Der Europäische Rat hat am Donnerstag bei seinem Gipfeltreffen in Brüssel beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldawien aufzunehmen. Das geschah gegen den Widerstand Ungarns, dessen Ministerpräsident Victor Orban bis zuletzt gegen die Verhandlungen mit der Ukraine und weitere Hilfen für das Land stimmte.
Am Ende entschied sich das Gremium der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) doch dafür – ohne Orban, der den Saal in Brüssel verlassen hatte. EU-Korrespondent Eric Bonse schreibt von einem «Coup», mit dem das gewünschte Ergebnis erreicht wurde. Der Rat kann Beschlüsse nur einstimmig fassen.
Orban erklärte inzwischen gegenüber ungarischen Medien, er sei absichtlich aus dem Saal gegangen. Zuvor habe er mehrere Stunden lang gegen die Beitrittsverhandlungen argumentiert. Nachdem er damit aber erfolglos blieb, habe er auf einen Hinweis vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz hin den Saal verlassen und so die Abstimmung ermöglicht.
Allerdings verhinderte Orban Medienberichten zufolge mit seinem Veto, dass neue Finanzhilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine beschlossen wurden. Ungarns Ministerpräsident erklärte danach auf Facebook, die mögliche EU-Mitgliedschaft der Ukraine sei ein Fehler: «Ungarn will an einer solchen schlechten Entscheidung nicht beteiligt sein.»
Die Verhandlungen über die EU-Finanzhilfen für die Ukraine müssen im Januar fortgesetzt werden, heisst es. Berichten zufolge wird erwartet, dass das Geld notfalls auch ohne Ungarn fliessen kann. Orban kündigte an, weiter gegen mehr Geld für Kiew zu stimmen.
«Es war nicht das erste Mal, dass Orban bei einem Gipfel einlenkte», wurde der Vorgang unter anderem im Handelsblatt kommentiert. Der ungarische Ministerpräsident gelte «als klug und wendig, wisse um die Grenzen seiner Macht».
Kurz vor dem Gipfel hatte die EU-Kommission Fördermittel für Ungarn freigegeben, die sie seit einem Jahr wegen des angeblichen Abbaus des Rechtsstaats in dem Land zurückgehalten hatte. Es wird vermutet, dass Orban deshalb beim Thema Beitrittsverhandlungen den Beschluss möglich machte, in dem er nicht im Saal war.
Die Entscheidung in Brüssel gilt als politisch motiviert. «Die Ukraine ist so weit davon entfernt, die von Brüssel an die EU-Mitglieder aufgestellten Kriterien zu erfüllen, dass sogar ein Teil der Militärhilfe gestohlen wird», stellte unlängst der ungarische Politikjournalist Gabor Stier fest.
Der Wille der EU-Spitzen, die Ukraine aufzunehmen, hat wenig mit der Realität des Landes im Krieg zu tun. Darauf hatte Éva Péli kürzlich auf den NachDenkSeiten aufmerksam gemacht, wo sie von einer Tagung zum Thema bereits im Mai berichtete. Auf dieser habe sich gezeigt, wie weit die Ukraine von den Anforderungen an eine EU-Mitgliedschaft entfernt ist.
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