Etwa ein Fünftel der israelischen Bürger sind Araber. Gewalt und Diskriminierung gegen sie gehören zur Geschichte Israels. Doch trotz des im israelisch-palästinensischen Konflikt wurzelnden Misstrauens, arbeiteten und lebten sie mit jüdischen Bürgern in vielen Bereichen friedlich zusammen. Der Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel hat dies geändert.
So berichtet die israelische Zeitung Haaretz, dass viele arabische Busfahrer nicht mehr zur Arbeit erscheinen, da sie seit Kriegsausbruch Feindseligkeit und Gewalt ausgesetzt seien. Demonstranten vor einem Supermarkt in Beit Shemesh hätten sogar die Entlassung aller arabischen Angestellten gefordert. In einigen Wirtschaftszweigen habe es auch rassistische Forderungen gegeben, keine Araber mehr einzustellen, obwohl die Diskriminierung am Arbeitsplatz gesetzlich verboten ist.
Gemäss der Zeitung haben einige Busfahrer und Supermarktangestellte das Gefühl, keine andere Wahl zu haben, als ihren Arbeitsplatz zu meiden. Am Montag habe der Vorsitzende der National Labour Federation, Yoav Simchi, mitgeteilt, dass sich nur 60 Prozent der arabischen Busfahrer aus dem sogenannten Dreieck arabischer Gemeinden nordöstlich von Tel Aviv und in Galiläa zur Arbeit gemeldet hätten.
Laut Simchi kamen nur vier Prozent der Fahrer aus Ostjerusalem zur Arbeit, öffentlichen Verkehrsunternehmen zufolge waren es hingegen 40 Prozent. Beides sei jedoch ein niedriger Wert, der auch erhebliche Auswirkungen auf den öffentlichen Nahverkehr habe, so Haaretz.
Seit Ausbruch des Krieges gebe es Feindseligkeit gegenüber Arabern «in Hülle und Fülle in den WhatsApp-Messaging-Gruppen», insbesondere in jüdischen Siedlungen in Ost-Jerusalem wie Ramot. Eine Gruppe habe sogar versucht, einen Angriff auf arabische Fahrer am zentralen Busbahnhof der Stadt zu organisieren. Ausdrücke wie «Nakba 2» und «Säuberung» seien gefallen, Anspielungen auf die Vertreibung von Arabern im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948.
«Passagiere schauen mich mit einem beängstigenden Blick an»
Doch die Bedrohungen beschränken sich laut Haaretz nicht auf die sozialen Medien. Als Fahrer eines Morgens am Busdepot in Ramot angekommen seien, hätten sie Graffiti mit der Aufschrift «Tod den Arabern» und «Kahane hatte recht» vorgefunden. Letzteres verweist auf den verstorbenen rassistischen Rabbi Meir Kahane, dessen Kach-Partei aus der Knesset verbannt wurde.
Laut der Zeitung gab es auch Belästigungen. Beispielsweise habe ein Passagier von einem arabischen Fahrer gefordert, «Nieder mit der Hamas» zu rufen, bevor er ihn habe weiterfahren lassen. Ramzi Rajabi vom Fahrerkomitee des Busunternehmens Electra Afikim erklärte:
«Glücklicherweise habe ich einen neuen Bus mit einer Barriere zwischen mir und den Fahrgästen, aber das Gefühl ist überhaupt nicht gut. Viele Passagiere schauen mich beim Einsteigen von Kopf bis Fuss an. Und wenn sie dann aussteigen, werfen sie mir wieder einen bedrohlichen Blick zu. Normalerweise bin ich ein ziemlich entspannter Mensch, aber in letzter Zeit gibt es viel Angst und Anspannung. Electra Afikim beschäftigt 150 Fahrer in Gebieten an der Grenze zu Jerusalem, aber in den letzten zwei Wochen kamen nur 16 jüdische Fahrer und vier arabische Fahrer zur Arbeit.»
Einige Passagiere seien tatsächlich gewalttätig gewesen, sagte Rajabi, und viele Fahrer hätten sich entschieden, überhaupt nicht zur Arbeit zu erscheinen. «In einer Samstagabendschicht stiegen die Fahrer mittendrin aus, nachdem sie bedroht und mit Steinen beworfen wurden», erzählte er. In der jüdische Siedlung Givat Ze’ev im Westjordanland hätten Schläger Bushaltestellen zerstört und antiarabische Schilder darauf geklebt.
Mit der Wiederaufnahme des Nachtbusverkehrs werde das Problem noch gravierender. Rajabi zufolge weigern sich arabische Fahrer, während dieser Stunden zu arbeiten. Er bedauerte:
«Ich fahre seit 13 Jahren und Mitfahrer, die jahrelang immer mit mir geplaudert haben, schauen mich jetzt mit einem beängstigenden Blick an, als würden sie mich nicht kennen.»
Electra Afikim hat versprochen, die Fahrer zu schützen, doch laut Rajabi hat sich bislang nichts geändert.
Diese zunehmende Welle antiarabischer Vorurteile richtete sich gemäss Haaretz auch gegen arabische Supermarktmitarbeiter. In Beit Shemesh hätten mehrere Dutzend Menschen vor einer Yesh Chesed-Filiale für die ultraorthodoxe Gemeinschaft der Supermarktkette Shufersal protestiert und die Entlassung des arabischen Personals des Ladens fordert. Auslöser des Protests sei die Behauptung gewesen, arabische Angestellte hätten gelacht, als in der Stadt Raketensirenen erklangen. Die Behauptungen hätten ihren Weg in die verschiedenen WhatsApp-Gruppen der Stadt gefunden und schon bald sei der Protest «gegen Unterstützer des Terrorismus» organisiert worden.
Infolgedessen sei das arabische Personal des Ladens gegangen. Das Unternehmen gibt an, dass sie nicht entlassen wurden und dass einige an andere Standorte versetzt wurden.
«Die gesamte Wirtschaft ist auf arabische Arbeitskräfte angewiesen»
Arbeitgeber, die in hohem Masse auf arabische Arbeitskräfte angewiesen sind, versuchen Haaretz zufolge den Personalmangel zu bewältigen. Ein Supermarktmanager teilte mit:
«Die gesamte Wirtschaft ist auf arabische Arbeitskräfte angewiesen, insbesondere in unseren Fleischverarbeitungs-, Bau- und Liefersektoren. Wir sind bereit, jeden einzustellen, der arbeiten möchte. Im Moment sind es nicht so viele.»
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