Kommentare von Leserinnen und Lesern sind seit einigen Jahren ein wichtiger Bestandteil von fast jeder Plattform. Die meisten Redaktionen moderieren diese, das heißt ein Mitglied der Redaktion muss sie freigeben, damit sie publiziert werden. So auch bei Transition News. Da heißt es zum Beispiel:
«Eine faire Diskussion ist uns ein großes Anliegen. Deshalb bitten wir Sie, sachliche Kommentare zu verfassen. Beleidigende und hetzerische Kommentare publizieren wir nicht. Zum Verständnis und für Leserlichkeit achten Sie bitte auf Groß-/Kleinschreibung, Interpunktion und Grammatik. Ihre Transition News-Redaktion»
Bei Transition News wird nur sehr selten ein Kommentar gelöscht, praktisch alle werden im Tagesverlauf frei gegeben. Sehr liberal bei den Kommentaren ist zum Beispiel die Schweizer Finanzplattform Inside Paradeplatz, praktisch eine Pflichtlektüre für Schweizer Bankangestellte. Die Kommentarsektion dieser Plattform ist denn auch berühmt-berüchtigt.
Allerdings handhaben das nicht alle Medien auf eine liberale Art. Das strengste Zensurregime herrscht wohl bei Tamedia, einem Verbund von Zeitungen in allen größeren Schweizer Städten und damit einem der immer noch größten Schweizer Medienhäuser.
Diese Woche hat sich der erfahrene Journalist René Zeyer des Themas angenommen. Zeyer arbeitete früher bei verschiedenen Medien, unter anderem war er Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) im kubanischen Havanna. Seit einigen Jahren betreibt er das medienkritische Portal Zackbum, auf dem er täglich Medien kritisiert und (selten) auch lobt.
Gestern thematisierte Zeyer die Zensurpraktiken und den generellen Umgang mit Meinungsäußerungen bei Tamedia. Zeyer bemängelt nicht nur die Behandlung von Autoren, sondern auch die Art und Weise, wie Leserkommentare auf den Plattformen des Unternehmens verwaltet und zensiert werden. Die von ihm beschriebene Zensur, so argumentiert er, untergräbt den Anspruch von Tamedia auf journalistische Qualität und Meinungsfreiheit.
Zeyer beginnt seine Kritik mit einem Hinweis auf seine eigene Situation: Er habe ein Schreibverbot bei Tamedia erhalten, weil die Chefredaktorin, so behauptet er, keine Kritik vertrage und ihm vorwerfe, sie mehrfach diffamiert zu haben. Allerdings, so Zeyer, sei sie nicht bereit, konkrete Beispiele für diese angeblichen Diffamierungen vorzulegen. Dies verdeutlicht aus seiner Sicht eine generelle Tendenz bei Tamedia, unliebsame Autoren und Meinungen auszuschließen, anstatt sich in einen offenen Diskurs zu begeben.
Obwohl Tamedia seinen Lesern laut eigenen Angaben eine freie Meinungsäußerung in den Kommentarspalten ermöglicht, solange diese rechtlich unbedenklich sei, beschreibt Zeyer die Realität als gegensätzlich. Er behauptet, dass zahlreiche anständige und vollständig publizierbare Kommentare gelöscht werden. Viele Leser hätten ihm entsprechende Beispiele zugeschickt, die zeigen, dass Kommentare zensiert wurden, ohne dass dies transparent kommuniziert wurde. Stattdessen erhielten die betroffenen Leser lediglich standardisierte Mitteilungen, während die übrigen Leser nicht bemerken würden, dass die Kommentarsektion selektiv bereinigt werde.
Zeyer weist darauf hin, dass Tamedia nur gelegentlich die Löschung von Kommentaren transparent ausweise, indem der Hinweis «Dieser Kommentar wurde von der Redaktion entfernt» erscheint. Er sieht darin jedoch eine Täuschung, weil dies nur einen Bruchteil der tatsächlich gelöschten Kommentare betreffe.
In einem spezifischen Beispiel, dem Artikel «Die Gefahr besteht, dass Frauen zu Tode gehetzt werden», habe er über 130 Kommentare gezählt. Zeyer bemängelt, dass massenhaft kritische Kommentare gelöscht wurden, während Kommentare, die die angeblich gelöschten Kommentare kritisieren, unangetastet blieben. Das führe zu einer einseitigen Darstellung, die er als «Kommentargesinnungsblase» bezeichnet.
