«Krebsdiagnosen bei Menschen unter 50 Jahren nehmen zu», schreibt Paul Oberstein, medizinischer Onkologe und Leiter des Gastrointestinal Medical Oncology Program am NYU Langone Perlmutter Cancer Center, in einem Beitrag für die New York Post. «Wir wissen nicht genau, warum, aber wir beobachten einen besonders starken Anstieg von Brustkrebs, Lymphomen und Darmkrebs bei jüngeren Erwachsenen.»
Auch bei einigen anderen Krebsarten, beispielsweise Hoden-, Nieren- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, sei die Zahl gestiegen.
Die Problematik scheint dabei auch nicht auf die USA beschränkt zu sein. Was etwa Darmkrebs angeht, so schreibt die Uniklinik Leipzig im März in einer Pressemitteilung mit der Überschrift «Darmkrebs trifft immer häufiger auch junge Menschen»:
«Seit einigen Jahren werden in Ländern mit hohem Einkommen wie Deutschland immer mehr Darmkrebserkrankungen bei jungen Erwachsenen diagnostiziert. In Deutschland sind fünf Prozent der Menschen, die an Darmkrebs erkranken, jünger als 50 Jahre, in den USA sind es sogar bis zu 12 Prozent. ‹Das sehen auch wir in unserer Sprechstunde›, so Dr. Benjamin Kobitzsch, Facharzt für Innere Medizin. Inzwischen sind 12 Prozent der hier Behandelten jünger als 50 Jahre.»
Untermauert wird dies etwa durch eine 2023 im BMJ Oncology veröffentlichte Studie, der zufolge die weltweite Inzidenz von Krebs im Frühstadium zwischen 1990 und 2019 um 79,1 Prozent und die Zahl der Todesfälle durch Krebs im Frühstadium um 27,7 Prozent zugenommen hat. Dabei wiesen früh auftretende Brust-, Luftröhren-, Bronchial-, Lungen-, Magen- und Dickdarmkrebsarten 2019 die höchste Mortalität auf. Yale Medicine wiederum schreibt zu dieser Thematik 2024:
«Viele Menschen betrachten die ersten Jahrzehnte des Erwachsenenlebens als eine Zeit der Entdeckungsreise – um sich auf die Karriere zu konzentrieren, neue Freunde zu finden (oder sogar einen Partner), die Welt zu bereisen oder einfach nur Spaß zu haben. Egal welchen Weg sie wählen, Krebs ist für sie das Letzte, woran sie denken. Doch Krebs tritt bei immer mehr Erwachsenen in jüngeren Jahren auf – vor dem 40. oder 50. Lebensjahr und manchmal sogar früher.»
Oberstein zählt in seinem Beitrag für die New York Post sechs Symptome auf, die auf Krebs bei jungen Menschen hinweisen können:
(1) Darmveränderungen
Bei Dickdarmkrebs seien insbesondere Veränderungen beim Toilettengang wichtig. «Wenn der Stuhl anders aussieht – dunkler ist, eine andere Größe hat oder Blut vorhanden ist – ist das besorgniserregend». Bei diesen Anomalien sollte man einen Arzt aufsuchen. Oberstein:
«Wir haben den Anstieg von Darmkrebs in den USA und weltweit im letzten Jahrzehnt beobachtet. Wir vermuten, dass der Anstieg mit Umwelt- und Ernährungsumstellungen zusammenhängt, konnten die genaue Ursache jedoch noch nicht ermitteln.»
(2) Unbeabsichtigter Gewichtsverlust
Bei Krebspatienten könne es zu unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, frühzeitigem Sättigungsgefühl, einer Veränderung des Energieniveaus oder einer Verschiebung des Schlafverhaltens kommen, so Oberstein weiter. Dies seien sehr allgemeine Dinge und normalerweise würden sie nicht bedeuten, dass es sich um Krebs handele, aber manchmal könnten sie das erste Anzeichen dafür sein, dass etwas nicht stimme.
(3) Knoten oder Anomalien
«Eine der häufigsten Krebserkrankungen bei Menschen unter 50 Jahren ist Brustkrebs», so Oberstein. «Oftmals bemerkt die Betroffene eine Anomalie, beispielsweise einen Knoten, eine Veränderung der Hautfarbe oder einen Ausfluss aus der Brust.»
Manchmal spüre wiederum ein Mann einen Knoten oder eine Anomalie im Hoden. Unabhängig davon, ob es schmerze oder nicht, sollte er einen Arzt aufsuchen.
