Der Horizont vieler Menschen ist wie ein Kreis mit Radius Null.
Und das nennen sie dann ihren Standpunkt. Zwei Dinge sind
unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber
bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
Albert Einstein

Liebe Leserinnen und Leser!

Es ist zum Mäusemelken. Im September vermeldete etwa die Welt: «Deutschlands Deindustrialisierung hat begonnen» (siehe dazu auch den Transition-News-Artikel «Es bleibt nur noch die Fiktion der Demokratie – Konzerne und die Milliardärsklasse haben gewonnen»). Und heute fragt das Springer-Medium: «Ampel ohne Plan, Gewinneinbruch bei VW – wie ist der Standort D noch zu retten?»

Spitzenpolitiker wie Habeck und Scholz stehen da auch nach Auffassung des Blattes massiv «in der Kritik». Die Bild wiederum schreibt über das «Politik-Versagen». Ist ja auch nachvollziehbar, denn wer sonst, wenn nicht die Regierung, zeichnet für diese dramatische Negativentwicklung maßgeblich (mit)verantwortlich?

Dieselben Politiker, die übrigens auch die völlig haltlosen Corona-Maßnahmen verzapft haben, sollen dann aber komischerweise das Maß der Vernunft sein, wenn es etwa um Außenpolitik geht. Das bekommt dann so jemand wie Sahra Wagenknecht knüppelhart zu spüren, indem über sie Schlagzeilen wie «Die schändliche Friedenspropaganda der Sahra Wagenknecht» ausgegossen werden. Im Vorspann dieses Kommentars wird weiter verbal drauflosgeprügelt:

«Die BSW-Chefin hat im Sondierungspapier für Brandenburg eine Präambel zum Ukraine-Krieg durchgesetzt. Alles an dieser Suada ist schändlich. Mit ihrer Zustimmung zu diesem verlogenen Jargon macht die brandenburgische SPD einen Kotau.»

Wagenknechts angebliches Politverbrechen besteht laut dem Kommentarschreiber Thomas Schmid darin, dass dank ihrer Unnachgiebigkeit in dem Koalitionssondierungspapier eine Formulierung enthalten ist, in der es heißt:

«Wir nehmen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst, dass sich der Krieg ausweitet ... Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können. Wir ... setzen uns für eine diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts ein ... mit dem Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden voranzutreiben.»

Schmid stimmt dagegen eine regelrechte Lobeshymne auf den Krieg als alternativlosen Lösungsbringer an. Er meint:

«Auch wenn es angesichts der Opfer, die alle Kriege fordern, fast mitleidslos klingt: Es gibt gerechte Kriege. Gerade Deutsche, die durch Krieg führende Alliierte und nicht auf dem Verhandlungsweg von Hitler befreit wurden, sollten das doch wissen und verinnerlicht haben.»

Hier also macht die Politik angeblich plötzlich alles richtig. Wie aber kann das möglich sein, wo sie in der Wirtschaft- oder auch Coronapolitik, auch nach Auffassung vieler Mainstreammedien, kläglich versagt (hat)? Und wie passt es damit zusammen, dass die weltweiten Militärausgaben 2023 bei 2,4 Billionen US-Dollar – als Zahl 2.400.000.000.000 – und damit so hoch wie nie zuvor lagen (2020 waren es noch rund 500 Milliarden weniger), die Zahl der gewaltsamen Krisen und Kriege auf der Welt aber einfach nicht abnehmen will?

Im Übrigen wird beim Gerede vom «gerechten Krieg» betont, dass Russland allein für die Kriegstragödie verantwortlich zeichne. Oder in den Worten Schmids:

«Die Aufforderung an die Ukraine, sich auf dem Verhandlungsweg in die Kapitulation zu fügen, ist nichts anderes als eine Parteinahme für den Aggressor [Russland]. Und garniert wird diese Opfer-Täter-Umkehr mit den ‹Sorgen der Bürgerinnen und Bürger›.»

Tatsächlich nehmen seriöse Kritiker der Politik aber gar keine Opfer-Täter-Umkehr vor. Vielmehr ist es so: Es steht außer Frage, dass Russland in die Ukraine einmarschiert ist. Doch Russland alleine den schwarzen Peter zuzuschieben, greift zu kurz. John J. Mearsheimer etwa, US-Politikwissenschaftler, sieht die Hauptursache des Konflikts in dem NATO-Ansinnen, die Ukraine in das Bündnis aufzunehmen (siehe hier).

Man muss also kein Politgenie sein, um zu erkennen, dass die Formel, die Sahra Wagenknecht als trügerisch anprangert, nämlich dass nur ein mehr an Waffen den Frieden in der Ukraine oder sonstwo wird bringen können, nicht der Wahrheit letzter Schluss ist.

Und wie sagte Michael Johanni, Autor und Menschenrechtsaktivist: «Es gäbe keine Kriege, müssten die jeweils Verantwortlichen selbst an die Front!» Also, Herr Schmid, also Herr Bundeskanzler Scholz, also Herr Verteidigungsminister Pistorius: Husch husch selbst an die Front!

Ich bin mir sicher: Wenn das anstünde, dann würden Schmid, Scholz, Pistorius und Konstorten ganz schnell ihren Schwanz einziehen und konzedieren, dass Wagenknecht doch keine «schändliche Friedenspropaganda» betreibt, sondern Überfälliges in die Politik zu tragen sucht. Sie würden sich ja sicher nicht zu den Hunderttausenden Toten gesellen wollen, die der Ukraine-Krieg bislang gefordert hat.

Alles Gute – trotz allem!

Torsten Engelbrecht