Die Amtseinführung von Micheil Kawelaschwili am 29. Dezember 2024 hat eine tief gespaltene Nation hinterlassen. Die westlichen Medien bezeichnen den früheren Fußballstar, dessen Wahl durch ein Wahlmännergremium zustande kam, das von der Opposition nicht anerkannt wird, als «Marionette» des «russlandfreundlichen» Milliardärs Bidsina Iwanischwili.
Kawelaschwilis Wahl wurde von der Opposition boykottiert und von der scheidenden Präsidentin Salome Surabischwili nicht anerkannt. Diese pro-europäische Politikerin, die trotz ihres Rückzugs aus dem Präsidentenpalast betont, sie sei die «einzige legitime Präsidentin», schloss sich den Demonstranten an, die gegen Kawelaschwili auf die Straßen gingen.
Tausende Georgier, viele mit EU-Flaggen, protestierten gegen Kawelaschwilis Amtsantritt und sahen in ihm eine Gefahr für den pro-europäischen Kurs des Landes. Die Regierungspartei «Georgischer Traum», die hinter Kawelaschwili steht, wird beschuldigt, Wahlbetrug begangen zu haben und Georgien wieder näher an Russland heranführen zu wollen, obwohl sie das Land seit über zehn Jahren ziemlich umsichtig führt und sich zum Ziel gesetzt hat, Georgien an die EU heranzuführen. Dies hat die Spannungen mit der EU und den USA verschärft.
Die internationale Gemeinschaft hat nicht gezögert, ihre Position zu äußern. Während die EU geplante Sanktionen gegen Georgien aufgrund des Vetos einzelner Mitgliedstaaten (sprich: Ungarn und die Slowakei) nicht durchsetzen konnte, hat Deutschland eigene Maßnahmen angedroht. Die USA verhängten Sanktionen gegen Bidsina Iwanischwili, den Gründer des «Georgischen Traums». Die westlichen Länder fordern weiterhin Neuwahlen, um den pro-europäischen Kurs Georgiens zu sichern.
Die Spannungen zwischen Georgien und westlichen Staaten haben sich verschärft, seit die Regierung analog zu Russland ein Gesetz gegen ausländische Einmischung verabschiedet hat, das von westlichen Organisationen und NGOs scharf kritisiert wurde. Dies führte zu einem Abbruch der Gespräche zwischen der EU und Georgien. In Reaktion darauf hat die georgische Regierung den EU-Beitrittsprozess bis 2028 eingefroren, jedoch betont, dass sie weiterhin Reformen umsetzen möchte, um eine gleichberechtigte Partnerschaft mit der EU zu erreichen.
Das ist die Lesart, die westliche Medien verbreiten. Es gibt aber auch eine andere Version der Ereignisse. Das NGO-Gesetz schafft lediglich Transparenz. Es sieht vor, dass NGOs, die in Georgien tätig sind und zu mehr als 50 Prozent ausländisch finanziert werden, dies offenlegen müssen. Nicht mehr und nicht weniger. Es wird immer mit dem entsprechenden Pendant in Russland verglichen. Dabei geht vergessen, dass auch die USA seit 1938 ein solches Gesetz kennen und es mit aller Härte und Konsequenz durchsetzen.
Beobachter, die von westlichen Staaten und Medien unabhängig sind, vermuten deshalb, dass hinter den Protesten teilweise westliche Geheimdienste stecken und dass das Ziel ein Regierungswechsel war. Auch die Frage der Wahlfälschung ist nicht so klar, wie es die westlichen Medien darstellen. Immerhin hat auch die OSZE – sie ist für die Wahlbeobachter zuständig – keine gravierenden Verstöße festgestellt.
Die monatelangen Proteste, die teilweise in Straßenschlachten eskalierten, haben allerdings nicht den erhofften Regierungswechsel gebracht. Die Protestbewegung, die von westlichen Staaten unterstützt wurde, scheint an Dynamik verloren zu haben. Kawelaschwilis Amtseinführung zeigt, dass die Regierung ihre Position konsolidieren konnte, während die Opposition und pro-europäische Kräfte geschwächt erscheinen.
Georgien steht an einem kritischen Punkt: Der neue Präsident symbolisiert eine mögliche Annäherung an Russland, während die proeuropäische Opposition und große Teile der Bevölkerung weiterhin den EU-Beitritt anstreben.
Die georgische Regierung bekennt sich allerdings auch heute noch offiziell zum Ziel eines EU-Beitritts. Die Beziehung zu Russland ist ambivalent. Einerseits ist der Krieg von 2008 immer noch im kollektiven Gedächtnis präsent, andererseits ist Russland der größte Handelspartner der Kaukasusrepublik und kann nicht ohne weiteres ersetzt werden. Genau das möchte aber der Westen: Dass Georgien die Sanktionen gegen Russland mitträgt – was dem Land aber enorm schaden würde.
Die Entwicklungen der nächsten Monate werden entscheidend dafür sein, ob Georgien seinen Kurs fortsetzen, weiterhin die Balance zwischen Ost und West halten und seine fragile Demokratie festigen kann (wir haben schon hier darüber berichtet, weitere Links im Beitrag).