(4) Hautläsionen
Frühe Anzeichen eines Melanoms oder anderer Arten von Hautkrebs könnten sich als Anomalie der Haut äußern, so Oberstein. «Alles Neue oder Veränderte sollte eine Nachverfolgung nach sich ziehen.»
(5) Ungewöhnliche Blutungen
Neben Blut im Stuhl gebe es noch andere Arten von anormalen Blutungen. Blut im Urin könne beispielsweise ein frühes Anzeichen für ein Problem mit der Blase oder den Nieren sein. Und vaginale Blutungen oder Blutungen nach dem Geschlechtsverkehr könnten auf Gebärmutterhalskrebs oder möglicherweise sogar Gebärmutterkrebs hinweisen und sollten untersucht werden.
(6) Nachtschweiß
«Schließlich sind wir besorgt, wenn jemand Nachtschweiß oder unerklärliches Fieber oder Schüttelfrost hat», so Oberstein. Das könnte ein Anzeichen dafür sein, dass sich etwas im Lymphsystem zusammenbraut, wie zum Beispiel ein Lymphom, oder es könnte ein Zeichen für etwas anderes sein. Oberstein weiter:
«Schwellungen der Drüsen, auch unter den Achseln oder im Bereich der Lymphknoten, sollten auf jeden Fall Verdacht erregen.»
Zu den Dingen, die Menschen tun könnten, um ihr Krebsrisiko zu senken, gehörten eine bessere Ernährung, das Aufhören mit dem Rauchen und mehr Bewegung.
Oberstein nennt derweil weitere Symptome wie leichte Blutergüsse, häufige Infektionen oder Müdigkeit, die ein Anzeichen für Leukämie sein könnten. Doch man sollte aufpassen, denn wenn man jede Anomalie, die man bei sich beobachtet, mit Krebs in Verbindung bringt, besteht die Gefahr, dass man bei sich selbst Panik erzeugt, die womöglich gar keine Grundlage hat.
Oberstein empfiehlt derweil auch, dass Frauen unter 50 eine Mammographie zur Brustkrebsvorsorge und einen Pap-Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs durchführen lassen sollten. Und Personen, die älter sind als 45, legt er eine Darmspiegelung zwecks Erkennung von Dickdarmkrebs, und bestimmten Männern eine Prostatakrebsvorsorgeuntersuchung ans Herz.
Doch all diese Dinge stehen auch in der Kritik, wie ich in meinem Buch «Die Zukunft der Krebsmedizin» aufzeige. Ihr Nutzen ist wissenschaftlich nicht oder allenfalls nur bedingt nachgewiesen. Zugleich besteht bei ihnen die Gefahr der Überdiagnostik und damit der Übertherapie, sodass zum Beispiel Frauen die Brüste amputiert oder Menschen mit einer potenziell tödlichen Chemotherapie behandelt werden, ohne dass dies gerechtfertigt wäre.
In diesem Zusammenhang schreibt etwa die Taz 2009:
«Aktuelle Daten zeigen, dass bei 10.000 Koloskopien in dreißig Fällen schwere Blutungen auftreten und der Arzt zehnmal unbeabsichtigt die Darmwand durchstößt. Zwei von 10.000 Koloskopieteilnehmern sterben an Komplikationen. Und möglicherweise sind die Risiken in Wirklichkeit sogar noch höher. Denn Anke Steckelberg und Professorin Ingrid Mühlhauser von der Uni Hamburg, die eine ausführliche Studie zum Darmkrebs-Screening angefertigt haben, bemängeln, dass die Nebenwirkungen der Darmspiegelung bisher ‹unzureichend dokumentiert worden sind›.
Ein weiteres Problem der Koloskopie: Sie zeigt viel, oft sogar zu viel. Denn bei ihr werden oft Gewebeproben entnommen und als bösartig und therapiebedürftig klassifiziert, aus denen sich im Darm gar kein Karzinom entwickelt hätte. So lassen sich im Darm von über 70-Jährigen fast immer irgendwelche Polypen finden, die zwar potenziell in einen Tumor münden könnten, letzten Endes aber zu langsam wachsen, um wirklich noch gefährlich werden zu können.»
Der Focus berichtet einige Jahre später zum Thema Mammographie:
«Früh entdeckt, ist Krebs meist heilbar. Was liegt da näher als regelmäßige Untersuchungen? Doch das Mammographie-Screening rettet kaum Frauenleben, der Test auf gefährliche Prostata-Werte führt oft in die Irre.»
Und sogar der Tagesspiegel, gerne orthodox unterwegs in Sachen Medizin, schreibt 2017:
«Beim Mammographie-Screening kommt es zu Überdiagnosen und Übertherapie.»
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