Die Zensur am Arbeitsplatz könnte ein alarmierendes Ausmass annehmen, wenn sich auch die Berufsverbände in die Überwachung der Meinungsäusserung einmischen, warnt das Magazin Spiked.
Wenn unser Chef uns daran hindere, unsere Meinung über Politik, Religion oder die Rechte von Transsexuellen zu äussern, könnten wir immer noch für einen anderen Arbeitgeber arbeiten. Dagegen könne eine Sanktion durch einen Berufsverband auch dazu führen, dass man ganz aus dem Berufsleben ausgeschlossen, also im Grunde seiner Existenzgrundlage beraubt werde.
Vor diesem Hintergrund bezeichnet Spiked zwei Leitlinien als beunruhigend, die letzten Monat vom Bar Standards Board (BSB), der britischen Aufsichtsbehörde für Anwälte, veröffentlicht wurden.
In seinen Leitlinien zur Regulierung des ausserberuflichen Verhaltens erkläre das BSB ausdrücklich, die privaten Facebook-Posts eines Anwalts zu untersuchen, wenn sie beispielsweise gewalttätige sexuelle Fantasien und gegen Frauen gerichtete sexuelle Beleidigungen enthielten.
Solche Äusserungen seien zweifellos abscheulich, betont das Magazin. Aber das gelte auch für die Vorstellung, dass Anwälte für die Äusserung ihrer persönlichen Meinung ausserhalb der Arbeit disziplinarisch bestraft werden könnten.
Der neue Social Media Leitfaden des BSB sei nicht viel besser. Er enthalte eine Bestimmung, nach der die einfache Verlinkung zu einem bissigen Angriff auf eine Person des öffentlichen Lebens als berufliches Fehlverhalten gewertet werden könne, wenn nicht gleichzeitig eine ausdrückliche Erklärung abgegeben werde, dass man damit nicht einverstanden ist.
Das BSB behaupte zwar, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, habe dabei aber kaum mehr als die «verkrüppelte Version» nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention im Sinn. Im Ergebnis bedeute das: Wenn ein Anwalt völlig rechtmässige Ansichten in einer «anstössigen» Art und Weise äussere – was auch immer das heissen möge – könnte er sich ernsthafte Probleme mit einer Behörde einhandeln.
Indes sei die Rechtfertigung für dieses Vorgehen nicht einmal stichhaltig, urteilt Spiked. Das BSB behaupte, die Anwälte würden durch mehr Kontrolle ihrer Pflicht zu «integerem» Handeln besser nachkommen. Dies werde dazu beitragen, das «Vertrauen der Öffentlichkeit» in den Berufsstand wiederherzustellen. Das Magazin bezeichnet diese Argumentation als Blödsinn und offene Einladung zu Unehrlichkeit und Heuchelei.
Die Vertreter der Anwaltschaft würden zunehmend von progressiven Dogmen vereinnahmt. Sie seien nicht sonderlich interessiert an Meinungsvielfalt. Vielmehr seien sie entschlossen, den Berufsstand nach einem Bild umzugestalten, wo abweichende Meinungen nicht existierten.
Anmerkung der Redaktion:
Hoffnung könnte den Briten der Fall der neuseeländischen Anwältin Sue Grey machen. Diese wurde im August vom Vorwurf des Fehlverhaltens wegen angeblicher Behauptungen in den sozialen Medien freigesprochen, wie wir berichteten. Das Recht auf freie Meinungsäusserung müsse geschützt werden, lautete die Begründung des Gerichts.