Israels religiöse Rechtsextreme wollen nach der ethnischen Säuberung des Gaza-Streifens diesen zu einer israelischen «Riviera» umbauen und neugestalten. Einen entsprechenden Plan haben sie am Dienstag innerhalb des Gebäudes des Parlaments, der Knesset, vorgestellt, wie der investigative US-Journalist Seymour Hersh am Freitag berichtete. Er beruft sich dabei unter anderem auf einen entsprechenden Beitrag auf dem ultraorthodoxen israelischen Online-Portal Behadrei Hadarim.
Danach planen die von Kritikern wie Moshe Zuckermann als faschistisch eingestuften religiösen Rechtsextremen eine Zukunft für Gaza ohne dessen bisherige Bewohner. Die werden weiter ermordet, verstümmelt und vertrieben. Die israelische Armee IDF hat ihren Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser wieder ausgeweitet.
Der «Fantasieplan» sei am Dienstag einer Gruppe aus israelischen Abgerodneten, Rabbinern, trauernden Angehörigen von im Kampf oder in Hamas-Gefangenschaft ums Leben gekommenen IDF-Soldaten und Sicherheitsbeamten aus Gaza vorgestellt worden. Sein Titel laute (auf Englisch) «The Riviera in Gaza – From Vision to Reality». Es handele sich um « eine Blaupause für eine Zukunft in Gaza ohne die Palästinenser, die dort derzeit leben und sterben», schreibt Hersh (88).
Das Treffen habe im schlichten Negev-Saal im zweiten Stock der Knesset in Jerusalem stattgefunden, in Anwesenheit von mindestens zwei Journalisten von Online-Nachrichtenportalen, die über die religiöse Rechte in Israel berichten. Die Sitzung sei von «zwei der offensten und umstrittensten Befürworter der Ansiedlung israelischer Bürger in Gaza» geleitet worden: Finanzminister Bezalel Smotrich und dem Nationalen Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir. Letzterer ist ein rechtsextremer Siedler aus dem Westjordanland, der seit langem für gewalttätige anti-arabische Agitation bekannt ist und mindestens acht Verurteilungen wegen gewalttätiger anti-arabischer Aktivitäten hat, wie Hersh schreibt und auch andere Journalisten bestätigen.
Smotrich erklärte demnach auf der Konferenz, der neue israelische Generalstabschef, Generalleutnant Eyal Zamir, habe ihm kürzlich in einem Gespräch versichert, dass die nördliche Grenze des Gazastreifens «aus Sicherheitsgründen» annektiert werden sollte. Zu Beginn seiner Karriere sei Zamir als militärischer Berater von Premierminister Benjamin Netanjahu tätig gewesen. Er werde von vielen Vertretern der religiösen Rechten als Opportunist angesehen, wenn auch als zunehmend willkommener, so Hersh.
Er schreibt, ein hochdekorierter ehemaliger IDF-Offizier habe ihm gesagt, er sei fassungslos gewesen, als er erfahren habe, dass die religiöse extreme Rechte in Israel mit anwesenden Reportern in der Knesset konkret über die Zukunft des Gazastreifens diskutiere. Das Onlineportal Behadrei Hadarim habe über das Treffen unter anderem Folgendes berichtet:
«Der Plan sah eine beispiellose Transformation vor, die ... Gaza wieder unter die volle israelische Souveränität stellen und es in ein entwickeltes und innovatives Gebiet verwandeln würde, mit Wohnraum für Hunderttausende von Einwohnern, moderner Landwirtschaft, einem Hafen, Flughäfen, Industriegebieten, Universitäten, Gesundheitsfonds und Touristenkomplexen entlang der Küste.»
Die Pläne basieren laut dem Portal unter anderem auf der Zerstörung des derzeitigen Gazastreifens. Dies sei der Ausgangspunkt für den Wiederaufbau des gesamten Gebiets nach dem Modell eines «politischen Neustarts». Der Plan sehe eine Neugliederung des Gazastreifens in zivile Gouvernements (wie das Gouvernement Rafah, das Gouvernement Khan Younis und das Gouvernement Gaza-Küste) vor, mit der Schaffung von infrastrukturellen und regionalen Ankerpunkten, die das Gesicht des gesamten südlichen Gazastreifens verändern sollen.
«Die Hauptmerkmale des Plans sind der Bau von etwa 850.000 Wohneinheiten, ein internationaler Flughafen, U-Bahnen, Metrolinien, Solarstraßen, autonome Drohnen und ein neuer Seehafen, der den Gazastreifen mit dem Festlandachse Indiens und Europas verbinden und ihn zu einem globalen Handelsgateway machen wird.»
