Der britisch-israelische Journalist Anshel Pfeffer beleuchtet in Haaretz die Situation in Gaza City. Es drohe eine so grosse Zerstörung, dass die Stadt unbewohnbar werde. Obwohl die Aufmerksamkeit der Medien derzeit auf die Belagerung des al-Shifa-Hospitals und die mögliche Präsenz von Hamas-Führern in Krankenhäusern gerichtet sei, seien de israelischen Streitkräfte (IDF) vor allem in anderen Teilen der Stadt und ihren Aussenbezirken aktiv.
Die Flucht der Bevölkerung in den Süden habe laut Pfeffer dazu geführt, dass in Kürze möglicherweise mehr israelische Soldaten als Einwohner in Gaza City sein werden. Die IDF gehe sektorenweise vor, wobei systematisch nach Tunneln und Waffenlagern gesucht werde. Dies führe zur Zerstörung von Gebäuden, die man verdächtige, diese Einrichtungen zu beherbergen.
Pfeffer weist darauf hin, dass weite Teile der Stadt und ihrer Umgebung bereits zerstört wurden. Er prognostiziert, dass es nur noch wenige Wochen dauern könnte, bis die grösste palästinensische Stadt völlig unbewohnbar sein wird. Der Journalist stellt fest:
«Städte wurden schon früher zerstört, im Nahen Osten und überall auf der Welt, sowohl in der Vergangenheit als auch in der jüngsten Geschichte. Aber wenn dies geschieht, ist es ein seismisches Ereignis für die Länder.»
Der Journalist fragt weiter, was Israel nun mit der zerstörten Stadt tun werde, ob es Pläne für den Wiederaufbau gebe, oder die Stadt weiterhin in Ruinen liegen werde.
Pfeffer geht auch auf die Wahrnehmung dieser Zerstörung in der Welt ein. Er stellt die Frage, ob die internationale Gemeinschaft gespalten bleiben wird: zwischen denjenigen, die Verständnis für Israels Vorgehen nach dem 7. Oktober zeigen, und denen, die Israel in jeder Situation als bösen Aggressor betrachten.
Eine weitere Ungewissheit angesichts der Zerstörung ist gemäss dem Journalisten, ob sich die arabische Welt mit Verspätung der Sache des Gazastreifens annehmen und ihre «Normalisierungs»-Bemühungen mit Israel rückgängig machen wird. Pfeffer weiter:
«Vor allem aber: Was bedeutet das für die Palästinenser? Wird es in weiteren Generationen den Hass auf Israel schüren, oder wird es letztlich die Hamas sein, die man für Israels Reaktion verantwortlich machen wird?»
Pfeffer stellt fest: Obwohl beide Seiten die Entwurzelung von mehr als einer Million Menschen im Gazastreifen als eine «zweite Nakba» bezeichnet hätten, sei die Reaktion vieler Palästinenser viel differenzierter. Im Westjordanland breche keine dritte Intifada aus, trotz der gewalttätigen Provokationen der Siedler. Und die israelischen Palästinenser würden ein hohes Mass an Solidarität mit dem Rest der israelischen Gesellschaft zeigen. Pfeffer schliesst:
«Ist dies ein echter Wandel in ihrem Verhältnis zu Israel und zu sich selbst, oder wird sich der Zorn irgendwann Bahn brechen? Dieser Krieg ist noch lange nicht zu Ende, und auf keine dieser Fragen gibt es im Moment eine Antwort. Aber so wie der 7. Oktober alles verändert hat, ist die Zerstörung von Gaza-Stadt ein weiteres Ereignis, das die Realität unwiderruflich in einer Weise verändert hat, die wir noch nicht vorhersehen können.»
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