Kinder machen zwar nur ein Drittel der Weltbevölkerung aus, doch sie waren schon vor der Pandemie besonders stark von Armut betroffen. Die Hälfte von ihnen muss mit weniger als 1.90 Dollar pro Tag auskommen, berichtet Collateral Global, eine globale Gemeinschaft von Wissenschaftlern, welche die weltweite Auswirkung der Corona-Massnahmen untersucht. Laut einer Analyse des Kinderhilfswerkes UNICEF und Save The Children sei die Zahl der in Armut lebenden Kinder um 15 Prozent gestiegen. Insgesamt seien 150 Millionen Kinder durch Pandemie-Massnahmen zusätzlich verarmt.
Unzureichende Gesundheitsversorgung
In einer Welt, in der 800 Millionen Menschen mindestens zehn Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Gesundheitsversorgung ausgeben, könnte selbst ein bescheidener Anstieg des Bedarfs an medizinischer Versorgung die Schwächsten dazu zwingen, sich zwischen Nahrung oder Medizin zu entscheiden. Dass Kinder an Covid-19 sterben, sei unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher sei hingegen, dass sie keinen Zugang zur lebenswichtigen Gesundheitsversorgung mehr hätten. Sei es durch geschlossene Kliniken, oder durch Quarantänemassnahmen. Zu Beginn der Pandemie schätzten Dr. Timothy Roberten et al., in einer Publikation im Fachmagazin The Lancet, dass durch die unterbrochene Gesundheitsversorgung, für die ohnehin schon unter mangelnder Ernährung leidenden Bevölkerung, weitere 1.2 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtsjahr sterben könnten.
Versäumte Routineimpfungen
Da der Löwenanteil der weltweiten medizinischen Ressourcen in die Bekämpfung von Covid-19 gesteckt werde, sei der Kampf gegen herkömmliche Erreger mit tödlichen Folgen hingegen vernachlässigt worden. Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO hätten gezeigt, dass der Zugang zu Routineimpfstoffkampagnen in 50 Ländern noch immer unterbrochen sei. Dadurch seien rund 228 Millionen Menschen, darunter meist Kinder, durch lebensbedrohliche Krankheiten wie Masern, Gelbfieber und Polio gefährdet. Mehr als die Hälfte der betroffenen Länder befänden sich auf dem afrikanischen Kontinent. Das Masern-Virus sei besonders ansteckend und weltweit für über 200.000 Todesfälle verantwortlich. Kinder seien davon am meisten betroffen. Aktuelle Nachrichten über schwere Ausbrüche bei ungeimpften Menschen in der Demokratischen Republik Kongo, im Jemen und in Pakistan, seien sehr besorgniserregend.
Bildungsnotstand
Die «Pandemie» wurde von Save The Children als «der grösste globale Bildungsnotstand unseres Lebens» bezeichnet. Bis Ende April 2021 sei die Hälfte der Kinder auf der Welt, fast 175 Millionen, weiterhin von vollständigen oder teilweisen Schulschliessungen betroffen. In über 190 Ländern seien Schulen für mehr als zwei Monate geschlossen worden – manche sogar für ein ganzes Jahr.
Die UNESCO schätzt, dass als Folge der Pandemie die Zahl der Kinder, die keine grundlegenden Lesefähigkeiten erreichen, um weitere 100 Millionen ansteigen könnte, was sich auf ihre Verdienstmöglichkeiten und ihre Chancen für den Rest ihres Lebens auswirken wird. Selbst dort, wo Online-Lernen möglich sei, funktioniere der Fernunterricht für die jüngsten Lernenden nur mangelhaft. Der Bildungsnotstand verstärke die Kluft zwischen Arm und Reich noch weiter, weil er Kindern ohne Zugang zu Computern, Internet, einem ruhigen Platz zum Arbeiten und persönlicher Unterstützung, vernachlässige.
Zudem sei die Gefahr einer Ausbeutung von Kindern in den ärmsten Regionen der Welt besonders hoch, weil sie nicht mehr in die Schule gehen könnten. Sie würden zu unsicherer Kinderarbeit oder zu einer frühen Heirat gezwungen, damit das Einkommen der Familien gesichert sei. Es wird geschätzt, dass zwischen sieben und 9.7 Millionen Kinder, die während der Pandemie die Schule nicht mehr besuchen konnten, nie wieder zurückkehren werden.