Darüber soll es dem Plan nach mehrere Handelszonen für die Börse, Kryptowährungen und Fintech geben sowie Konferenzzentren und Hightech-Komplexe. Im Süden des Gazastreifens soll es laut dem Portal moderne Landwirtschaft mit Forschungsparks, Wasseraufbereitung und Energiespeicherung geben. Vor der Küste Gazas solle eine künstliche Insel aus Kriegsschutt errichtet werden, die für Handel und Tourismus genutzt werden soll.
Der Plan solle über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren in Zusammenarbeit mit Israel und internationalen Gremien umgesetzt werden. Kurzfristig würden die Trümmer im Gaza-Streifen beseitigt und die Infrastrukturarbeiten beginnen. In den folgenden vier Jahren sollen demnach Verkehrswege, Wohngebiete und zentrale Komplexe gebaut werden, und langfristig würden die Handelszonen, die künstliche Insel und die neuen Siedlungen fertiggestellt. Dem Bericht des Portals nach erklärte Smotrich dazu:
«Wir haben große Unterstützung vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, um Gaza in eine prosperierende Region zu verwandeln, in eine Küstenstadt, in der es Siedlungen und Arbeitsplätze gibt. So wird Frieden geschaffen.»
Dem Bericht zufolge gab es bei der Veranstaltung viele ähnliche Reden, ohne dass darüber diskutiert wurde, was mit den überlebenden Bewohnern Gazas geschehen soll, von denen viele unter Unterernährung, schlechter Gesundheit und Verletzungen durch die Bomben und Waffen Israels leiden.
Hersh berichtet, die Fantasievorstellungen in der Knesset hätten bei den ihm bekannten Israelis, erneut Besorgnis über die Rationalität der religiösen Rechten in Israel geweckt, die ein wesentlicher Teil der politischen Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist. Dieser lasse weiterhin Gaza und Israels Nachbarn – letzten Monat den Iran und jetzt Syrien – bombardieren. Er werde «durch US-Militärhilfe und eine religiöse Rechte, die dem immensen Leid in Gaza gleichgültig gegenübersteht, im Amt gehalten».
Während der gesamten Konferenz sei nicht über die schreckliche Lage der Bewohner Gazas gesprochen worden, von denen viele unter einer Situation leiden, die man nur als drohenden Hungertod bezeichnen kann.
«Es ist eine Gleichgültigkeit gegenüber einer alten Kultur, die viele Anhänger von Smotrich und Ben-Gvir teilen.»
Der US-Journalist schreibt, die Gaza-Pläne der israelischen Rechtsextremen würden einen seiner israelischen Kontakte, ein säkularer Jude, an einen gescheiterten Plan der der deutschen Faschisten aus dem Jahr 1939 erinnern, Juden zu deportieren, als der Krieg in den besetzten Gebieten Polens um sich griff. Das Ziel des sogenannten Nisko-Plans sei es gewesen, Westeuropa von Juden zu befreien und sie in deutschen Rüstungsfabriken in der Nähe von Lublin arbeiten zu lassen, einem Gebiet, das von einigen Faschisten als Zentrum der weltweiten Macht der Juden und ihres genetischen Potenzials angesehen wurde.
Das Gebiet nahe der ukrainischen Grenze sei als «sumpfig» bekannt gewesen. Das Leid der Menschen in den überfüllten Lagern habe zu negativen Berichten und der Befürchtung geführt, dass die Nazis unter der negativen Presse leiden würden. Außerdem seien viel mehr Juden aus Polen deportiert worden als ursprünglich vorgesehen. Mit der Ausweitung der Nazi-Offensive sei das Problem der Überbelegung in Lublin und ähnlichen Arbeitslagern unkontrollierbar gewesen. Die Lösung, die die Nazis beschlossen, war der Holocaust und der Massenmord an den Juden. Hersh weiter:
«Für einige Israelis sind die beiläufigen Äußerungen in der Knesset-Sitzung über die Vertreibung von Hunderttausenden Bewohnern des Gaza-Streifens und den Bau einer magischen neuen Stadt, wie mir gesagt wurde, ‹eine Monstrosität›, die an die schlimmsten Zeiten des Zweiten Weltkriegs erinnert.»
Anmerkung Transition News: Auch die Financial Times hat bereits Anfang Juli über Pläne des US-Präsidenten Donald Trump informiert, in der solche Neustrukturierungspläne vorgeschlagen werden. Zu diesem Modell der US-Regierung gehört, Gaza in eine «Trump Riviera» zu verwandeln (wir berichteten).