Laura von Wimmersperg kann als «Urgestein» der Berliner Friedensbewegung bezeichnet werden. Sie setzt sich seit den 1980er Jahren gegen Aufrüstung und Krieg sowie für Frieden ein. In einem aktuellen Interview mit RT DE warnte sie vor der Spaltung der Friedensbewegung.
Laura von Wimmersperg im März 2023 in Berlin (Foto: Tilo Gräser)
Anlass für das Interview mit der Mitbergünderin der «Berliner Friedenskoordination» (Friko) war demnach die gemeinsame Ankündigung Washingtons und Berlins, ab 2026 US-Marschflugkörper und -Mittelstreckenraketen erneut in Deutschland zu stationieren.
Für viele Aktivisten aus der Friedensbewegung sei diese Ankündigung nicht überraschend, erklärte Wimmersperg. Es sei schon seit längerem bekannt, dass die in Büchel in der Eifel stationierten US-Atomwaffen nun gegen modernisierte und weiterreichende Raketen ausgewechselt werden.
Zudem hätten die USA seit einigen Jahren alle Abrüstungsverträge aufgekündigt, so 2019 den 1987 zwischen der Sowjetunion und den USA vereinbarten INF-Vertrag über den Abbau von nuklearen Kurz- und Mittelstreckenraketen. Russland habe daraufhin ein entsprechendes Moratorium eingeführt, das nun aber auslaufe.
Der INF-Vertrag untersagte die Produktion, Neuentwicklung und Tests von landgestützten Waffensystemen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern. Außerdem verpflichteten sich die Vertragspartner dazu, die amerikanischen Pershing-II-Raketen und die sowjetischen SS-20 binnen drei Jahren nach Vertragsabschluss zu vernichten.
Aus der Sicht von Wimmersperg bringen die angekündigten neuen US-Waffen keinen Schutz. Sie würden stattdessen die Kriegsgefahr für Europa erhöhen, das zum Schlachtfeld eines großen Krieges werden könne. Die Friedensaktivistin erklärte laut RT DE:
«Wir brauchen nicht mehr Waffen, wir brauchen Diplomatie und Verhandlungen, um die Welt sicherer zu machen. Aber Diplomatie gehört gegenwärtig nicht mehr zum Strategiepool.»
Sie zeigte sich empört darüber, dass der Beschluss über die neuen Raketen am Bundestag vorbei getroffen wurde. Das Parlament müsse darüber mitentscheiden, wenn Deutschland weiterhin die Bezeichnung «Demokratie» für sich in Anspruch nehmen wolle.
Aber nicht einmal der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei dazu von Washington gefragt worden, das den Beschluss gefällt und dann nur Berlin informiert habe. Scholz habe die Entscheidung nur begrüßt, was für Wimmersperg bedeutet, dass er die Verantwortung, die er für die deutsche Bevölkerung mit seinem Amtseid übernommen habe, einer fremden Macht überlasse.
Gefragt nach den Reaktionen der deutschen Friedensbewegung erklärte die Aktivistin, dass es keine homogene Bewegung sei und gleichzeitig ihre Vielfalt auch ihre Stärke ausmache. Allerdings sei sie gegenwärtig zahlenmäßig nur noch klein und repräsentiere nicht mehr die Gesellschaft.
«Wir sind fast alle weißhaarig, was etwas über unser Alter aussagt, aber keine Rückschlüsse auf unsere politische Arbeit erlaubt. Die sich noch in der Friedensbewegung engagieren, haben über die Jahre Erfahrung gesammelt, die der gegenwärtigen Arbeit nützt und nicht unterschätzt werden sollte.»
Der russische Einmarsch in die Ukraine 2022 habe die Friedensbewegung gespalten: Ein Teil argumentiere moralisch und sehe Russlands Präsident Wladimir Putin als Aggressor. Der andere Teil, zu dem sich Wimmersperg selbst zähle, orientiere «sich zur Beurteilung des Konfliktes an der Realität».
Sie verwies gegenüber RT DE auf die zahlreichen russischen Verhandlungs- und Friedensangebote der letzten Jahre, die vom Westen immer wieder zurückgewiesen oder nicht berücksichtigt worden seien. Auch im Konflikt um die Ukraine habe sich Moskau viele Jahre für eine friedliche und politische Lösung eingesetzt.
Moskau sei dabei von dem Grundgedanken ausgegangen: «Die Sicherheit des einen Staates darf nur so weit gehen, wie er die Sicherheit eines anderen Staates nicht verletzt». Doch bereits vor 2014 sei das «Feindbild Russland» wieder erfolgreich aus der westlichen Mottenkiste der psychologischen Kriegsführung geholt worden.
Besonders die Medien hätten sich dabei hervorgetan, so Wimmersperg. Sie erklärte laut RT, dass sich bis auf den ungarischen Präsidenten Viktor Orbán bislang kein westlicher Politiker um einen Friedensdialog bemühe:
«Hat sich eigentlich ein westlicher Politiker irgendwann aufgemacht, Putins Friedensbereitschaft auf die Probe zu stellen? Meines Wissens nach nur in den letzten Wochen der ungarische Präsident Viktor Orbán, und seine Erfahrungen scheinen dem Feindbild nicht zu entsprechen.»
Die Friedensaktivistin wurde auch nach dem Verhältnis zur «neuen» Friedensbewegung gefragt, die aus der der sogenannten Querdenkerbewegung hervorging. Sie wandte sich bei einer Frage von so grundsätzlicher Bedeutung wie Frieden oder Krieg gegen Spaltung oder Ausgrenzung.
Sie versuche seit etwa anderthalb Jahren, zwischen der «alten» und der «neuen» Friedensbewegung Brücken zu bauen. Vorbehalte der klassischen Friedensbewegung gegenüber den neuen Gruppen seien nicht mit ein paar Gesprächen abzubauen, sondern bräuchten Zeit und Geduld.
Eine große und vielfältige Friedensbewegung ist aus Sicht von Wimmersperg nur mit dem Fokus auf ein gemeinsames Ziel zu erreichen:
«Die Friedensbewegung der Achtzigerjahre konnte nur deshalb so groß werden, weil sie sich auf ein Ziel fokussiert hatte.»
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