Die Europäische Kommission will das Pentagon bei Rüstungsverkäufen mit seinen eigenen Waffen schlagen. Laut einem Bericht des Nachrichtenportals Politico habe Brüssel einen neuen Mechanismus zur Erleichterung von Waffenexporten angedeutet, welcher dem der US Foreign Military Sales (FMS) ähnelt.
Nach dem Ukraine-Krieg haben die EU-Regierungen ihre Militärausgaben deutlich erhöht. Doch die lukrativen Rüstungsgeschäfte gingen oft an US-Rüstungsunternehmen, auf Kosten europäischer Firmen. Schnelligkeit sei bei solchen Operationen von grosser Bedeutung. Die langen, komplizierten Beschaffungsprozesse seien daher ein entscheidender Nachteil für die Europäer.
Die EU-Kommission versuche nun herauszufinden, wie man das ändern könne. Das gehe aus einem achtseitigen Konsultationspapier hervor, das Politico vorliegt. Es stelle in Aussicht, das US-System der Foreign Military Sales (FMS) zu kopieren.
Das sei ein System, in dem das Pentagon «die Schwerstarbeit bei der Sicherung von Waffenverkäufen übernimmt». Wikipedia nennt es «ein Verkaufsprogramm der USA für Rüstungsgüter». Dass es in Europa kein vergleichbares System gibt, stelle für «EU-Champions» wie Airbus, Leonardo und Thales einen Nachteil dar.
Das FMS-System ermögliche es Regierungen, direkt von Washington zu kaufen, ohne den Umweg über Rüstungsunternehmen gehen zu müssen. Dies könne die Lieferung von Ausrüstung beschleunigen, auch indem es auf die Bestände des US-Verteidigungsministeriums zurückgreife.
Laut einer Studie zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, auf die in dem Kommissionspapier Bezug genommen werde, wurden 95 Prozent der europäischen Käufe von US-Ausrüstung seit Kriegsbeginn über das FMS-System getätigt. Dabei geht es um einen Gesamtwert von mehr als 60 Milliarden Dollar.
Der hohe Anteil amerikanischer Waffen an europäischen Verteidigungsaufträgen sei ein immer wiederkehrendes Problem, das von der Europäischen Kommission als oberste Priorität eingestuft werde. «Ich kämpfe dafür, dass [europäische Länder] europäische Waffen kaufen», zitiert das Portal den für den Binnenmarkt zuständigen Kommissar Thierry Breton.
Das Konsultationspapier zeige, dass sich die Kommission des Wettbewerbsvorteils bewusst sei, den das US-amerikanische System den eigenen Rüstungsunternehmen verschaffe. Man sehe daran, dass Brüssel der europäischen Industrie den gleichen Auftrieb geben wolle, indem es dafür sorge, dass Regierungsaufträge auch auf dem Kontinent zur Norm werden könnten.
Anfang 2024 wird Breton voraussichtlich eine europäische Strategie für die Verteidigungsindustrie vorlegen, um die technologische und industrielle Basis der Verteidigung (EDTIB) des Kontinents zu unterstützen. Das Konsultationspapier sei eines von fünf Papieren, die an die nationalen Delegationen verschickt wurden, um deren Meinung über die Strategie einzuholen.
Der Plan für ein EU-FMS befinde sich noch in einem sehr vorläufigen Stadium, betont Politico. Auch könne es sein, dass er nie das Licht der Welt erblicke, da sein Ergebnis von den Rückmeldungen der EU-Länder abhängen wird. Die EU befinde sich aufgrund des «Kompetenzwirrwarrs» zwischen Brüssel und den Mitgliedsländern, die in der Verteidigung weitgehend das Sagen haben, in einer viel schwierigeren Lage als die USA.
Schon oft habe die EU versucht, die Marktmacht einer der grössten Volkswirtschaften der Welt zu nutzen. So zum Beispiel bei der gemeinsamen Beschaffung von Erdgas oder beim Kauf von Covid-«Impfstoffen». Bisher habe sie dies aber nicht bei der Verteidigung getan. Die genannten Beispiele waren allerdings auch nicht wirklich erfolgreich, wie das Portal selber ergänzt.
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