Während der ersten zwei Monate der Corona-Pandemie in Deutschland ist Diabetes Typ I bei Kindern und Jugendlichen offenbar vielfach erst mit deutlicher Verzögerung diagnostiziert worden – mit zum Teil lebensbedrohlichen Folgen. Darauf machen Forscher unter Beteiligung von Medizinerinnen und Medizinern der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) aufmerksam. Sie stellten fest, daß es in diesem Zeitraum deutlich mehr Fälle von diabetischer Ketoazidose gab.
Dabei handelt es sich um eine akute lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung, die bei Insulinmangel auftritt und meist mit einer verspäteten Diagnose von Diabetes mellitus Typ 1 einhergeht. Die Studie, die im renommierten Journal of the American Medical Association (JAMA) veröffentlicht wurde, verwendete Daten aus dem deutschen Register der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV, Datenauswertung Universität Ulm) von 532 Kindern und Jugendlichen, bei denen zwischen dem 13. März 2020 und dem 13. Mai 2020 die Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 1 neu gestellt wurde.
Die Ergebnisse «zeigen beispielhaft die Folgen einer verzögerten Gesundheitsversorgung während der Corona-Pandemie», resümieren die Mediziner.
Im Detail:
Die beobachteten Häufigkeiten von diabetischer Ketoazidose wurden den Medizinern zufolge mit den gleichen Zeiträumen der Jahre 2018 und 2019 verglichen.
«Von den aktuellen Patientinnen und Patienten hatten 45 Prozent zum Zeitpunkt der Diagnose schon eine Stoffwechselentgleisung, während der Anteil in den Zeiträumen 2018 und 2019 nur bei 24 beziehungsweise 25 Prozent lag», schrieben die Mediziner, und: «Dies entspricht einem durchschnittlichen Anstieg von 85 Prozent».
Das höchste Risiko hatten laut der Studie jüngere Kinder unter sechs Jahren: Bei ihnen verdoppelte sich während der Corona-Pandemie das Risiko für eine Stoffwechselentgleisung zum Zeitpunkt der Diagnosestellung.