konterten.
Obwohl die Aussage augenscheinlich satirisch gemeint war und sich möglicherweise eher auf das demokratische Abstimmungssystem innerhalb des ESC bezog, blieb die Formulierung unklar genug, um eine Welle der Empörung auszulösen.
Einige Stimmen warfen den Moderatorinnen vor, mit der Geschichte leichtfertig umzugehen, andere wiederum forderten mehr Gelassenheit: «Es war ein Scherz – nehmt’ s nicht so ernst», meinten gemäßigtere Kommentare.
Allerdings gingen die Kommentare in Hellas auch mit dem heutigen Zustand respektive den Konstruktionsfehlern der heutigen griechischen Demokratie hart ins Gericht. Und sie entpuppten sich als erstaunlich gut informiert. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Schweiz das Frauenstimmrecht auf Bundesebene erst 1971 eingeführte und dass es bis in die 1970er Jahre Verdingkinder gegeben habe – Opfer fürsorgerischer Zwangsmaßnahmen. Damit entpuppen sich die griechischen Twitterer als besser informiert im Vergleich zu Brugger und Studer.
Die Eurovision 2025 bleibt somit nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen einer Debatte um historische Deutungshoheit in Erinnerung – und zeigt einmal mehr, wie sensibel nationale Identität und Geschichte auch im popkulturellen Kontext behandelt werden sollten. Die Diagnose Geschichtsvergessenheit (siehe auch hier) darf man den Moderatorinnen aber getrost stellen.
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