Seit 2021 werden in der EU Fingerabdrücke im Chip von Personalausweisen gespeichert. Daran gab es viel Kritik. Nun ist klar: Das ist rechtmässig. Ein Lichtbild sei weniger fälschungssicher, urteilte der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) diese Woche.
Das Privatleben und die personenbezogenen Daten würden trotzdem genügend geschützt. Und die Fingerabdrücke im Ausweis dienten «im weiteren Sinne zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus».
Vor einem Wiesbadener Gericht hatte ein Mann beanstandet, dass ihm kein neuer Personalausweis ohne Fingerabdrücke ausgestellt wurde. Das Gericht legte den Fall dem EuGH vor. Der sollte klären, ob die Speicherung von zwei Fingerabdrücken gegen das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten verstösst.
Zwar würden die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz der personenbezogenen Daten eingeschränkt. Dies sei allerdings gerechtfertigt, weil damit die Herstellung von gefälschten Ausweisen bekämpft werden könne.
Der EuGH gab aber dem Beschwerdeführer insofern Recht, als die Verordnung sich auf die falsche Rechtsgrundlage stütze. Der Gerichtshof erklärte die Verordnung daher für ungültig. Er gewährte aber den Mitgliedsländern eine «Galgenfrist» bis zum 31. Dezember 2026. Bis zu diesem Datum muss eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden. Dieses Verfahren erfordert im Rat Einstimmigkeit.
Seit mehr als zwei Jahren ist in Deutschland jeder verpflichtet, beim Beantragen eines neuen Personalausweises seine Fingerabdrücke im Einwohnermeldeamt abnehmen zu lassen. Deutschland hat damit die entsprechende Verordnung der EU umgesetzt. Die Abdrücke werden laut Bundesinnenministerium nur auf dem Ausweis selber gespeichert, nicht aber in einer zentralen Datenbank.
Was bedeutet das für die Schweiz? Obwohl die Schweiz eine Assoziation mit dem Schengen-Abkommen hat und daher einige der Regeln und Standards der EU übernehmen muss, hat sie sich bisher noch nicht dazu verpflichtet, biometrische Daten auf Personalausweisen zu speichern. Auch die neuen Schweizer Identitätskarten verfügen nicht über einen biometrischen Chip, werden aber trotzdem im Schengen-Raum (noch) als Reisedokument akzeptiert.
Die Schweizer Regierung beobachtet die Situation jedoch genau und prüft mögliche Auswirkungen auf das Land. Die Schweiz sperrt sich vermutlich nicht zuletzt deshalb dagegen, weil der Bundesrat, die Schweizer Landesregierung, im Bereich Datenschutz und Passgesetz in der Vergangenheit an der Urne schon Niederlagen einstecken musste. Er wird deshalb kaum tätig werden, ohne dazu aufgrund äusserer Umstände gezwungen zu werden.
Schweizer, die weiterhin ohne Fingerabdrücke reisen möchten, tun gut daran, die Entwicklung zu beobachten und sich gegebenenfalls noch vor Implementierung einer Änderung eine langfristig gültige ID ohne Chip zu besorgen.
Die Bemühungen zur Einführung biometrischer Daten auf Personalausweisen in der EU haben bereits vor einiger Zeit begonnen. Der damalige deutsche Innenminister Horst Seehofer war eine treibende Kraft hinter dieser Initiative, die auf eine striktere Sicherheitspolitik abzielt. Seehofer und andere Minister setzten sich bei der EU dafür ein, dass alle amtlichen Personalausweise, einschliesslich der Identitätskarten in der Schweiz, zwingend mit biometrischen Daten ausgestattet werden müssen.
Dies bedeutet, dass EU-Bürger ab 2021 nicht mehr darum herumkommen, dem Staat ihre Fingerabdrücke zu übermitteln und umfassend erfasst zu werden. Vorher war die Speicherung biometrischer Daten nur beim Pass obligatorisch, der in der Regel nur für Reisen ausserhalb der EU benötigt wird. Die Einführung dieser Massnahme stösst jedoch auf erheblichen Widerstand von Bürgerrechtsgruppen, die argumentieren, dass sie die Privatsphäre der Bürger gefährdet und sie unter Generalverdacht stellt.
Die Debatte darüber, wie weit der Staat gehen sollte, um Sicherheit zu gewährleisten, wird voraussichtlich weitergehen, insbesondere angesichts der Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, der Grundrechte und der Tatsache, dass im Rat nunmehr Einstimmigkeit erforderlich ist. Ob diese Hürde übersprungen werden kann, lässt sich derzeit nicht ermessen. Bis Ende 2026 dürfte es aber beim Status quo bleiben.
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