Der Ausbau des 5G-Netzes ist seit Jahren ein umstrittenes Thema in der Schweiz. Auf der einen Seite stehen Telekommunikationsunternehmen, die ihre Antennen für den 5G-Betrieb aufrüsten wollen, um eine höhere Geschwindigkeit und eine stabilere Verbindung für die Nutzer zu gewährleisten. Auf der anderen Seite gibt es kritische Stimmen, die eine zu hohe Strahlenbelastung befürchten und die gesundheitlichen Auswirkungen des neuen Mobilfunkstandards infrage stellen.
Im Zentrum dieses Streits stehen sogenannte adaptive Antennen, die den Mobilfunkbetreibern ermöglichen, die Signalstärke gezielt zu steuern. Diese Antennen können zeitweise eine höhere Sendeleistung erzeugen als die vorgegebenen Grenzwerte, im Durchschnitt jedoch weniger Strahlung produzieren als herkömmliche Antennen. Die Mobilfunkanbieter argumentieren, dass diese Technologie den Ausbau von 5G effizienter und umweltfreundlicher gestaltet.
Ein Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom Dezember 2024 hat nun bestätigt, dass der sogenannte Korrekturfaktor – der es den Betreibern ermöglicht, adaptiven Antennen eine vorübergehende Überschreitung der Sendeleistung zu gestatten – rechtlich zulässig ist. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Argumente der Antennengegner gegen den Korrekturfaktor nicht überzeugend waren. Für die Telekombranche ist dies eine Erleichterung, da die Entscheidung den Weg für den Ausbau des 5G-Netzes erleichtert. Der Telekomverband Asut begrüßte das Urteil als eine wichtige Weichenstellung für künftige Baugesuche.
Das Bundesgericht bekräftigte jedoch auch, dass der Ausbau von Mobilfunkanlagen mit 5G zwingend einer Baubewilligung bedarf. Das bedeutet, dass jede Umrüstung oder Erweiterung von Sendeanlagen weiterhin durch die zuständigen Behörden geprüft werden muss, was den Ausbau des Netzes verzögern kann. Für die Telekommunikationsunternehmen stellt dies eine zusätzliche Herausforderung dar, da jede noch so kleine Änderung an bestehenden Anlagen ein formelles, einspracheberechtigtes Verfahren nach sich zieht. Sie hatten versucht, das klammheimlich mittels einer kleinen, nicht einspracheberechtigten Baubewilligung zu tun.
Zudem entschied das Bundesgericht in einem weiteren Fall, dass bei der Einreichung eines Baugesuchs für den 5G-Ausbau die Strahlenbelastung durch den Korrekturfaktor detailliert und konkret dokumentiert werden muss. Diese Entscheidung basiert auf einem Fall in Winterthur, bei dem sich Anwohner gegen den geplanten Ausbau wehrten. Der Verein «Schutz vor Strahlung» sieht in diesem Urteil eine Bestätigung seiner Position und fordert von den Mobilfunkbetreibern, die Sendeleistung der Antennen gesetzeskonform zu reduzieren.
Die Urteile des Bundesgerichts haben in der Schweiz gemischte Reaktionen hervorgerufen. Auf der einen Seite gibt es den optimistischen Ausblick der Telekommunikationsanbieter, die nun die Möglichkeit haben, den 5G-Ausbau schneller voranzutreiben. Swisscom beispielsweise plant, über 1000 Antennen umzurüsten, was den Ausbau in städtischen Gebieten deutlich beschleunigen könnte.
Auf der anderen Seite bleibt der Widerstand gegen 5G-Antennen groß. Der Verein «Schutz vor Strahlung» kündigte an, weiterhin gegen die Technologie vorzugehen und das Augenmerk auf die tatsächliche Strahlenbelastung der neuen Antennen zu richten. Kritiker argumentieren, dass die Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung nicht ausreichend berücksichtigt werden, und fordern strengere Auflagen. Der Verein Gigaherz kritisiert das Bundesgerichtsurteil 1C_307/2023 zur 5G-Technologie mit folgenden Argumenten:
- Fehlende Berücksichtigung der tatsächlichen Sendeleistungen: Die Sendeleistungen, die in den gerichtlichen Erwägungen verwendet wurden, weichen erheblich von den realen Werten der beteiligten Mobilfunkanbieter ab. Der Vergleich mit der Swisscom-Anlage wurde als unzutreffend und unvollständig kritisiert.
- Falsche Annahmen zu Frequenzen und Sendeleistungen: Es wurde argumentiert, dass die tatsächlichen Sendeleistungen der Anbieter (insbesondere Salt, Sunrise und Swisscom) viel höher sind als die in den Urteilsbegründungen dargestellten Werte, was die rechtliche Grundlage für die Entscheidung in Frage stellt.
- Ignorieren des Hauptantrags: Der Antrag der Beschwerdeführer, durch Abnahmemessungen zu überprüfen, ob die prognostizierten Strahlungswerte mit der tatsächlichen Strahlung übereinstimmen, wurde vom Gericht nicht berücksichtigt.
- Fragwürdiges Qualitätssicherungssystem: Das Gericht akzeptierte das von den Mobilfunkanbietern vorgestellte Qualitätssicherungssystem, das lediglich einmal täglich eine kurze Überprüfung der Sendeparameter vornimmt. Kritiker bemängeln, dass dieses System in der Praxis unzureichend sei und keine realistische Messung der tatsächlichen Strahlung erlaube.
- In einer abschließenden Einschätzung wurde das Urteil als «Skandalurteil» bezeichnet. Es wird vermutet, dass das Urteil zugunsten der Mobilfunkindustrie gefällt wurde, um blockierte Baubewilligungsverfahren für Mobilfunkanlagen zu beschleunigen.
Fazit
Die jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichts haben den Streit um den 5G-Ausbau in der Schweiz weiter angeheizt. Während die Telekommunikationsbranche durch die Urteile Rückenwind für den technologischen Fortschritt erhält, bleiben die gesundheitlichen Bedenken der Gegner weiterhin ein großes Thema. Das Zusammenspiel von Fortschritt und Vorsorge wird auch in den kommenden Jahren ein wichtiger Faktor bei der Planung und Genehmigung von Mobilfunkanlagen sein. Der Ausgang dieses Streits könnte weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung der digitalen Infrastruktur und die Gesundheitspolitik in der Schweiz haben.
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