In einem sind US-Politiker besonders gut: Sie zeigen gerne mit dem Finger auf ihre Gegner, die sie regelmässig der Verbrechen bezichtigen. Doch die eigenen Gräueltaten kehrt man gerne unter den Teppich.
Jüngstes Beispiel hierfür ist John Kerry. Der ehemalige US-Aussenminister und heutige Klima-Sondergesandte von US-Präsident Joe Biden kritisierte zuletzt immer wieder die russische Invasion in die Ukraine.
Im Interview mit dem französischen Nachrichtensender La Chaîne Info (LCI) beschrieb Kerry Wladimir Putin als eine «Bedrohung für die westlichen Demokratien». Der russische Präsident habe «rote Linien» überschritten.
Der Schweizer Moderator Darius Rochebin hakte jedoch kritisch nach und fühlte Kerry auf den Zahn. Rochebin gab Kerry insofern recht, als Putin für die Invasion zu verurteilen sei. Er fügte jedoch hinzu: «Aber ihr, die Amerikaner, ihr habt das Verbrechen der Aggression im Irak begangen.»
Vor diesem Hintergrund würden sich die Länder im Globalen Süden heute fragen: «Warum wird Bush nicht auf die gleiche Weise beurteilt?», so Rochebin in Anspielung auf den Ex-US-Präsidenten George W. Bush. Er war 2003 in den Irak einmarschiert mit der Begründung, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen habe.
Kerry zufolge sei ein solcher Vergleich nicht machbar. Auf Rochebins Frage, warum dieser Vergleich nicht zulässig wäre, entgegnete er: «Weil es nie einen direkten Prozess oder eine Anschuldigung oder irgendetwas in Bezug auf Präsident Bush selbst gegeben hat.» Der US-Klima-Sondergesandte gestand zwar ein, dass es «Missstände gegeben» habe. Er betrachtet den Irak-Krieg aber trotzdem nicht kritisch.
Auf Rochebins Frage, ob es nicht ein Verbrechen gewesen sei, «auf der Grundlage einer Lüge in den Irak einzumarschieren», entgegnete Kerry. «Nun, wir wussten damals nicht, dass es sich um eine Lüge gehandelt hatte. (...) Also nein, noch einmal: Ich denke, Sie überspannen etwas. Das ist kein konstruktiver Weg.»
«Aber er (Bush, Anm. der Redaktion) hat gelogen», sagte Rochebin über Bush. Ein aufgeregter Kerry entgegnete daraufhin:
«Sir, ich werde jetzt nicht noch einmal mit Ihnen über den Irak-Krieg debattieren. Wir haben schon viel Zeit damit verbracht, das zu tun. Ich war dagegen, in den Krieg zu ziehen. Ich hielt es für falsch. Aber wir haben dem Präsidenten die Macht gegeben (...), basierend auf einer Lüge. Und als wir wussten, dass es eine Lüge war, sind die Leute aufgestanden und haben das Richtige getan.»
Fakt ist: Kerry nannte den Krieg zwar am Vorabend der ersten Luftangriffe «ein Versagen der Diplomatie von gewaltiger Grössenordnung». Er positionierte sich aber auch nicht dagegen. Im Parlament stimmte er damals nämlich dem Gesetz zu, das Bush ermächtigte, den Irak militärisch anzugreifen.
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