Die Diskussion über den schwedischen Sonderweg im Kampf gegen Covid-19 reißt nicht ab. Das Land, das auf einen Lockdown verzichtete, gilt für Hardliner wie sie sich in Deutschland finden, nach wie vor als No-Go Area. Reisewarnungen für Schweden blieben bis heute bestehen. Doch nun präsentiert die Association Bon pour la tête eine Analyse, die anhand von offiziellen Statistiken vor allem eins verdeutlicht: Schwedens Weg war ein Erfolg.
Die Analyse des Schweizer Wissenschaftlers Fabien Balli-Frantz kann weitreichende politische Folgen haben. Sie liefert zudem jenen, die gegen die Folgen der Corona-Maßnahmen klagen, ernstzunehmende Argumente.
Auf den ersten Blick freilich sind die von Balli-Frantz präsentierten Daten wenig geeignet, um den Lockdown-Verzicht der Schweden als nachahmenswert zu bezeichnen. Denn die Zahl der kumulierten Todesfälle lag 2020 mit 41‘469 um insgesamt 2’433 höher als der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre im selben Zeitraum. Der Anstieg beträgt demnach 6,2 Prozent.
Das Corona-Virus, so lassen es diese Daten erkennen, schien bislang tatsächlich mehr Menschen dahinzuraffen, als andere Ursachen. Somit: Ende der Diskussion? Nein, ein vertiefter Blick in die Daten und deren korrekte Interpretation führt zu einer interessanten Erkenntnis.
Denn Balli-Frantz machte das, was gerade Verfechter des Lockdowns nicht taten. Er verglich die nackten Zahl der Todesfälle mit dem Alter der Verstorbenen und, ein Novum, mit der durchschnittlichen Lebenserwartung der Bevölkerung Schwedens.
Dass vor allem alte Menschen und Vorerkrankte zu den häufigsten Todesopfern mit Covid-19 zählen, bestätigen zwar sowohl die US-amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC als auch europäische Behörden. Nicht einmal das deutsche Robert-Koch-Institut verneint diese Tatsache. Allein das wäre daher weder neu, noch spektakulär.
Deswegen berücksichtigte Balli-Frantz neben den beiden statistischen Größen Alter und Todesfallzahlen einen dritten, entscheidenden Faktor: das durchschnittliche Lebensalter der schwedischen Bevölkerung.
Das Ergebnis lässt aufhorchen: «Das geschätzte Durchschnittsalter der Menschen, die in Schweden an Covid-19 gestorben sind, liegt in der Größenordnung der Lebenserwartung des Landes», erklärt der Wissenschaftler die Daten.
Tatsächlich waren in Schweden 91,8 Prozent der mit Covid-19 Verstorbenen älter als 70 Jahre. Die Untergrenze betrug statistisch 77,5 Jahre, während die Mittelgrenze bei 82,5 Jahren, und die Obergrenze bei 87,5 Jahren lag.
«Im Falle einer idealen statistischen Verteilung wird das mittlere Sterbealter auf 82,5 Jahre geschätzt. Dieser Wert entspricht der Lebenserwartung in Schweden im Jahr 2017: 82,31 Jahre», schreibt Balli-Frantz.
Der fehlende Lockdown des Landes, so belegen es die epidemiologischen Daten in der kombinierten Interpretation, veränderte letztendlich am Gesamtbild der Lebenserwartung nichts.
«Mit anderen Worten, der Tod kann nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden, was die Tatsache zeigt, dass eine starke Grippe oder andere Erreger von Atemwegsinfektionen schwer geschwächte Menschen angreifen, die wie jetzt in der Zeit von Covid-19 sterben», resümiert Balli-Frantz.