In einem erschütternden Fall aus einem Kinderheim im Schweizer Kanton Zürich, erlebte eine Familie, was es heißt, gegen ein undurchschaubares System anzukämpfen. Der Fall betrifft einen knapp zweijährigen Jungen, der bei einem Besuchswochenende bei seinem Vater und deren Mutter mit mehreren Verletzungen am Rücken angetroffen wurde. Die Verletzungen, so schockierend sie auch sind, sind nicht das Einzige, was an diesem Fall beunruhigt. Es ist vor allem der Umgang der Institution und der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) mit den Eltern, der die Familie in eine ausweglose Lage brachte.
Die Eltern reagierten sofort, als sie die Verletzungen ihres Kindes entdeckten. Sie setzten sich mit Jasminka Brcina in Verbindung, welche den Hilfesuchenden riet, umgehend die Polizei und das Kinderspital aufzusuchen. Dort erhielten sie sofortige Hilfe. Trotz der ärztlichen Empfehlung, das Kind vorerst bei den Eltern zu lassen, wurde vonseiten der Institution sowie der KESB massiver Druck auf die Familie ausgeübt. Die Situation eskalierte, als der Vater unter Druck des Beistandes und seines eigenen Anwaltes das verletzte Kind schließlich entgegen der Meinung der Fachstellen und seiner eigenen Mutter, wieder ins Heim zurückbrachte – entgegen seinem eigenen Wunsch. Jasminka Brcina, Präsidentin der Kinder- und Erwachsenenschutzvereinigung (KESV), erklärte gegenüber Transition News:
«Was sich in diesem Fall abspielt, ist leider kein Einzelfall. Immer wieder erleben wir, wie Hinweise auf Gewalt und Missstände in Heimen ignoriert werden. Angehörige und Betroffene fühlen sich von den zuständigen Stellen nicht gehört und sind mit einem System konfrontiert, das sie nicht verstehen und dem sie sich kaum entgegensetzen können. Aus diesem Grund ist es zwingend notwendig, dass die Hilfesuchenden eine Anlaufstelle erhalten, welche aufgrund eines VETO-Rechts einschreiten und entsprechende Maßnahmen einleiten kann»
Die KESV hat den Fall sei dem Monat Mai intensiv begleitet und die Familie unterstützt wie Brcina weiter berichtet. Doch was sich aus ihrer Perspektive herausstellt, ist beunruhigend: Der Druck, dem die Eltern ausgesetzt sind, und die mangelnde Bereitschaft der Institutionen, die Sorgen der Familie ernst zu nehmen, werfen einen Schatten auf das System des Kindesschutzes.
«Es wird in diesen Situationen nicht nur die Familie alleine gelassen, sondern auch das Kind. Statt Entspannung und Sicherheit zu schaffen, sorgt der Umgang der Behörden für zusätzliche Belastung und Verunsicherung», so Brcina.
Die Auswirkungen des Falls beschränken sich jedoch nicht nur auf diese eine Familie. Immer wieder berichten betroffene Eltern und Angehörige von ähnlichen Erfahrungen: Gewalt in Heimen wird nicht ausreichend thematisiert, und Hinweise von Außenstehenden – seien es Eltern, Verwandte oder Experten – werden zu oft ignoriert. Die betroffenen Kinder und ihre Familien sind in einer besonders verletzlichen Position. Ein System, das eigentlich dazu da ist, Schutz zu bieten, macht es denjenigen, die auf Hilfe angewiesen sind, oft schwer, Gehör zu finden.
«Was wir benötigen, ist ein grundlegender Wandel im Kindesschutz», fordert Brcina. «Wir brauchen ein Mitspracherecht für betroffene Familien und Mechanismen, die es ermöglichen, bei akuten Gefährdungssituationen ein Veto einzulegen. Wenn die Behörden ein Kind nicht vor Gewalt oder Misshandlungen schützen, dann müssen wir als Gesellschaft neue Wege finden, das zu verhindern.»
Der Fall aus dem Kinderheim in Zürich ist ein Beispiel für die Gefährdung von Kindern durch eine Institution, die eigentlich zum Schutz des Kindeswohls verpflichtet ist. Statt für Sicherheit und Wohlbefinden zu sorgen, sorgt der Umgang der Behörden mit dieser Familie für einen weiteren Vertrauensverlust in das System.
«Was in diesem Fall schmerzhaft sichtbar wird, ist die Ohnmacht der Eltern, die alles dafür tun, das Wohl ihres Kindes zu sichern – aber gegen ein System kämpfen muss, das selber vorgibt zum Schutze des Kindes da zu sein, aber es in solchen Momenten nicht mal ansatzweise schafft das eigentliche Kindswohl in den Mittelpunkt zu stellen», betont Brcina.
Die KESV fordert daher nicht nur mehr Mitspracherecht für betroffene Familien, sondern die Einführung unabhängiger Beschwerdestellen. Diese sollen es ermöglichen, dass Missstände im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes frühzeitig erkannt und angegangen werden können.
«Es darf nicht sein, dass Eltern und Kinder im Kindesschutzsystem allein gelassen werden. Wir brauchen unabhängige Stellen, die die Institutionen kontrollieren und sicherstellen, dass keine Gewalt oder Misshandlungen verborgen bleiben», fordert Brcina.
Doch es geht nicht nur um die Einführung von neuen Kontrollmechanismen. Auch die Ausbildung der Fachkräfte und die Schaffung eines respektvollen und achtsamen Umgangs mit den betroffenen Familien müssen Teil der Reformen sein.
«Es ist an der Zeit, dass wir als Gesellschaft einen Schritt weitergehen und den Schutz vor Behördenwillkür und institutioneller Gewalt auf die Agenda setzen. Wir dürfen nicht von Querulanten sprechen und uns wundern, wenn Ereignisse wie im Fall Flaach oder dem Bieler Kneubühl-Fall passieren. Das Augenmerk muss darauf gerichtet werden, weshalb solche Situationen entstehen», so Brcina abschließend.
Der Fall des Kleinen aus dem Kinderheim zeigt exemplarisch auf, dass im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes die Zeit für Reformen längst reif ist, um den Betroffenen vor staatlicher Übermacht und Übergriffen Schutz und Sicherheit zu bieten.
Die Homepage von Jasminka Brcina (Hilfe bei Problemen mit der KESB) finden Sie hier. Mehr über die Bedingungen bei der Beratung und Unterstützung hier.
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