Der Sommer nimmt Fahrt auf und – wenn das Wetter mitmacht – damit kommt auch die Zeit zum draussen sein und für Erlebnisse in freier Natur. Doch: Was darf man draussen tun?
Es ist wenig bekannt, dass es in den nordischen Ländern und in der Schweiz das skandinavische beziehungsweise alpenländische Jedermannsrecht gibt, auch bekannt als Jedermannszutrittsrecht in der Schweiz. Dieses Gewohnheitsrecht gewährt in den nordischen Ländern (außer Dänemark), Schottland und der Schweiz allen Menschen bestimmte grundlegende Rechte bei der Nutzung der Wildnis und gewissem privaten Landeigentum.
Es erlaubt Aktivitäten wie Zelten und Feuermachen und geht somit deutlich über das reine Betretungsrecht wie es beispielsweise in Deutschland besteht hinaus (siehe hier und hier).
Das Jedermannsrecht existiert in leicht unterschiedlichen Ausprägungen in Schweden (allemansrätten), Norwegen (allemannsretten) und Finnland (allemansrätten bzw. jokamiehenoikeus). Ähnliche Regelungen gibt es in der Schweiz als Jedermannszutrittsrecht und in Schottland.
Grundsätzlich erlaubt das Jedermannsrecht jedem Menschen, die Natur zu genießen und ihre Früchte zu nutzen, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Die Ausübung dieses Rechts darf jedoch weder der Natur noch anderen Menschen Schaden, Störungen oder sonstige Nachteile zufügen.
Der häusliche Frieden des Landbesitzers ist zu achten, und es müssen angemessene Abstände zu Wohnhäusern eingehalten werden. In bestimmten Gebieten wie Nationalparks oder militärischen Sperrgebieten kann das Jedermannsrecht eingeschränkt sein.
In Finnland ist das Jedermannsrecht uralte Tradition und als Gewohnheitsrecht nur begrenzt schriftlich geregelt. Die Grenzen des Erlaubten sind in verschiedenen Gesetzen wie dem Naturschutzgesetz und dem Strafgesetz festgelegt.
In Norwegen ist das Jedermannsrecht im «Gesetz über das Leben im Freien» (Lov om friluftslivet) von 1957 festgeschrieben.
Das uralte Gewohnheitsrecht in Schottland wurde mit dem Land Reform (Scotland) Act 2003 festgeschrieben und ist auch als Outdoor Access Code bekannt. Es erlaubt bis zu drei Nächte wildes Zelten, ausgenommen auf bewirtschafteten Flächen, in Sichtweite von Häusern und historischen Stätten.
In Schweden gibt es kein schriftlich fixiertes Jedermannsrecht, jedoch sichert ein Satz in der Regeringsformen, einem der vier schwedischen Grundgesetze, jedermann den freien Zugang zur Natur zu.
Das Jedermannsrecht in der Schweiz hat seinen Ursprung in mittelalterlichen Rechten und ist hauptsächlich in Art. 699 Abs. 1 des Zivilgesetzbuches definiert. Wald und Weide sind für jedermann zugänglich, solange keine übermäßige Nutzung stattfindet. Privateigentum kann in bestimmten Fällen zum Schutze der Natur eingezäunt werden. Wälder in Privatbesitz dürfen nicht eingezäunt werden und müssen zugänglich bleiben.
Das Jedermannsrecht erlaubt das Durchqueren von Land zu Fuß, auf Skiern oder per Fahrrad. Motorisierte Fahrzeuge dürfen auf unkultiviertem Land am Straßenrand geparkt werden, ohne Verkehr zu behindern oder Schäden anzurichten.
Zelten ist auf unkultiviertem Land für ein bis zwei Nächte erlaubt, solange keine zusätzlichen Aufbauten getätigt werden und der Boden nicht wesentlich verändert wird.
Es besteht freier Zugang zu Meeresküsten, Seen und Flüssen zum Baden, Rudern, Paddeln, Segeln und vorübergehenden Anlegen mit Booten.
Wild wachsende Beeren, Pilze, Blumen und herabgefallene Zweige dürfen für den persönlichen Bedarf gesammelt werden, wobei bestimmte Beschränkungen und Schutzbestimmungen gelten.
Fischen ist in Finnland nur mit Haken und Leine erlaubt. In Norwegen darf im Salzwasser ohne Genehmigung geangelt werden. In Schweden ist das Fischen im Rahmen des Jedermannsrechts eingeschränkt auf bestimmte Gewässer. In der Schweiz wird das Fischen durch das Bundesgesetz über die Fischerei geregelt.
Das Entfachen von Feuer ist mit größtmöglicher Vorsicht erlaubt, außer in Finnland, wo dies ohne Genehmigung nur in Notfällen gestattet ist. Bei Brandgefahr können örtliche Behörden das Feuermachen verbieten.
Abfälle dürfen nicht zurückgelassen werden, auch das Vergraben von Abfällen ausser Exkrementen ist unzulässig, da Tiere sie wieder ausgraben könnten.
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