Gestern trafen afrikanische Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel in Brüssel ein, um mit den EU-Staats- und Regierungschefs über alles Mögliche zu diskutieren – von Impfstoffen bis hin zu Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung. Wie die Financial Times (FT) berichtet, wünscht sich Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, eine «neue Allianz zwischen Afrika und Europa». Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte unterdessen mit «rooseveltschem» Schwung an, dass die EU einen «New Deal mit Afrika» anstrebe.
Das ist ein sehr ehrgeiziger Plan, nicht zuletzt, weil sich die Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten während der Pandemie aus einer ganzen Reihe von Gründen verschlechtert haben. Laut der FT besteht unter den afrikanischen Staats- und Regierungschefs Unmut über die diskriminierenden Reiseverbote gegen bestimmte afrikanische Länder Ende letzten Jahres sowie über die Unterstützung der «Impfstoff-Apartheid» durch das Horten von Covid-Impfstoffen.
Doch genau in diesem letzten Punkt liegt die FT falsch. In Wahrheit hat Afrika die Covid-Pandemie viel erfolgreicher gemeistert als Europa, und Impfstoffe haben dabei keine zentrale Rolle gespielt. Nur elf Prozent der Bevölkerung des Kontinents sind geimpft, und dennoch hat Afrika in Bezug auf Todesfälle, Krankenhausaufenthalte und Fallzahlen viel besser abgeschnitten als Europa. Warum also wird die Lieferung von Impfstoffen nach Afrika so stark vorangetrieben?
Immer wenn Afrika während der Pandemie Praktiken nach europäischem Vorbild übernommen hat, sind die Dinge viel schlechter gelaufen. Aufgrund nächtlicher Ausgangssperren, Grenzschliessungen und starker Einschränkungen haben grosse Teile des afrikanischen Kontinents sehr gelitten. Hunderttausende sind unter die Armutsgrenze gerutscht.
Afrika leidet seit zehn Jahren unter hohen Lebensmittelpreisen, deren Auswirkungen in der momentanen Krise besonders in den afrikanischen Ländern zu spüren sind, die strengere Lockdowns verhängt haben. Einem neuen Bericht des Wall Street Journal zufolge stauen sich beispielsweise in Uganda seit Wochen die Lastwagen entlang der Grenze zu Kenia, seit Anfang des Jahres neue Covid-Vorschriften in Kraft getreten sind.
Aus diesem Grund ist die von der FT, Bill Gates und der EU verbreitete westliche Darstellung, dass Afrika Impfstoffe braucht, um die Pandemie zu überwinden, so nicht richtig. Afrika hat nicht die gleichen Probleme wie der Westen. Unterschiedliche Kontinente – und Länder – bedürfen unterschiedlicher Massnahmen: Ein Impfstoff mag in Ländern mit einer älteren Bevölkerung notwendig sein, aber in Afrika mit einer viel jüngeren Bevölkerung ist Impfen der falsche Ansatz.
Es ist daher absolut irreführend zu behaupten, dass das vermehrte Impfen der Afrikaner das Allheilmittel für die zunehmenden wirtschaftlichen Herausforderungen des Kontinents sein wird. In der Tat hat Afrika mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen, die von einer Flut von Staatsstreichen auf dem Kontinent bis hin zu steigenden Lebensmittelpreisen reichen.
Doch die Vorstellung, dass Impfstoffe uns von all diesen Gefahren erlösen werden, ist völlig unsinnig und schädlich. Solche Narrative schaden dem Kontinent, und ich hoffe, dass die afrikanischen Staats- und Regierungschefs dies den EU-Staats- und Regierungschefs auch sagen werden.
Hier finden Sie den Originalartikel auf Englisch.
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Samuel Adu Gyamfi ist ein ghanaischer Politiker und Pädagoge.
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