Neben der Zensur in den Kommentarspalten wirft Zeyer Tamedia auch schwerwiegende Mängel in der journalistischen Qualität vor. Ein zentrales Beispiel ist der bereits erwähnte Artikel über die Gefährdung von Frauen durch Hetzkampagnen. Zeyer beschreibt diesen Artikel als schlecht recherchiert und ohne faktische Grundlage. Insbesondere kritisiert er die Aussage, dass die Politikerin Sanija Ameti unter Polizeischutz stehe und Morddrohungen erhalten habe.
Zeyer gibt an, dass er bei den zuständigen Behörden nachgefragt habe, diese jedoch nichts von einem solchen Polizeischutz wüssten. Auch auf eine Bitte um Belege für die angeblichen Morddrohungen habe Ameti nicht reagiert. Zeyer sieht darin ein Beispiel für die Veröffentlichung von «Räuberpistolen», also unbelegten, reißerischen Geschichten, ohne dass ein grundlegender Faktencheck stattgefunden habe. Zeyer vermutet, dass hier eine Politikerin, die ins linksgrün und EU-freundliche Meinungsbild von Tamedia passt, rehabilitiert werden soll, nachdem sie sich buchstäblich ins politische Abseits geschossen hatte.
Für Zeyer ist das Vorgehen von Tamedia in Bezug auf Zensur und fehlende journalistische Standards symptomatisch für einen größeren Verfall des Medienhauses. Er kritisiert die vermeintliche Inkompetenz der Redakteure, die einseitige Auswahl von Quellen und Experten sowie das Versagen, grundlegende journalistische Standards wie Faktenüberprüfung und Transparenz einzuhalten. Diese Probleme sieht er als Wegbereiter für den langfristigen Niedergang von Tamedia. Besonders problematisch sei dabei, dass unliebsame Meinungen – sowohl von Autoren als auch von Lesern – systematisch unterdrückt würden, während man zweifelhafte Inhalte ohne tiefgehende Überprüfung veröffentliche.
Dass in Bezug auf Kommentare viel gelöscht wird, das nicht in die linksgrüne Meinungsblase von Tamedia passt, sei hier nur an einem Beispiel kurz erläutert. Dieses könnte praktisch beliebig ergänzt werden. Am 14. Februar 2024 habe ich einen Tamedia-Artikel folgendermaßen kommentiert:
«Nicht alle Covid-Impfgegner sind prinzipielle Impfgegner (…). Dass die Covid-Impfung ein negatives Nutzen-Nebenwirkungsprofil hat, ist aber belegbar. Und Covid-Impfgegner zu sein, heißt nicht, zu behaupten, dass es Long Covid nicht gibt, obwohl es auch mit Impfnebenwirkungen zu tun haben kann. Gerade Covid-impfkritische Ärzte, die ich kenne, haben sich zum Teil sehr engagiert, wenn es um Hilfe für Long-Covid-Patienten geht.»
Die Standardantwort war: «Vielen Dank für Ihren Kommentar. Leider müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass Ihr Kommentar nicht veröffentlich werden kann. Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehört die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken. Ebenso persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer sowie Dritte oder auch ein grundsätzlicher Ton ‹unter der Gürtellinie›. Als beleidigend gelten auch Verunstaltungen von Namen, entweder von anderen Diskussionsteilnehmern, aber auch von dritten Personen oder Einrichtungen.»
Der obige Kommentar ist recht harmlos und es ist nicht ersichtlich, gegen welche Richtlinie er verstößt. Also hätte er publiziert werden müssen. Dass dies nicht geschah, zeigt, dass hier Zensoren am Werk sind und nicht Moderatoren. Es wird zum Beispiel fast alles unterdrückt, was mit der Covid-«Impfung» zu tun hat und kritisch ist, selbst wenn es belegbar ist.
Es kommt aber noch schlimmer. Zeyer hat sich schon in einem Beitrag am 5. August mit der Kommentarfunktion bei Tamedia beschäftigt. Er zeigt darin, dass Tamedia auch verstörende Kommentare publiziert, wenn sie ins Menschenbild der Redaktion passen. Ein Beispiel:
«In Krisensituationen taugen die meisten Männer nichts und verlassen überproportional oft eine alte kranke Ehefrau oder bringen sie gleich um. Gewalt im Alter gegen gesundheitlich beeinträchtigte Frauen ist allgegenwärtig. Kein Wunder, blühen die meisten Witwen auf.»
Ein Gegenkommentar wurde dann zensiert. Man kann Zeyer nur zustimmen, wenn er folgendes feststellt:
«Das ist ein Skandal erster Güte. Denn das sind keine Zufälle, dahinter steckt üble Methode. Hier zeigt sich die Kleingeistigkeit, die Verunsicherung und die Rechthaberei der dafür Verantwortlichen. Zudem kneifen sie vor jeder inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem apodiktischen Wort, dass über solche Entscheidungen keine Korrespondenz geführt werde.»
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