Dass das Peer-Review-Verfahren unsolide ist, um es einmal gelinde zu formulieren, ist keine neue Erkenntnis. Anfang des Jahres etwa brachte Transition News den Beitrag «Wissenschaftlicher Publikationsprozess ist ‹kaputt› und ‹irreparabel›».
Beim «Peer Reviewing» geht es darum, dass eine wissenschaftliche Arbeit durch angeblich «unabhängige» Gutachter, also Wissenschaftler des selben Fachgebiets bewertet wird («Peers» bedeutet übersetzt «Ebenbürtige» oder «Gleichrangige»). «Das Peer-Review-Verfahren ist das gängigste Verfahren der Qualitätsprüfung vor Veröffentlichung von Beiträgen in wissenschaftlichen Zeitschriften», lesen wir etwa auf der Seite der Berliner Humboldt-Universität.
Doch so gängig es ist, so sehr ist dort der Wurm drin. Man muss sich nur vergegenwärtigen, wie es funktioniert: Experten («Peers»), die anonym bleiben, begutachten («to review») die von ihrer Wissenschaftskonkurrenz eingereichten Anträge auf Forschungsprojekte sowie Fachartikel – und entscheiden dann darüber, ob die Anträge gewährt beziehungsweise die Artikel in einem Fachmagazin abgedruckt werden. Alle bekannten Journals wie Nature, Science, New England Journal of Medicine The BMJ, The Lancet und so weiter sind «peer reviewed».
Doch «Peer Reviewing» ist so, als würde zum Beispiel die direkte Konkurrenz von BMW in einem anonym ablaufenden Verfahren darüber entscheiden können, ob BMW ein neues Automodell entwickeln und auf den Markt bringen darf oder nicht. Dies stellt ein Prozedere dar, das innovationsfeindlicher nicht sein könnte und Interessenkonflikte und Betrug geradezu heraufbeschwört.
Richard Smith, von 1991 bis 2004 Chef des heutigen The BMJ, konstatierte 1999:
«[Peer Reviewing] ist langsam, teuer, eine Verschwendung akademischer Zeit, höchst subjektiv, anfällig für Voreingenommenheit, leicht zu missbrauchen, schlecht für die Aufdeckung grober Mängel und nahezu unbrauchbar für die Aufdeckung von Betrug.» [1]
Missbraucht wird es nicht zuletzt auch dadurch, dass sich Big Pharma finanziell ordentlicht einmischt. So kassierte in den Jahren 2020 bis 2022 fast die Hälfte der US-amerikanischen Ärzte, die als Gutachter für vier große internationale Fachzeitschriften tätig waren, von den Pharmakonzernen rund eine Milliarde US-Dollar, wie eine kürzlich in der Fachzeitschrift JAMA veröffentlichte Untersuchung zutage förderte.
Der größte Teil des Geldes sei dabei an die Institute der Gutachter geflossen, so der Bericht in JAMA. Öffentlich zugängliche Informationen über Interessenkonflikte von Gutachtern seien derweil selten, obwohl viele von ihnen Verbindungen zur Industrie haben, sagen die Forscher. Der korrespondierende Autor Christopher Wallis von der Universität Toronto sagte gegenüber MedPage Today:
«Peer-Gutachter sind kritische Schiedsrichter bei der Beurteilung der Gültigkeit und Relevanz von peer reviewten Studien. Daher ist das Verständnis der potenziellen intellektuellen und finanziellen Beziehungen, die sich auf ihre Entscheidungsfindung auswirken können, der Schlüssel zum Verständnis, wie sich diese Einflüsse auf die von Experten begutachtete Literatur auswirken.»
Nach Auffassung der Autoren ist das Peer Reviewing «traditionell undurchsichtig». Stefan Homburg wurde in einem Kommentar auf X sehr viel deutlicher:
«Wissenschaftliche Arbeiten werden vor Veröffentlichung von anonymen Gutachtern (peers) kontrolliert. Diese Artikel gelten als vertrauenswürdigste Erkenntnisquelle und werden zur Rechtfertigung politscher Maßnahmen herangezogen.
Nachdem JAMA diese Bombe platzen ließ, versteht man, warum jemand wie Ioannidis durch die Feststellung weltberühmt wurde, dass die weitaus meisten medizinischen Studien Schrott seien.
Ich war in wohl mehr als 100 Fällen anonymer Gutachter. In einem einzigen Fall erhielt ich nach mehreren in kurzer Zeit abgegebenen Gutachten ein einjähriges Gratisabo der Fachzeitschrift Journal of Public Economics. Sonst habe ich nie etwas erhalten. Dass derartige Summen im Spiel sind und die Pharmakonzerne auch Reisen, Mahlzeiten usw. bezahlen, war mir bisher unbekannt.»
Besonders perfide sei, so Homburg, dass finanzielle Interessenkonflikte nur von Autoren offengelegt werden müssten, nicht aber von Gutachtern. Möglicherweise habe so mancher Gutachter nach einem fingierten «wirksam und sicher» das ersehnte Einfamilienhaus bauen können.
[1] Torsten Engelbrecht et al. Virus-Wahn: Corona/Covid-19, Masern, Schweinegrippe, Vogelgrippe, SARS, BSE, Hepatitis C, AIDS, Polio, Spanische Grippe. Wie die Medizinindustrie ständig Seuchen erfindet und auf Kosten der Allgemeinheit Milliardenprofite macht, 2021, S. 66
Kommentare