8. November 2021 – neben dem Zürcher Hauptbahnhof lag damals das Impfdorf, ein symbolischer Ort für die Auseinandersetzung um individuelle Freiheit und staatliche Macht. Was zunächst als einfache Szene am Rande eines öffentlichen Ereignisses begann, endete für die 28-jährige Nathalie P. in einer polizeilichen Festnahme, die für viele als erschreckendes Beispiel für Machtmissbrauch gilt. Die junge Frau, die sich lediglich als Zuschauerin an einem öffentlichen Platz aufhielt und mit ihrem Hund spazierte, wurde von der Polizei abgeführt und in Gewahrsam genommen. Ihr einziges Vergehen? Sie hatte zugeschaut und gefilmt.
Eine kleine Gruppe von etwa 15 Personen hatte am gleichen Tag eine Spontandemonstration angemeldet, um gegen die Eröffnung des Impfdorfes zu protestieren. Die Polizei verhinderte die Durchführung und führte die Demonstranten gleich wie Nathalie P. auf brutale Art und Weise wie Schwerverbrecher ab. Entlassen wurden sie erst in den Abendstunden.
Monate später erhielten die Teilnehmenden und Nathalie P. Strafbefehle wegen Teilnahme an einer nicht bewilligten Veranstaltung. Ein Dutzend Personen hat die Strafbefehle angefochten und wurde vom Bezirksgericht Zürich freigesprochen. Das Stadtrichteramt legte dagegen Berufung ein, scheiterte aber nun vor dem Obergericht, wie die Medien diese Woche berichteten.
Das Obergericht zweifelte grundsätzlich an der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Wegweisungen. Laut dem Urteil gab es «keinerlei Beweise» dafür, dass die Demonstranten die öffentliche Sicherheit gefährdeten. Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erscheine «als mindestens fraglich», so das Gericht. Es verwies dabei auf die geringe Teilnehmerzahl von nur etwa 15 Personen am Demonstrationszug an der Zollstrasse.
Die maßnahmenkritische Organisation Mass-voll.ch fordert nun eine rigorose Aufarbeitung der Polizeiarbeit an diesem Abend.